Tageb. 30.7.2022/ mir fällt es schwer derzeit, zu schreiben. etwas zu ende zu schreiben. geschliffen auf meine art zu formulieren, und damit zu denken zu ende. etwas niederzulegen, ab zu legen, zu bannen in dies oder das. ähnlich verhält es sich mit dem bildnerischen. mein atelier wird fremdbelegt von vorrübergehend ausgeräumten dingen, mit materialien für die renovierung oder mit temporären verlagerungen des archivs in die arbeitszone oder sozialpausen. ich habe in diesem jahr keine gedankenplätze und privaten höhlen, die ich doch so brauche. lediglich der samstag abend ist etwas reserviert hier, also heute. aber wer kann schon von 0 auf 100 bildnern oder formulieren, geschweige ordnen. ich hätte das so nicht gedacht. wie es ist ohne die schöne private sphäre, in der ich tun und lassen kann, normalerweise. im atelier trinken handwerker nun derzeit ihren kaffee, das ist ja auch vollkommen in ordnung so, der umbau geht voran, was schön ist. selbst am samstag kann es jedoch sein, dass jemand plötzlich im hause ankommt, um etwas zu tun. was ja prinzipiell gut ist. aber ich habe keine schöpferische schutzzone mehr, wie schwer das ist, auch mit dem wissen, es geht vorbei, das hatte ich nicht bedacht. der kopf ist voll, aber nichts kann derzeit hinaus, so, wie ich es sollte und wollte. stattdessen fragmente, in bild und worten, oder zerstreute aufschreibsel, ungeendet, roh, nicht wirklich gut geschliffen oder gemalt oder eingefangen. das nahezu einzige, was möglich ist, sind andeutungszettel, am besten fotografisch. oder schnoddrig, ggf. obszön. ich wollte eigentlich, so dachte ich im februar, im garten große rotzige dinge malen im lauf der renovierungsarbeiten. und wenns draufregnet, dann ist es auch egal. jetzt wo ich das schreibe, denke ich, ich sollte genau das nochmals probieren, sommerlich. ich habe textlich forsche und grundlegend emanzipatorische entwürfe über das sog. „gemächt“ abgelegt, über meinen mittlerweiligen fast-hass auf SUVs und daimlers politiken oder audis elektropanzer, natürlich aber auch bauseitige schöne beobachtungen mannigfach sowie anmerkungen zum allgemeinzustand des sozialen zusammenseins, regional wie gesamtweltlich. all diese planvollen dinge mitsamt kleinen abstrakten malereien sind jedoch in diesem jahr aufs gedimmte eis angelegt. alle energie fließt gerade in den umbau mit allen seinen details, derer es immer mehr werden, je mehr alles voranschreitet. und es ist ja SCHÖN, dass es das tut, es ist spannend, aufregend, alles das erste mal! dazu dann aber noch dieser neofaschistische krieg, dazu immer noch dieses latentcorona mit infizierten kollegen, dazu das wissen, dass man häuser eher mit 40 als mit 59 umbauen sollte. aber dennoch zu wissen, immer und zuversichtlich, wie schön das hier werden wird, wenn es einst fertig ist. ich meine, andere legen mit 59 die beine hoch. ich will aber nicht die beine hoch legen, um es mal so zu sagen. ich kann mir gar nicht vorstellen, irgendwann mal nur noch die beine hoch zu legen. denn worauf sollte ich meine füße hochlegen, auf was denn bitteschön diesweltlich? ausser vielleicht, ab und an mal, in ligurien, maloja oder in grau d’agde oder an der ostsee. in privaten räumen wie schöpferischen ecken – die es aber eben ja nicht gibt gerade, wenn die mir wildfremden heizungsbauer meinen heiligen (!) maltisch-stuhl mit cola und döner fürs mittagessen belegten und meine privatesten ladekabel benutzten. die jungen kennen da nix. das war früher anders. /Kannten, bis ich was sagte!
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(Bild zeigt malerische Miniatur vom Juni des letzten Jahres 2021 / Maße: klein, Öl auf Pappe, Titel: „Rechtenstein a.d.Donau“, im Hintergrund das Kloster Obermarchtal, rechts davon der höchste Berg Oberschwabens, der Bussen. Ich kenne kaum schönere Orte und Gegenden, allerhöchstens wollte ich das Bild demzufolge an Ausgewählte verschenken, oder für 5.000,00 EUR oder mind. eher mehr verkaufen.)
