Abendglocke

Habe eben eine transcontinental weitergeleitete familiäre Besorgnismail ausgedruckt und der alten Dame weitergereicht. Ich lese also vor, übersetze holpernd, ich bin kein Spezialist in Englisch, dann das Wort „curfew“, keine Ahnung. Da auf einmal leuchten sie auf, ihre Augen: „He, Moment mal, das kenn ich doch noch von den Engländern damals in Cuxhaven, wo wir bei den Fröhlichs einquartiert waren, als wir die weissen Fahnen ins Fenster gehängt hatten und man alle Gardinen zuziehen musste und der kleine Hans hat natürlich trotzdem rausgespickelt und dann kamen die Panzer reingerollt in die Strasse und die Engländer ins Haus und ich musste denen die Wohnung zeigen und die doofe Frau Fröhlich hatte vergessen, das Führerportrait im Salon abzuhängen und da war einen Moment lang Totenstille und ich dachte, jetzt werden sie mich wohl erschießen!“.

Aha, also ‚Ausgangssperre‘, wieder was gelernt! /Hintergrund: Die Tochter der US-amerikanischen Ostküstennichte der alten Dame studiert Orientalistik in Chicago und absolviert derzeit irgendein Training in… ja, ausgerechnet in Cairo. „curfew“ heisst übrigens auch „Abendglocke“, wie gegenüber mir so ein Internetübersetzer behauptet. „Abendglocke“, klingt doch eigentlich viel schöner! /Good Luck also, Phoebe, auf dass Du das, was Du da gerade erlebst, dereinst auch wohlbehalten Deinen Kindern und Enkeln erzählen kannst!

und ziehe los

Ich liebe ja meinen Beruf. Auch wenn ich mir derzeit weder Yacht, Kaviar noch Fernreisen leisten kann. Schließlich ist es Winter und Kaviar mag ich sowieso nicht. Ich liebe meinen Beruf, weil man immer und überall aus ‚Scheisse‘ (*Verzeihung*) Gold machen kann. Und sich dann sogar darüber freuen, im besten Fall, stundenlang. Das Problem: die Yacht fehlt. (Ich liebe Yachten!)

Ich habe ein Bild dafür, ein ganz einfaches, nämlich es gibt da diese zwei Schultern, die eine (links) ist die ‚Reputation‘ (was für ein blödes Wort, nicht?), die andere die Kohle (Asche, Schotter, Geld usf.), rechts. Und auch wenn auf die eine immer mal wieder heftig geklopft wird, so heißt das noch lange nicht, dass sich dann Yacht, Porsche oder Fettabsaugung automatisch ermöglichen. Gestern beispielsweise erfuhr ich von einem mir bekannten Galeristen, dass die ehrenwerte SammlungXY nach meiner aktuellen Postanschrift fragt. Warum? Keine Ahnung. Das ist schön, macht aber nicht satt, jedenfalls noch nicht. Dafür aber ist es spannend. (Ich liebe diese Spannung!)

Wie ein Eichhörnchen habe ich es mir also angewöhnt, im Sommer überschüssige Nüsse zu sammeln und als Vorrat für den Winter zu vergraben, an geheimen Orten. Manchmal aber finde ich ein Versteck unter dem Schnee nicht mehr wieder, das ist dann ärgerlich, so wie jetzt gerade. Aber es gibt ja gottlob immer mehrere davon. (Ich liebe geheime Orte!)

Ich liebe meinen Beruf auch, weil ich immer selbstständig sein konnte. Ich wollte das ja auch immer sein. Das ist fast ein Privileg, so sehe ich das heute, auch wenn es hie und da seinen manchmal hohen Preis fordert. Ich kann, wenn ich das will, montags von Berlin aus zu einem Geburtstag nach Mailand fahren, einfach so. Oder den Kirschkern freitags nach der Schule um halbzwei abholen, in Südbaden, um gemeinsam das Wochenende im Württembergischen zu verbringen, auch einfach so. Wenn die Sonne scheint, dann kann ich einfach in den Garten gehen, wenn ich das will, meistens jedenfalls. Ich wollte niemals schon montags auf den Freitag hoffen, wie das viele müssen und manche offenbar wollen. Nein, das kann das Leben nicht gewesen sein. Dafür aber habe ich auch niemals Urlaub und ein Wochenende gibt es auch nicht. Das macht aber nichts, denn mein Beruf macht mir Spaß. (Ich liebe Privilegien!)

