
—
G – C – A – D, seit sehr langer Zeit mal wieder am Klavier gesessen und darüber ein bisschen improvisiert und geklimpert, ich, in der blauen Stunde, es ist ein Hoffmann Piano von 1969, weiss lackiert, alt vertraut. Der Hall im Hause nun ein ganz anderer Klangraum, weil nicht mehr so viel herumliegt hier, bis hinauf in die Dachspitzen und der Kunststeinboden klingt wie tiefgefrorenes Eis, die Töne haben eine sonderbare Schärfe und winterliche Klarheit, draußen ist’s kalt ohne Schnee, leider immer noch.
Heute Dreikönig, die Rauhnächte sind vorbei. Dieser wohltuende Stillstand zwischen den Jahren scheint mir stets gottverordnet. Man soll ja auch keine Wäsche waschen vor dem sechsten Januar, weil sich in den zum Trocknen aufgehängten Hemden, Schlüpfern und Socken etwaige böse Geister fangen könnten. Stattdessen geht man „Stuben“, besucht also reihum Freunde und Nachbarn, um dann die Abende dem Erzählen und allerlei Handarbeiten zu widmen. So sind außerdem abwechselnd das Holz und die Kerzen gespart, heutzutage das Öl und der Strom.
Die Heizung brummt. Und irgendwo hier in den Grundmauern befinden sich Gegenstände, die einst, beim Gießen der Fundamente, von jedem damalig künftigen Bewohner in den nassen Beton gegeben werden mussten. So hatte es mein Vater offenbar bestimmt. Es sollten geliebte Sachen sein, ein ‚Opfer‘ sozusagen, beschwörend die Zukunft und das eherne Sein. Auch wir Kinder mussten so etwas beitragen. Ich selbst kann mich nicht erinnern, ich war zu klein. Meinen Bruder allerdings hat es wohl sein Leben lang beschäftigt. Die durchaus innere Kälte dieser Erwartung. Die Härte des Vaters zu sich selbst, die er von allen anderen ebenso eingeforderte. Selbst von den Jüngsten. Es war wohl sein Lieblingsspielzeug gewesen.
Die Gartenvögel lassen die Hälfte vom gemischten Vogelfutter im Häuschen liegen. Alle Sonnenblumenkerne sind weg, aber der ganze Rest ist noch da. Ich denk‘ mir also, so schlimm kann’s nicht sein mit dem Hunger. Aber wer weiss schon um die Gründe der Vögel. Ich würde auch lieber erfrieren, bevor ich Heuschrecken oder Sushi esse. Viel Rauhreif auf den Stengeln und Büschlein, es ist eine Freude, da hinzuschauen. Wenn die Sonne ins Haus scheint und wärmt, erwachen ein paar lebenserfahrene Fliegen. Um spätnachmittags gleich wieder einzudösen.
Hätte mein Vater länger gelebt, es hätte sicherlich Riesenkräche mit ihm gegeben. Zwischen ihm und mir. Wegen Geschichte, Politik, Militär und allem möglichen Anderem. Er hat aber nicht länger gelebt, daher hat es auch diese Kräche nicht gegeben. Verstanden hingegen hätten wir uns sicherlich bezüglich der Herstellung von künstlerischen Bildwerken. Das war immer sein Fenster gewesen. So wie es meines ist.
Mein schönstes Weihnachtsgeschenk übrigens: Eine Sense. Endlich!