24. Juli
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MO., 18.7.2022 /die holzbauer sind mittendrin mit dem dach. ich kam vor 10 tagen ans haus und die eine seite war im nu abgedeckt von ihnen, Rolf berichtete, sie seien zu sechst in paar stunden fertig gewesen, alle alten dachziegel schon im container unten auf der strasse. es war seltsam, auf dem gerüst von oben in die räume zu sehen. wie in ein lebensgroßes modell hinein, auch ins modell meiner jugend und herkunft. mein herze lachte und freute sich. mittlerweile ist schon die neueindeckung vorbereitet, in den nächsten tagen wird das wohl passieren. der dachüberstand ist nun größer als bisher, da ja noch die aussenverschalung erneuert werden wird, mit 7cm mehr an dämmung. dann gibt es tiefere fenstereinschnitte, die neuen fensterbretter für außen sind auch schon eingemessen und bestellt. der sehr nette und kalk- und lehmaffine solostukkateur, Rolf sein name, im innenbereich macht tolle arbeit. die oberflächen werden wunderschön, geglättet mit hand, bürste oder rolle, schöne grade wände, ohne tapeten oder dispersion, stattdessen mit weisskalkhydrat und weißem lehm. die lokalitäten der zugesetzten ehemaligen türdurchgänge sind nicht mehr zu erkennen, das ist witzig, manifestierte veränderung, sowie die alten steinernen fenstersolbänke innen wurden von einem kompetenten steinmetz aus der umgegend neu zugesägt und angefast und es freut mich, diese wiederverwendung. in der künftigen küche hat rolf eine dieser werkstücke bereits neu eingebettet, unter das neue fenster. die fenster sind der maserati unter den fenstern: holz/aluminium. alles energetisch tip-top. ich bin jeden tag am waldrandhaus. es ist jetzt hochzeit der abstimmung der verschiedenen gewerke, wir sind sehr froh, das WAS GEHT in diesen zeiten. der elektriker taucht immer wieder auf, um weiter seine kabel zu verlegen und immer wieder gibt es detailfragen, welche steckdose wo, hier ein schalter oder dort, wie soll die neue decke der küche hergestellt werden – gipskarton im trockenbau oder schilfrohrmatten nass kalkverputzt, welche deckenhöhe, wie der schallschutz zwischen OG und EG in künftigem gästezimmer und bad oder küche. wer bricht wann das neue fenster im bad durch, wer mauert das halbe fenster der bibliothek zu, möglichst bald, wann können die heizkörper final angebracht werden, zunächst muss dort ja schon die wand gestrichen werden, und so weiter. es ist mords was los. morgen, so die holzbauer, werden die neuen dachfenster eingebaut, sie liegen schon im garten herum. morgen kommt auch der vertreter der dachziegelfirma und schaut sich dach und lokalität an, wegen der menge der ziegel und der abladung. Rolf besorgt morgen diverses material, um die mauervorblendung im großen „wohnzimmer“ unter dem panoramafenster für den dort zu installierenden heizkörper zu schaffen. „damit alles atmen kann“ ist seine – richtige – devise. gipskarton sei ein quasi halbtotes material und da hat er irgendwo auch sehr recht. die bauzeitliche haustüre (1964) ist mittlerweile schon ertüchtigt, auch das freut uns, dass das ging – dichtungen, schlurfschutz, verglasung und sicherheit. ein neuer bauschuttcontainer steht schon wieder an der straße, ich bin ständig am befüllen, bahram hat sehr viel geholfen beim weiteren abbruch des kleinen aussenkamines aus den 1980er jahren. nun sind es nur noch ca. 1,5m nach unten, die restlos entfernt werden müssen. auch zum zwecke der schuttentsorgung habe ich mir eine neue schubkarre gekauft, ausgeschildert als „profi-garten-schubkarre“. ich habe sie 29 euro billiger bekommen, weil falsch ausgeschildert bepreist. als ich sie dann glücklich zum KFZ schob auf dem baumarktparkplatz, fand ich noch hingewehte zehn euro. die ich sofort einsteckte. ich denke ja immer, wer so blöd ist, sein geld zu verlieren in scheinen, der hat es nicht besser oder anders verdient, dass es den besitzer wechselt. /nun ist es spät, frau mullah meldete sich aus W, wo sie an einer schulung teilnimmt. wie gerne würde ich sie begleitet haben dorthin. aber ich muss arbeiten in einer kirche, deren turm seit jahrhunderten absackte. bis zum vergangenen jahr, als viele tonnen an beton in den gipskeuper und v.a. darunter, in den fels, gepresst wurden, um diese dauernden senkungen – endlich – zu beenden. die schäden im kircheninnern müssen nun behoben und hunderte risse, die wie wunden die wände überziehen, mehrfach geschlossen und unkenntlich gemacht werden, nachdem sie zunächst geöffnet und gesäubert werden mussten. wie eine große dramatische verarztung. bin teil davon.
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FR., 22.7.2022 /und immer wieder diese bewundernswerte deutsche Sprache: „Du reistest nach Wien“, so begann es. Es drängt sich auf das Doppelwörtchen in die Sinne, zunächst lapidar: „Du reistest nach Wien zum Reistest“. /Sodann als Frage: „Du reistest zum Reistest?“ / Vorwurfsvoll: „Während ich hier auf die Kinder aufpassen musste, reistest Du – natürlich – zum Reistest!“