Seit gestern nun habe ich Gewissheit, dass es auch in diesem Jahr genügend Arbeit im Zweitberuf geben wird. Ab Frühling. Ein schönes Gefühl! Mindestens 500 Stunden lang Kirchgang. Das wird dann zwar alles wieder sehr mit einem Leben aus dem Koffer verbunden sein, mit immer wieder vielen Kilometern und *Ahoi* und fremden Betten, aber klagen will ich nicht darüber. Es gehört wohl einfach zu mir. (Ich liebe fremde Betten!)

Und ja, ich weiss, es haben sich auch Andere in diesen Tagen schon Gedanken zum Thema gemacht. Es liegt wohl am Januar, das Jahr ist noch frisch, grau und saftig.

Jetzt also ist noch ordentlich Atelierzeit! Und den Gasometer in Schöneberg liebe ich übrigens auch!

Wenn das Patchwork zwomal klnglt.

War im Atelier gewesen. War im Kino gewesen. War in Kneipe gewesen. War in Kirche gewesen. War schön gewesen.

…aber übrigens, hey!, männer der welt, hört auf, diesem unsinnigen ideal nachzulaufen, welches euch von den emanzen der welt seit vierzig jahren eingeimpft wird, wonach ihr euch gefälligst a u c h um die kinder kümmern sollt! alles totaler schwachsinn! denn: ist ein emotionales verhältnis erst einmal aufgebaut, dann hängt ihr drin! kinder sind nämlich in wirklichkeit frauensache. das merkt ihr dann spätestens bei der scheidung. /daher mein rat an alle männer in familienplanung: sucht euch eine brave frau, zeugt kinder, geht hart arbeiten. zur not habt geliebte nebenher, geht heimlich ins bordell, macht was ihr wollt, aber begeht nie den fehler, euch innerlich zu binden! die frau soll sich gefälligst um die kinder kümmern, meidet am besten den kontakt zu jenen, damit ihr erst gar nicht eine freude daran findet! bedenkt: die falle schnappt schneller zu, als noch eine windel, vielleicht sogar die erste, gewechselt ist!

/Aber ansonsten geht’s mir gut.

beim Rennen

beim Rennen durch den tiefen wald kam mir heute der gedanke, dass im nächstvorhandenen zoo ein schneeleopard ausgebrochen sein könnte, der nun ausgerechnet mich als Beute ausgemacht hat, irgendwo versteckt im dichten tann. Wie er mich schon eine weile mit seinen gelben augen beobachtet, während sich seine magensäure bereitstellt und seine muskeln warmzittern. Was ich wohl tun würde. Können schneeleoparden eigentlich klettern? Ich denke mal, vor allem das können sie, klettern.

oder wenn stattdessen zwei trächtige wildschweinweibchen, von mir aufgeschreckt, auf mich losgehen würden hinter der nächsten wegbiegung. Vielleicht aber auch ein durchgeknalltes fuchspärchen, beide tollwut-positiv, welches wie wild hinter mir her rennt, dabei immer näher kommt, um mich wie von sinnen zerfleischen zu wollen, als letztes festmal sozusagen, und ausgerechnet dann ist kein schneller baum in der nähe, den man erklettern könnte (füchse können nicht klettern, da bin ich mir recht sicher) und auch ein weiter sprung über den bach hülfe nicht, da füchse gut Springen können (das nehme ich jetzt mal an) und ihnen ein bach wahrscheinlich sowieso egal ist, zumal in tollwütigem zustand.

Was also würde ich machen wollen in dieserlei situationen? Wo und wann wäre mein latein am ende?

Da begegnet mir mein doc, jedenfalls stelle ich mir das vor, eigentlich ist er ja schon eher ein freund, sagt, ich solle kurz mal anhalten, was ich tue. Ich tue alles, was mein doc sagt. Er sagt, ich hätte dummerweise nur noch ungefähr drei monate zu leben, das habe die untersuchung ergeben, es täte ihm schon irgendwie leid, aber so sei eben das leben. lächelt, klopft mir noch auf die schulter und verabschiedet sich augenzwinkernd mit dem hinweis, im nächsten quartal würde er mir, na klar!, die praxisgebühr erlassen.

