beim Rennen durch den tiefen wald kam mir heute der gedanke, dass im nächstvorhandenen zoo ein schneeleopard ausgebrochen sein könnte, der nun ausgerechnet mich als Beute ausgemacht hat, irgendwo versteckt im dichten tann. Wie er mich schon eine weile mit seinen gelben augen beobachtet, während sich seine magensäure bereitstellt und seine muskeln warmzittern. Was ich wohl tun würde. Können schneeleoparden eigentlich klettern? Ich denke mal, vor allem das können sie, klettern.
oder wenn stattdessen zwei trächtige wildschweinweibchen, von mir aufgeschreckt, auf mich losgehen würden hinter der nächsten wegbiegung. Vielleicht aber auch ein durchgeknalltes fuchspärchen, beide tollwut-positiv, welches wie wild hinter mir her rennt, dabei immer näher kommt, um mich wie von sinnen zerfleischen zu wollen, als letztes festmal sozusagen, und ausgerechnet dann ist kein schneller baum in der nähe, den man erklettern könnte (füchse können nicht klettern, da bin ich mir recht sicher) und auch ein weiter sprung über den bach hülfe nicht, da füchse gut Springen können (das nehme ich jetzt mal an) und ihnen ein bach wahrscheinlich sowieso egal ist, zumal in tollwütigem zustand.
Was also würde ich machen wollen in dieserlei situationen? Wo und wann wäre mein latein am ende?
Da begegnet mir mein doc, jedenfalls stelle ich mir das vor, eigentlich ist er ja schon eher ein freund, sagt, ich solle kurz mal anhalten, was ich tue. Ich tue alles, was mein doc sagt. Er sagt, ich hätte dummerweise nur noch ungefähr drei monate zu leben, das habe die untersuchung ergeben, es täte ihm schon irgendwie leid, aber so sei eben das leben. lächelt, klopft mir noch auf die schulter und verabschiedet sich augenzwinkernd mit dem hinweis, im nächsten quartal würde er mir, na klar!, die praxisgebühr erlassen.
Und während ich noch über die gesparten zehn euro im weiterrennen nachdenke, jetzt heftiger atmend, da ich mich nun bereits auf der langen steigung befinde, vorbei an dem kleinen teich, aus dem mich komische wesen (fische?) anblicken, die mir kleine zischende dreisterne hinterherschleudern, kommt mir an der biegung bei der ‚kurischen nehrung‘ plötzlich ein pferd entgegen, ein schimmel natürlich, sattel- und zügellos geritten von einem sehr hellhäutigen unbekleideten zwitterwesen mit vorne schönen brüsten und stolz erhobenem gemächt, am rücken mit wattigen eher hochformatigen federflügeln ausgestattet.
Hört das denn nie auf, denke ich, jetzt bloß nicht stehen bleiben, am besten ganz unbeteiligt tun, und da erkenne ich die kleinen weissen kabel zu den ohren der/des fee, aus der ferne ertönt von ebenda sphärische techno-musik (ich glaube man nennt das ‚ambient‘), das wesen beugt sich zu mir vom ross hinunter im vorbeischreiten und flüstert mir mehr als freundlich, ja geradezu erotisch keck und kichernd zu: „hey schneck, alles wird schon werden, wa? mach dich mal locker, hihi, warste doch früher auch!“ und entschwindet talwärts in die lüfte, genau so schnell, wie es aufgetaucht war.
Was für ein blöder heini, denk ich.
Nach einigen metern drehe ich mich dann noch einmal vorsichtig um: nein, kein leopard, kein hermaphrodit, keine killerfüchse, weder doc noch wildsauen. Beschließe, nun doch ein stück zu gehen nach diesen ganzen erlebnissen, die steigung liegt hinter mir und zur Mittagsseite hin sieht man schon die große lichtung.
Da höre ich die Spechte!
Wie muss das wohl für die made sein, oben im alten Ast der kiefer. Denke ich mir. Sie, die made, bemerkt plötzlich, sich eben noch sicher glaubend, angenehm winterverpackt und gemütlich eingeschlossen in ihrem warmen kämmerlein unter der rinde oder in einem Fraßgang, dass sie entdeckt ist! sie zieht sich panisch zusammen, überlegt fieberhaft, was zu tun sei jetzt, angstschweiss steht ihr auf der stirn, sie ahnt aber schon, sie wird das nicht überleben!
Niemals wird sie ein falter werden, niemals durch den warmen nächtlichen Wald dem mond entgegen fliegen können, in der nase die düfte der Liebe (und herrjeh, dabei ist doch bereits ein großer teil des winters gut überstanden…)! sie hört das meisseln des spitzen und scharfen schnabels und sie ist sich sicher: diese bemühungen dienen einzig dazu, sie umzubringen, ihr mörder weiss nun, wo sie steckt und es ist nur eine frage der zeit, wann er sie töten wird. sie sucht nach einem entkommen, sie ruft nach hilfe, aber ihr ist klar: es gibt keinen ausweg mehr, es ist vorbei! Sie denkt an selbstmord, aber wie? endlose quälende minuten vergehen. Der specht macht pausen. Er weiss, sie kann nicht entkommen. Immer näher kommt das pochen, bis sie schließlich die kleine öffnung sieht, licht fällt hinein in ihre höhle und noch ein letzter hauch seltsam frühlingshafter luft, ach, es hätte alles so schön werden können…
Dann: die Schnabelspitze.
das ist ordentlich grausam. ist schlimmer als ein schwedischer psychopathenkrimi! und es ist auch immer wieder erstaunlich, was diese durch einfache rennbewegung Freigesetzten botenstoffe im zentralganglion so alles bewirken können. Gestern übrigens, während sonnenstunden, kam die erste Biene (!) zum besuch ins atelier geflogen. Ich hab ihr geflüstert, sie soll mal schnell wieder nach hause, falscher alarm, es sei erst mitte januar. Sie ist dann flitz wieder weg.