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SA., 23.7.2022 /inzwischen sind die neuen dachlatten über einer grünen bahn montiert. es hatte am dienstag heftig geregnet, aber alles ist gottlob dicht. die neuen dachfenster sind eingebaut, im „neuen“ zimmer im OG unter der dachschräge herrscht ab jetzt ein wunderbares licht, dort, wo bisher nur ein kleiner abseitiger dachboden als stauraum genutzt wurde. den sturz für das dortige talseits neu geplante fenster zum dorf hin und der schwäbischen alb haben die hervorragenden zimmermänner als echte allrounder kurzerhand selbst gegossen, nachdem vorgefertigte stürze aus beton nicht lieferbar sind. im bad haben ebenfalls sie mit dem ausbruch der fensterversetzung begonnen, hier ergeben sich probleme ebenfalls mit dem sturz, der ja auch dachtragend ist. ein neuer längerer sturz aus holz muss dort eingepflegt werden. zudem tauchten in der massiven wand alte entlüftungsrohre fürs bad im UG auf, die – laut heizungs- und sanitärbauer – bleiben müssen und damit den standort des neuen badfensters mitbestimmen. /Rolf hat inzwischen auch die vormauerung unterhalb des panoramafensters gemauert. ytong, kalk und lehmputz, mich freut die schaffung von oberflächen, die diffusionsdurchlässig sind und ein gesundes raumklima pflegen. alles muss ja raus und reinkönnen. und bei allem den 1960er charme räumlich und raumästhetisch beibehalten. bei LEHM denkt man ja immer an jahrhunderte alte bauernbutzen mit krummen wänden. ist nicht so, völliger quatsch. das neue „halbe“ bibliotheksfenster sitzt, heute habe ich noch die inzwischen flink (durch ebenfalls die zimmermänner!) getätigte zumauerung der anderen hälfte am unteren rand ausgespitzt, damit die auch hier aus altbestand neu bemaßt herausgesägte solbank von Rolf gesetzt werden kann. so geht es auch in der bibliothek weiter. für die dort nach unten vergrößerten fenster zum garten hin müssen wir nun dringend die einbauregalplanung anschieben. ebenso, wie die küchenplanung, aber hier gibt es nun den plan für die elektriker, so dass die ihre schlitze ziehen können, bevor Rolf die letztendlichen oberflächen herstellt. am vergangenen dienstag kam auch ein weiterer netter photovoltaik-bauer vorbei, offenbar sehr erfahren. lieferschwierigkeiten, wie überall derzeit ja beklagt und als grund für massive preiserhöhungen angeführt, gebe es eigentlich keine, „nur die preise für speicher und schaltungsmedien“ seien momentan „schwankend“. das angebot sei in einigen wenigen tagen dann fertig. das dronenfoto, was er „gleich noch machen würde vom dach“, täte er uns gerne noch als zuckerle (selbstverständlich) zusenden. wir sind gespannt, sowieso auf alles. /morgen, sonntags, gilt es, einmal wieder einen kassensturz zu tätigen. angebote und geleistete abschlagszahlungen einmal nebeneinander legen und listen und spalten anlegen, auch für das, was noch kommt und rein und rausgeht. eine ungeahnte erbschaft wäre schön, aber alles ist bislang im rahmen. /da fällt mir ein: die elektriker müssen noch leer-rohre unters dach legen für die photovoltaik und die zimmermänner noch öffnungen im dach schaffen für den rauchabzug eines geplanten zimmerholzofens im „wohnzimmer“. mit so einem garten hat man immer holz zum verheizen, es wäre schändlich und fahrlässig, auch angesichts DES putins (des „russen“ also) und der weltlage, so etwas zu vergessen. /die zimmermänner haben sogar auch schon die hölzerne schwelle von „wohnzimmer“ zur neuen küche (übrigens das bauzeitlich elterliche schlafzimmer und in der folge das ewige schlafzimmer der alten dame, bis zuletzt) herausgeschnitten. der neue boden in der neuen küche wird linoleum sein, dieser dann über den durchbruch und damit die ehemalige schwelle in balkenbreite verlegt werden und mit einer metallleiste zum kunststeinboden der 1960er-jahre des „wohnzimmers“ abgedeckt und vermittelt werden. /schon vorbereitet seitens der elektriker ist die anbringung eines irgendwie passenden und fulminanten decken-hänge-leuchters im „wohnzimmer“ ab 4m über bodenniveau. manche bezeichnen als „candelaber“. man findet die aberwitzigsten leuchtskulpturen, auch aus den 1960er-jahren im internet. stolze preise. der raum eignet sich jedoch tatsächlich für so etwas. wie geschaffen. für irgendeinen schrägen WURF. unangeberisch gegenüber dem üppigen voluminösen luftraum, jedoch diesen nutzend, was sonst. ein vorschlag meinerseits lagert seit einem halben jahr in der garage. ein ehem. kirchenleuchter, entworfen vor erst zwanzig jahren, lichtmodernisierend für eine alte hochkirche, einer von vielen seinesgleichen in gotischer umgebung und veräußert seitens der kirchengemeinde für einen guten zweck.
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DO., 21.7.2022 /Rolf, der competente solostuccateur, bringt fast jedesmal seine kleine süße hündin HEDDA mit auf die baustelle. ich hab sie gleich ins herz geschlossen. sie ist irgendwie wie ihr herrchen. mittlerweile verteidigt sie das grundstück und bellt, wenn es an der gartentür geräusche herannahender handwerker oder bauherren gibt. sie ist knapp ein jahr erst alt und nagt an allem, was herumliegt, gerne auch plastik. ich glaube, selbst die zimmermänner haben sie mittlerweile – immer irgendwo herumliegend oder einen jeden freudig begrüßend – akzeptiert. auch bei terminen mit dem architekten und allen sonstigen adhoc-besprechungen ist sie stets aufmerksam dabei. egal, ob im UG, OG oder EG. oder im garten. Rolf erzählt beim Rauchen, sie würde nichts mehr essen. dann beichtet er mir, der tierarzt habe gemeint, sie dürfe nicht so verwöhnt werden, v.a. von ihm: mit leckerli vom tisch zu hause, wann immer und wo immer. frauchen (also frau von Rolf) habe jetzt daraufhin strikte änderungen zuhaus’ eingeführt: futter für Hedda jetzt nur noch an einem essplatz, dort stünde dieses 15min, danach würde es abgeräumt. damit sich HEDDA regelkonform gewöhnt. ich finde auch, das wäre ganz einfach. sie ist eine wirklich zuckersüße, ich bin hundeseits sehr bestechlich, wenn ich sympathie bemerke, hunde- oder hündinnenseits. die umliegenden singvogelfressenden katzen hingegen kacken immer noch, trotz belebter großbaustelle, an ihre gewohnten notdurftplätze im unteren garten (sogar die zimmermänner haben kleine plastikfolienstücke auf diese häufchen gelegt, um nicht jedesmal beim materialholen ebenda hineinzutreten).
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es IST viele baustellen, gleicher zeit. fühle mich einen deut, einen tick, nochmehr im leben als bspw. 1985, 1988, 1997, 2003, 2010, 2014 und dergleichen. wie gießt man eine tomatenpflanze im tomatenproduziermodus? von unten, von hinten, von oben oder von vorne?