Und während ich noch über die gesparten zehn euro im weiterrennen nachdenke, jetzt heftiger atmend, da ich mich nun bereits auf der langen steigung befinde, vorbei an dem kleinen teich, aus dem mich komische wesen (fische?) anblicken, die mir kleine zischende dreisterne hinterherschleudern, kommt mir an der biegung bei der ‚kurischen nehrung‘ plötzlich ein pferd entgegen, ein schimmel natürlich, sattel- und zügellos geritten von einem sehr hellhäutigen unbekleideten zwitterwesen mit vorne schönen brüsten und stolz erhobenem gemächt, am rücken mit wattigen eher hochformatigen federflügeln ausgestattet.

Hört das denn nie auf, denke ich, jetzt bloß nicht stehen bleiben, am besten ganz unbeteiligt tun, und da erkenne ich die kleinen weissen kabel zu den ohren der/des fee, aus der ferne ertönt von ebenda sphärische techno-musik (ich glaube man nennt das ‚ambient‘), das wesen beugt sich zu mir vom ross hinunter im vorbeischreiten und flüstert mir mehr als freundlich, ja geradezu erotisch keck und kichernd zu: „hey schneck, alles wird schon werden, wa? mach dich mal locker, hihi, warste doch früher auch!“ und entschwindet talwärts in die lüfte, genau so schnell, wie es aufgetaucht war.

Was für ein blöder heini, denk ich.

Nach einigen metern drehe ich mich dann noch einmal vorsichtig um: nein, kein leopard, kein hermaphrodit, keine killerfüchse, weder doc noch wildsauen. Beschließe, nun doch ein stück zu gehen nach diesen ganzen erlebnissen, die steigung liegt hinter mir und zur Mittagsseite hin sieht man schon die große lichtung.

Da höre ich die Spechte!

Wie muss das wohl für die made sein, oben im alten Ast der kiefer. Denke ich mir. Sie, die made, bemerkt plötzlich, sich eben noch sicher glaubend, angenehm winterverpackt und gemütlich eingeschlossen in ihrem warmen kämmerlein unter der rinde oder in einem Fraßgang, dass sie entdeckt ist! sie zieht sich panisch zusammen, überlegt fieberhaft, was zu tun sei jetzt, angstschweiss steht ihr auf der stirn, sie ahnt aber schon, sie wird das nicht überleben!

Niemals wird sie ein falter werden, niemals durch den warmen nächtlichen Wald dem mond entgegen fliegen können, in der nase die düfte der Liebe (und herrjeh, dabei ist doch bereits ein großer teil des winters gut überstanden…)! sie hört das meisseln des spitzen und scharfen schnabels und sie ist sich sicher: diese bemühungen dienen einzig dazu, sie umzubringen, ihr mörder weiss nun, wo sie steckt und es ist nur eine frage der zeit, wann er sie töten wird. sie sucht nach einem entkommen, sie ruft nach hilfe, aber ihr ist klar: es gibt keinen ausweg mehr, es ist vorbei! Sie denkt an selbstmord, aber wie? endlose quälende minuten vergehen. Der specht macht pausen. Er weiss, sie kann nicht entkommen. Immer näher kommt das pochen, bis sie schließlich die kleine öffnung sieht, licht fällt hinein in ihre höhle und noch ein letzter hauch seltsam frühlingshafter luft, ach, es hätte alles so schön werden können…

Dann: die Schnabelspitze.

das ist ordentlich grausam. ist schlimmer als ein schwedischer psychopathenkrimi! und es ist auch immer wieder erstaunlich, was diese durch einfache rennbewegung Freigesetzten botenstoffe im zentralganglion so alles bewirken können. Gestern übrigens, während sonnenstunden, kam die erste Biene (!) zum besuch ins atelier geflogen. Ich hab ihr geflüstert, sie soll mal schnell wieder nach hause, falscher alarm, es sei erst mitte januar. Sie ist dann flitz wieder weg.

Tequila!


(guitarren-…/edit:hexxer!)

Armin Subke (x), Dirk Milchraum und Jörg Mandernach (x) sind „heavy burschi“, hier bei einem Auftritt im Bahnwärterhaus neben der Villa Merkel als städtischer Galerie der Stadt zu Esslingen am Neckar. Also, wenn Sie mich fragen, ich mag ja sowas!

./.