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ein bild verkauft, jedenfalls zusage. manche würden sagen, es sei ein hässliches bild. ist es aber nicht, meinerseits im gegenteil. steht getippt drauf, oben am rand, neben nacktem weiblichem körper von schräghinten voyeurhaft am strand mit brustwarze, haupthaar und schamhaar: „red head hairy european feminist MILF on beach“. dahinter ewig ausgetüftelt und veränderter malerisch schnoddriger, wie zufällig, horizont mit ebensolchem breitpinselstrand. wie mich diese gewoketen lebensbildwelten traurig machen, bestürzen oft wegen der weglassungen, mitsamt sämtlichen bild- und damit inhaltsunterlassungen, wenigstens drohender an- und abmahungen, vor allem den verboten von menschweisheit und erkenntnis in mannigfach nuancierter durchgenudelter empirie.
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man muss, als alter ego mindestens, immer den unbedingten verweigerungen auf der spur bleiben lebenslang, damit kann man sich oft die ein oder andere cola mitsamt schuss verdienen und zuletzt wenigstens aufrecht in die grube fahren.
beendet.
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die mitarbeit im rahmen der reinigung und restaurierung von erstaunlichen wandmalereien aus den 1980er jahren in einer russischen kirche ist beendet. ein paar tage mitarbeit im rahmen der restaurierung des ehem. eingangspavillons eines tierpark ist nun ebenfalls vorläufig beendet. die ausbesserung von wasserschäden durch starkregen des letzten jahres gotischer wandmalereien in einer weiteren kirche sowie die neumarmorierung von vier barocken holzsäulen in einer kirche in der fränkischen schweiz sowie die erstaunliche untersuchung eines barocken anwesens in mittelfranken sind ebenso beendet, wie kleinere retuschierarbeiten an einem ehemaligen steinernen fenstergewände nahe coburg und an ebensolch steinernen fenstergewänden nahe einer südwestdeutschen keltenschanze. nahe einer anderen keltenschanze ferner ist ein älterer gutshof untersucht sowie nun die arbeiten begonnen, seit vorgestern, an den rissen und schäden in einem gotischen chor, die entstanden aufgrund des vorjährig sichernden hochpumpens eines kirchturmes, den nun wieder einigermaßen gerade steht, nachdem er jahrhundertelang aufgrund des gipshaltig weichen untergrundes sich ewig und abermals gefährlich neigte. im dachboden leben jedes jahr 500.000 fledermäuse, die alsbald ihre kinder kriegen. ein schönes gefühl.
beendet sind nunmehr auch die einbauten der neuen fenster. sowie ein teil des abbruches des zweiten schornsteins, der leider weichen musste, da er sich nicht mit der künftig stärkeren außendämmung verträgt. es ist weiterhin fast alles beendet im rahmen der vorbereitungen für den beginn der arbeiten an einem neuen dach. ebenso nahezu vollständig beendet sind die vorbereitenden schritte diverser detailarbeiten bezüglich verputzungen und ausbesserungen im innern sowie dem erhalt von bauzeitlichen details der 1960er jahre. beendet ist auch das ziehen von 300.000 nägeln, die die baldige unterspann behindern würden, genauso, wie das ausblasen einer neuen zelluloseverpackung.
„effizienzhaus 85“. oder 100, das ist noch nicht ganz klar. die spuren der marder unterm dach, also unter der ehemaligen innenbretterung aus nut- und feder, ich habe sie gefunden. auch sie hatten, wie die mäuse, ausgesuchte orte für ihre WCs, aber das WC der marder war andernorts, und ebenso natürlich ihre hinterlassenschaften, nämlich größer.
ein leckerer rückbau mit maske. immerhin konnten sich geräuscherinnerungen der kirschkern von möglicherweise wild herumtollenden jungmardern erklären und verorten lassen.
vorläufig beendet sind auch die dringend bewahrenden schritte in bezug auf diverse ausraster junger menschen. ein beschwichtigender auszug ist beendet, eine anwaltssuche ebenso, die verwaltung von ehemaligem hausrat und müll wurde ebenfalls tatkräftig beendet in der organisation, vorgestern. unbeendet sind die sorgen, welche kaum geringer werden werden, selbst wenn sie es dürften. von sollten keine rede mehr.
beendet ist freudigerweise auch die neueinrichtung eines neuen klapprechners, der alte war von 2009. wie schnell nun alles geht. ohne, dass sich fenster vorwarnungslos schließen.
niemals beendet wird jemals sein meine liebe, einfach so abends in den garten hinauszutreten, um zu pinkeln. im stehen natürlich. und dabei jedesmal kurz nachzudenken über alles, jeden und jede und das universum. in den himmel zu schauen und den amseln bei ihrem schönen dämmergesang zuzuhören. der jasmin blüht nun, drei eigentlich viel zu große hochbüsche gibt es auf dem grundstück, einst gepflanzt sicherlich vor jahren als vornehmlich kleine kontrollierte staude. dem ehemals „rasen“ ist auch in diesem jahr bislang fast alles gegönnt, ein paar für die renovierenden schritte nötige rasuren sind getan. die stechmückenlarven tummeln sich in allerlei wasserwannen, die so herumstehen, und blicke in eine gelegentlich derzeit gegenlichtige abendsonne zeigen jede menge tanzende insektenhaufen. nach zwei tagen eines größeren gefüllten behältnisses kann man dann schon mindestens zwei wasserläufer beobachten. als kind war das für mich eines der sieben kinderwunder. wie man denn, um gottes willen, auf wasser laufen kann.
ist es auch heute noch.
andere gehen jetzt nach südfrankreich. oder toskana. verkaufen all’ ihr zeug, alles im besten fall erbe. haben zeit. wenn man glück hatte. andere arbeiten weiter, manche viele davon müssen. manchmal groß und teuer, manchmal klein und billig. manche ehrlich, manche (meist die teuren) oft ohne wenigstens ehrlich. und manche haben eigentlich nie irgendetwas gearbeitet, geschweige gemacht, geschweige kante, wenigstens irgendeine.
was für ein leben.
viel lieber bin ich da doch wasserläufer vom übernächsten garten her und solange spitz, bis ich dankbar beendet jäh umfalle. als eidechse vielleicht. mit einem bild im gedächtnis, von einem eidechsenhäscher im hawaiihemd, mittel- bis endalt, mit bäuchelchen, goldkettchen und v.a. cunnilingusbärtchen in spitzem silbergrau.
oft bildet man sich viel ein, bspw. übermorgen, unendlich und schön, sowieso.
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(Abb.: eigene Malerei)
the größtmögliche Wiederholung
irgendwo inmitten des unbekannten überalls stolzierte eine mittelgroß stattliche größtmögliche wiederholung, ohne schlussfolgerung allerdings. ich hakte mich bei der ein, andere sagen „unter“, dann kann mir nichts passieren. die ist größer als ich, von der körperhöhe und massivität her und vergleichsweise stark gebaut. die ist weiblich und trägt manchmal rouge, aber ich bin ja sehr gerne bereits vergeben. konnten wir also abhaken, worüber ich froh war. wir gingen also im arm durch den wald auf schotter und ich versuchte dort, plaudernd alles mögliche des meinen zu erklären, von dem ich allerdings bald vergaß, was es war. es war jedenfalls wichtig gewesen. wichtig nicht im zeitgegebenen sinne, sondern eher univers. da aber das universum vergesslichkeiten verzeiht, konnte ich im reinen sein, das wichtige vergessen zu haben. das ist mein wissensvorteil. wir beobachteten ein reh, dazu ein kitz daneben, ein wildschwein, einen sehr großen nachtfalter und salamanderlarven am bach, wenn man die steine umdreht neben den alten autoreifen, die dort seit fünfzig jahren liegen und vom wasser umspült schutz für generationen unrasierter amphibien boten. die größtmögliche wiederholung wollte im überschwang über die alten baumstämme balancieren, auf stöckelschuhen, die da bemoost seit jahren brücken zu bauen vorgeben und einladen. ich riet ab, in diesem fall. in anderen fällen hatte ich schon zugeraten. noch immer habe ich keine ahnung über das bedauern der lurche. oder der weiblichen molche oder der pilze. allerdings kann ich den trost der tannen und lärchen und buchen mir gegenüber bezüglich größtmöglicher wiederholungen spüren, empfinden und sogar seit langem weitergeben. größtmögliche wiederholungen sind auch nur wesen, denen ab und an, und seien sie auch größer und schwerer in jeder beziehung ausgestattet, ein kleiner und bescheiden vorgebrachter wohlwollender rat, sehr gerne auch kritisch, gutes tut. zuletzt, beim pinkeln in der hocke im gebüsch am rand vom wald (sie hatte mir bereits am schweinehag von ihrer konfirmandinnenblase berichtet), lächelte sie mich erleichternd an, bevor ich mich oldscool wegdrehte mit einer diskreten buchegger im winkel vom mund. und wir vereinbarten auf ihren wunsch hin weitere spaziergänge, wenn es mir denn terminlich reinpasst, was aber wahrscheinlich kaum möglich sein wird, worüber ich froh bin. ich kann einfach unrasierte größtmögliche wiederholungen ohne schlussforderungen nicht leiden, so dachte ich zuletzt, als ich mein pferdchen bestieg, in den grind spuckte und in richtung westen dem orangenen sonnenuntergang entgegen davonritt, ohne mich auch nur noch einmal umzudrehen.
Emaille-Schild-Edition No. 15, „Cis“
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Schilder-Edition Nr. 15, Titel: „Cis“, Jahr: 04/2022, Maße: 8x18cm, Technik: Email-Schild handgefertigt, unikatärer Charakter, grundemailliert, allseitig gewölbt, mit 4 Befestigungslöchern, Vorderseite Grund weiß, Schrift schwarz (leicht erhaben), Auflage: 20 Stück, Rückseite nummeriert, datiert, signiert
(*Cis/Wikipedia: „Cisgender oder als undeklinierbares Adjektiv cisgender, kurz cis, bezeichnet Personen, deren Geschlechtsidentität mit ihrem im Geburtenregister eingetragenen Geschlecht übereinstimmt, das meist anhand der sichtbaren körperlichen Geschlechtsmerkmale des Neugeborenen beurteilt wird. (…)“ / Cis ist zudem auch eine Tonart.)
mehr: hier.
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Mit besten Grüßen, Ihr Schneck
25.4./ Trieb, Küps
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„Küps“ ist ein sehr schöner und beinahe schon lustiger Ortsname. Dort heut gewesen, es gibt mehrere Schlösschen da. Wenn man nach Küps fährt, kommt man durch einen Ort namens „Trieb“: Durch Trieb nach Küps. Zurückgefahren sind wir natürlich auch: Von Küps durch Trieb. Bestimmt war ich nicht der erste, der das Ortsschild fotografierte. Manche Trieber können es gewiss nicht mehr hören und sehen, diesen Witz und das innere billige Grinsen über den Namen ihres Ortes. Geboren in Trieb, gestorben in Trieb. „Und wo kommst Du her?“ „Aus Trieb.“ Zonenrandgebiet. Das waren andere Zeiten, lange her. „Geboren 1902 in Trieb, verstorben 1978 in Küps“.
Vielleicht gibt es in Trieb oder Küps ja auch Stolpersteine. Will nachsehen.