Der Huber bleibt, hat er gesagt. Die alte Tröllitsch auch (hat jedenfalls der Huber gesagt). Sollen sie! Ich find‘ das nicht schlumm. /Derweil ich – den Kragen hoch, die Mütze im Gesicht – durch die grauen kalten Strassen streife, ich habe Hunger nach Fleisch und meine Augen sind böse. Tequila!

steinhilben

vollidiot_11
(seinerzeit wien/canstatt/vollidiot)

heute war ich mal wieder auf der schw. Alb gewesen. hinauf die steige nach genkingen, dann in richtung engstingen, ebendort hindurch. Weiter Nach trochtelfingen, dann links nach steinhilben zur verabredung. Schön rauh alles. da liegen zehn meter hoch schnee und die strasse ist eine bobbahn mit alle naslang geistern. In engstingen wollten sie ja mal mittelstreckenraketen (atom) stationieren, als alles noch schön übersichtlich war und helmut schmidt.

Die verabredung (x) und ihre zwei söhne, welche ich noch nie leibhaftig gesehen habe, kommt aus wien und besucht ihren bruder dort auf der alb. ein herzliches wiedersehen also nach drei jahren, das letzte mal noch in B in der jansenbar ggü. /Kirschkern fremdelt zunächst (1.jungs! /2.fremdefraudiepapamag!). schlittenfahren jedoch dann vom feinsten, die äste der bäume sind Raureif, die schw. alb war ja immer schon eine sehr mystische gegend, arm und voller schöner schwarzer geschichten, heute ist das leider anders bei der ganzen naherholung. Der schnee ist zu kalt für den normalschlitten, daher diverse ‚alpen-gaudi’s und lenkbobs in hellgrün, die kinder fahren natürlich auf knien hinunter und erwischen dann zu guter letzt gottlob immer gerade noch so die lücke im zaun auf die weisse weide jenseits mit ihren 45 pistenkm/h und den wildspuren vom reh(lein). Ein heidenspaß also für jung und alt, viel schnee in ärmel, unterhose und schuh.

/Später beim kaffee kommt die schwägerin der wienerin vom frisör nach hause und die welt ist mal wieder so klein, weil jene die g. kennt, ausgerechnet die g., meine initiations-jugendliebe mit der speziellen nase und jeanserdung. Und dann ist auf einmal mein herz bei gundula gause, einfach so. nein, nicht nur im übersprung, Ganz im ernst, gundula gause, wenn sie denn nicht schon vergeben wäre, ich würde mich um sie redlich bemühen!

/es folgte stadtlandfluss modifiziert (‚gewässer‘ ist besser) in die blaue stunde und wir mussten dann den rückweg antreten. Das salzig geschmolzene verändert sich ja abermals zum glatten in den vielen modernen kreiselverkehren und bei der burg lichtenstein überholten uns zwei sehr leichtsinnig betörte reutlinger textilseckel auf glatter spur vor gegenverkehr. das war wirklich knapp, ich musste laut schimpfen und erhielt bestätigung der erfahrenen beifahrerin. Hinab die gönninger steige erinnere ich mich, dort einmal während einer winterlichen vespaausfahrt meinen ersten toten gesehen zu haben. er (sie?) lag unter einem weissen leintuch am strassenrand und unten im baum hing der wagen, typ BMWcoupé, mittlerweile ein vintage-modell, vom feinsten. Es sah eigentlich nicht schlimm aus, aber wahrscheinlich war das damalige unglück noch erklärbar wegen nichtangeschnallt-gewesen.

/Wir dann aber, wohlbehalten am waldrand angelangt, trockneten kleidung sowie schuhe und gingen über zum rommé nach wintergemüse. Die alte dame gewann. Überhaupt, die alte dame. Überhaupt, der kirschkern und überhaupt, die wienerin. da könnte man ja auch erzählen vom leben derer derzeitig. /und sowieso Überhaupt, die zeit in wien! (junge leute halt, drogen und dingsbums).

in wien schrieb ich auf fast jedes blatt „jesus!“ oder sonst irgendetwas beliebig ungeläutertes, einfach wegen des klischées des aktionistisch ‚österreichischen in der kunst‘. – eingedeutscht skizziert im nachtzug nach münchen vermerkte ich einmal in dieser zeit, schräg angesichts eines tatsächlich im leeren dunklen großraum mir vis-a-vis sich selbst befriedigenden österreichischen (und nicht ganz unbekannten, wie ich später erfuhr…) kulturschaffenden, dinge wie etwa „Anselm Kiefer und die R A F“ (schade, das blatt ist leider verkauft).

/jedoch heut gabs ‚krapfen‘ (berliner) und eine neue zeit seit vorgestern sowieso, denn die geburtstagsfrage ist nunmehr geklärt.