Vorm wiederaufgebauten Renaissancerathaus 130km südlich Küps sitzt auf einer Bank ein betrunkener und etwas verwahrloster älterer Herr und singt „Die Fahnen hoch, die Reihen dicht geschlossen“. Ist eigentlich ja verboten. Zuvor hatte er Ännchen von Tharau und die Internationale gesungen. Meine Bratwürste schmecken wie immer, der Weizenschnitt heute ist wohlwollend. Am Tisch neben mir zwei jüngere friedliche Männer, der eine mit bemalter Glatze, Kringel und Punkte in rot und grün, die sich über Spiritualität und Kapitalismuskritik unterhalten. Der andere lange zeitlose Haare, dazu unmögliche Schuhe. Bin froh, dass es solche Menschen noch immer gibt. Die ihre Triebe im Griff haben.
Morgen wieder nach Küps, durch Trieb. Die Störche in Küps klappern schon.
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Nachtrag, 23.4. / „Russenkorso“ heute in Reutlingen. Unerträglich. Eine freche Opfer-/Täterumkehrung. Und dann alles noch aus dem Auto heraus, sicherlich zentralverriegelt. „Hupen und Sirenen polizeilich verboten“, lachhaft. Ein Autokorso, gleich einer Militärparade oder eines Konvois. Nicht mal den Mut zu haben, sich leibhaftig zu äußern, wie feige. Dazu noch ein Riesenspaß, samstäglich. Wie nach einem siegreichen Länderspiel. Wo bleibt eine klare Stellungnahme, Eure Stellungnahme? Ich bin gespannt. Stattdessen Diskriminierungsspektakel. Welche Diskriminierung angesichts der Gräueltaten Eurer Landsleute? Ein schiefer Blick im Supermarkt? Ein „Stoppt Putin“-Aufkleber auf dem Briefkasten? „Für ein friedliches Zusammenleben in Deutschland“ heisst es. In Deutschland, aha. Wie wärs mit einem friedlichen Zusammenleben anderswo? Keine Auskunft. Ich sehe sie schon, die beflaggten Pickups oder tiefergelegten Performance-PKWs mit weiss-blau-rot. Ihr Memmen, mit eurem wehleidigen Aufsitzen auf dem unsäglichen derzeitigen Beklagungstrend. Es widert mich an. Und ihr verspielt damit einen gehörigen Teil des letzten Restes meiner einst umfangreichen, auch familiär begründeten, Russlandsympathie. Hässlich, dumm und unverschämt. / Treffpunkt sei heute um 15.30 Uhr an der Hochschule in Reutlingen, dann 2 Stunden Rundfahrt durch die Innenstadt und sodann wieder retour. Ich wollte zunächst hingehen und staunend schauen. Oder diskutieren, diskutieren geht ja aber nicht, ihr sitzt ja im Auto. Ich werde stattdessen fernbleiben, meine Nerven schonen und ich hoffe, diese Eure zynische „Demonstration“ versinkt in zutiefst kränkender Nichtbeachtung und ebensolcher Belanglosigkeit. Widerlich! Schämt Euch.
schiefe Bahn, 2. Apr.
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Schnee, wie überall. Dabei waren doch schon 20 Grad. Muss das sein? Offenbar ja.
Nicht mal ein solidarisches Tempolimit bekommen die Deutschen hin. Noch nicht einmal temporär, wenigstens. Nein, da hört der Spaß auf. Alt-Kleider und muffige Schlafsäcke als Kriegsopfer gerne, aber doch bitte kein Tempolimit.
Impfung, Diesel, Speiseöl. Pfründe, überall Pfründe. Und rote Privatlinien, wohin man schaut.
Ein junger Mann hätte mit einem Gabelstapler nachts um 3 einen freistehenden Geldautomaten aus der Verankerung gerissen und sei dann damit zurück zur Firma gefahren, bei der er beschäftigt ist. Beim Aufflexen sei er von einem Polizeihubschrauber erwischt worden, was zu erwarten gewesen war. Wie im James-Bond-Film. Es ist nun alles schlimm. Weniger kriminell als psychologisch, eher eine fast zwanghafte Selbstdemontage. Auch dies ist – zuletzt – eine traurige Kriegsgeschichte.
Frau Schicksal habe kurz geweint, ich auch. Kurz.
Kaum jemand, der/die/div. gendert, scheint es komisch zu finden, dass ukrainische cis-Männer im Alter von 18 bis 60 Lebensjahren derzeit aus ihrer Heimat nicht ausreisen dürfen, sondern stattdessen zum Kriegsdienst verpflichtet werden. Es geht ja nebenbei nicht nur ums ggf. Sterbenmüssen, sondern auch ggf. ums Tötenmüssen. Wie schnell doch verschwinden moderne Fragestellungen, wenn es ernst und altertümlich wird.
Ich habe dazu keine Meinung mehr.
Die neue Heizung funktioniert. Einige der neuen Heizkörper müssen noch installiert werden. Raumveränderungen sind in Arbeit und schon sichtbar. Die neuen Fenster sind beauftragt und werden derzeit hergestellt. Die Dacherneuerung ist für Mai oder Juni geplant. Angebote für Fotovoltaik und Außenverschalung stehen noch aus. Weitere Rückbauten sind in Arbeit, Generationen von Mäusen, Wespen, Mardern und Hornissen hatten in den Zwischenräumen von Dach, diversen Isolierungen und Innenverschalung eine Kinderstube und Geborgenheit gefunden. Ich glaube, es wird wirklich sehr schön werden.
Blöd wäre es halt nur, wenn jetzt Atomkrieg wäre. Dann wäre alles kaputt und wertlos und wir müssten ggf. nach Afghanistan flüchten und wären dann Wirtschaftsflüchtlinge. Oder nach Gambia, Eritrea oder sonstwo hin, jedenfalls übers Mittelmeer und durch Libyen südlich.
Dort, wo wir dann landen, würden wir versuchen, durch den Verkauf von handgemachten Spätzle mit Soße und Brezeln und kleinen Portraits unseres Wachpersonals in Tusche, Graphit oder Aquarell oder als Trauerrednerin irgendwie zu überleben.
Vielleicht würde ich aber auch irgendwann auf die schiefe Bahn geraten.
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Tageb. 11.3.22
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(Abb.: Dom zu Königsberg/Kaliningrad, 1993 / Handabzug SW auf PE-Papier)
ES geht ja immer um orientierung, das ist das, was wichtig ist. und um phantasie, um damit orientierungslosigkeiten vorzubeugen. dabei schlagen pendel mal heute nach dort, schon morgen hauen sie nach da. eigentlich liebe ich solche dynamischen situationen, in denen nicht alles immer so furchtbar lange dauert, sondern sich die sachen innerhalb von kurzer oder kürzester zeit grundlegend ändern können. das ist natürlich oft gefährlich, ebensooft schmerzhaft, immer aber spannend. im künstlerischen herangehen an dinge und geschehnisse kennt man sich dabei ja irgendwann aus – beispielsweise im plötzlichen (unwirsch oder lustvollen) übermalen, ändern, zerreissen, verwischen und zerstören oder verwerfen von zuvor geformten und als ewig gewerteten gedankenbildern. oder darin, falsche fährten zu legen. oder solche zu lesen. eine künstlerische ausbildung und eine jahrelange beschäftigung mit diesen subversiven umsturztechniken ist daher sicherlich hilfreich in kriegszeiten.
in friedenszeiten natürlich auch.
auf der autobahn von osten nach westen vorgestern am nachmittag eine anwachsende menge von meist vollbesetzten kleinwagen mit ukrainischen kennzeichen und tempo 90, die hinter lastwagen im windschatten herfahren. die ereignisse mitsamt folgen werden sichtbarer. beim langsamen überholen winke ich jedesmal freundlich, um solidarität zu vermitteln. etwas besseres fällt mir gerade nicht ein. später dann sogar auch, zu meinem erstaunen, zwei ukrainische sportwagen mit breitreifen und röhrendem moto-sound-system, die lichthupend langsamere verkehrsteilnehmer wegdrängeln und sodann auf der linken spur mit hundertsiebzig sachen am tempolimit von 120 vorbeiziehen. „ah, die mafia flüchtet also auch…“ ertappe ich mich beim bewegtbildlichen denken an tätowierte frauenhändler oder sportliche inkassospezialisten und diesbezüglich weiterführende klischees.
und entwickelte sogleich dann auch die befürchtung, dass die große derzeitige hilfsbereitschaft vielleicht irgendwann auch ein jähes ende finden könnte, wenn denn alles angekommen ist, sich spreu von weizen, ideal von real und innerlich wie äußerlich getrennt haben und sich das ewige GUTE, BÖSE und UNGUTE sowie HALBBÖSE abermals in sich jeweils verheddern. danach kommt bekanntlich oft der sozialneid daher.
es ist doch immer das gleiche, erst gibt es herzen, heissen tee und decken an überfüllten bahnhöfen. und dann, nach einer gewissen zeit und nachlassender empathie, werden wieder empört altersverarmte einheimische rentnerinnen bemüht, die trotz flaschensammeln ihre miete nicht mehr bezahlen können und tür an tür leben müssen neben von irgendwoher eingewanderten fremden. zum beispiel sozialbetrugserprobten „osteuropäern“ – man denke da (nicht) nur an die bis heute sehr verbreitet herabwürdigenden zuweisungen gegenüber bspw. rumänischen staatsbürgern, „den RUMÄNEN“. immigrierten neunachbarn also, welche hier bei UNS natürlich ausnahmslos in saus und braus sowieso niemals arbeiten, den ganzen tag lang vodka trinken, ein vielfaches an diversen sozialstützen beziehen und somit aufgrund tagesfreizeit auch noch tausende verwahrloste alkoholkinder mangelnder intelligenz rülpsend in die welt setzen, die dann später mal sowieso nur am bahnhof rumhängen und handtaschen klauen.
vor diesen hässlich wiederkehrenden reaktionsmustern grauts mir. die zuletzt ja nach 2015 mitzuerleben waren im wahrscheinlich ewiglich dramaturgisch festgelegten musterablauf ggf. äußerer veränderungen altmoderner welt.
die rechten werden sich dieses thema abermals nicht entgehen lassen, ich wette darauf. / andererseits: auch die rechten werden sich gewiss gerne ihre badezimmer von profis aus der ukraine schnell und v.a. günstig neu fliesen lassen wollen. bezüglich des fachkräftemangels generiert dieser krieg mit seinen fluchtbewegungen ja fast schon einen hoffnungsschimmer für die deutsche wirtschaft, denn endlich kommen welche, die noch zupacken können in berufen, die schon lange kein biodeutscher mehr ausüben möchte.
frau mullah ermahnt mich für diese herumspazierenden gedanken. es kämen doch vor allem frauen und kinder. und wenig männer, noch weniger junge männer. und ausserdem wollten diese menschen doch alle so schnell wie möglich zurück in ihre heimat. nein, so würde das nicht werden diesmal, das mit der fluchtrezeption. wahrscheinlich hat sie recht. hoffentlich hat sie recht. ich glaube, sie hat recht. und sie berichtete dann auch noch von einem in berlin lebenden freund, welcher dort in diesen tagen vor einem lokal ein schild sah mit der aufschrift: „Hunde und Russen müssen draußen bleiben!“.
es ist ekelhaft.
man sollte wohl einfach in diesen tagen nicht so viel in der gegend herumdenken, schon gar nicht zweckungebunden phantasievoll. man sollte stattdessen seiner täglichen arbeit nachgehen, den dieselpreis beobachten, für die ukrainischen menschen hoffen und beten und ebenso für die russischen. sich etwas brennholz vor die hütte lagern und um 22.00 uhr zu bett gehen, für alle fälle.
Tageb. 7.3.22
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(…) Habe ja nun doch den VHS-Schnellkurs „Das Maschinengewehr – Gebrauch, Wartung und Pflege, 3-tägiger Praxiskurs für reuige Ex-Kriegsdienstverweigerer im herrlichen Schönbuch. Wir treffen uns an der Friedenslinde im Gewann Wolfenlöchle, Beginn jew. 5.45 Uhr“ abgesagt. / Auf dem Autobahnweg zur Zweitberufsbaustelle gestern Abend fiel mir deutlich eine allgemein verringerte Durchschnittsgeschwindigkeit auf, auch im Mittelklassesegment. Im Vergleich zur Vorkriegszeit. Ein Tempolimit durch die Hintertür, auch recht. Auch wenn es meinen Beutel natürlich schmerzt, dieser Liter Diesel 2 Euro. Langsam fahren als ein Beitrag gegen die Kriegskasse des Verbrechers. Solidarität durch Tempo 110, schön. Viele Fliegen, eine Patsche. Jetzt müssen wir nur noch überlegen, wie wir das russische Gasheizungsgas und das russische Ölheizungsöl, angeblich ja rund 50% des bundesdeutschen Lieferbezuges, wie ich erstaunt neuerdings vernahm, ersetzen. Auf die Schnelle. Bevor er’s uns abdreht. / Das kann ja was werden. / Spinnweben – meine Güte Spinnweben. Wenn man sie wegmacht, dann sind sie sechs Wochen später wieder da. Ähnlich ist es mit dem Staub und der Asche. Und Totgeglaubten. Und leeren Kühlschränken und Tankfüllungen. / Frau Mullah hat jetzt Corona. Und obwohl wir – noch unwissend – gemeinsam und schön unterwegs waren, habe ich es nicht. Bisher. Meine Tests wollen auch nach sieben Tagen einfach keine zwei Strichlein bekommen. Ich bin nicht stolz darauf, sondern einfach nur froh. Auch das PCR für 75 Euro erteilt Absage. Eine Isolierung innerhalb einer Innigkeit ist schlimm. Das merkt man dann ganz schnell. Ich schlafe auf der Waldrandbaustelle und wir telefonieren. Übrigens – mich hat allein die Testorganisation und die dadurch nicht wahrgenommene geldwerte Arbeitszeit an einem Tag mal eben 350 Euro gekostet. Verdienstausfall bei Selbstständigen. Wenn Du nicht arbeiten kannst, dann verdienst Du eben kein Geld, ganz einfach. Dies an die Adresse von selbstverliebten C-Spezialisten im Angestelltenverhältnis. / Mir geht die derzeitige Tageskälte und der sonst so geliebte Ostwind langsam auf den Zeiger. Er kitzelt meine Schimpfbereitschaft. Klartext, oder wie früher, Titten auf den Tisch! Wir können auch anders, die Zeiten sind rauh und sie werden hart. / Zwischendrin im Atelier temperierende Übersprungsbilder in weichem Öl auf altzarter Pappe, zum Beispiel „Abend in Ascona“ oder nochmals sicherlich demnächst eine „Große Düne in Nidden“, „Winterliches Odessa“ oder ähnliches. Was hat man denn noch sonst, außer den samtenen Subjektivitäten, landregengleich, als kleine private Temporärflüchtchen ganz verinnerlich inmitten von Stahlwettern jeglicher Art. Von überall her. Im Wind sich wiegende Kornähren, der ganze Mist eben. / Dies, während andere bereits jetzt alles verloren haben und in entblößter Flucht. / Abb. zeigt: „4.3.2022Abend in Ascona“, 2022, 21x21cm, Öl/Lack/Schreibmaschine auf Pappe / © div.
erster maerz ukr
mir fällt nichts mehr ein, alle sprache ist mir perdu seit fünf tagen, die geschichte der letzten jahrzehnte, die auch die meine ist, mitsamt meiner träume besserer welten hat sich in noch nicht einmal einer woche vollständig zurückgedehnt. ein älterer mann einer anderen epoche mit problemen an den sexualhormonen hat sich zu diesem verpuffenden theater entschlossen. er will es wohl noch einmal, ein letztes mal, wissen und sollte es nicht klappen mit seinen wahnhaften vorstellungen, dann wird er eben die halbe welt tosend mit hinab in sein grab nehmen. vor 40 jahren traf ich in sehr ähnlicher situation einige für mich grundlegende entscheidungen. das ist auch der grund dafür, weshalb ich bis heute nicht weiss, wie man ein maschinengewehr bedient. wie gerne würde ich es nun wissen, nach langen jahren schmerzhafter erkenntnisse über die ewigen wiederkünfte, die nun derzeit eine endsumme formulieren. aber vielleicht ist es besser, dass ich es nicht weiss. ich wollte es erst gar nicht können. ich sollte mich besinnen. denn was ich seit damals hingegen weiss, ist, wie man querschnittgelähmte junge und alte männer kathetert, wie man ihnen ein kondom mitsamt schlauch zum ablauf der flüssigen ausscheidungen an den penis klebt, wie man ihnen tatkräftig beim abführen hilft und wie man bei all dem die schmerzhaften peinlichkeiten von gefühlen und gerüchen überspielt, wie man ihnen, egal ob mann oder frau, ihr gebiss einsetzt, weil sie es selbst nicht mehr können, wie man sie am besten füttert, egal ob sehr jung oder alt, und wie man vor allem ihr leid mitträgt, wenn sie nachts weinen, meist leise, wenn sie sich noch nicht einmal mehr alleine das leben nehmen könnten, sollten sie es wollen. und wie man sie in einen rollstuhl setzt, natürlich. aber was nützt mir das alles nunmehr, in dieser jetzigen weltsituation. vielleicht hätte ich damals, vor vierzig jahren, eben doch einfach schießen lernen sollen.