retusche

Retusche

(finito/kursiv:) das meiste der Farben der Welt sind doch tausendjahr und eines vehement-Misch überaus. Die knall-Róots kann man meist vergessen, ebenso alles andere im Leucht oder sonstwie synthetisch. Was aufzählt, sind zuvorderst Umbras (natür oder gebrannt), Ockers (natuer oder gebrannt) und etliche ebensolche Sienas oder Hauche vom Lampenschwarz, vielleicht noch Reste vom böhmisch‘ Grünerdenersatze oder einfach schöner Dreck vom Boden und roter Rost. Und manchmal etwas Kalk oder sonstiges Weiß. (Was bitte, so frage ich Dich einst am Rock deiner Seele, ist schon „Weiß“?) Oft ein viel Wässerchen dazu oder eine impressionistische Lagerung, husch-husch, flink auf’s Retusch und noch ein paar Sporca drübergelegt, die schmutzende Zeit nachäffend für die Sehenden vom Jetzt. Vergiß mir stets aber nicht das genügende Bindemittel! In diesem Falle Wasserglas; oder streich mir, noch einmal wenigstens, fast trocken über alles, auf daß die Höhungen vom SCHteine sich behaupten, ob dunkel, ob hell, ob Dämmerung. Ohne, dass sie’s müssten, die Riefen, die Furchen, die Steinchen oder die Überbleibsel mechanischer Verschwendungen, wohlgemerkt: Denke immer, Du kommst aus einer anderen Zeit, denn der Staub kommt von alleine in der schöngeredeten Ewigkeit ewig gewünschter Überdauerungen. /man muss locker sein mit Farben für’s Retouschieren. Denn alles, was man jemals über’s Sehen lernte, ein Leben lang, fließt dorthinein. ins Sehen. Zunächst. und dann in die: Retusche. Und sodann zurück ins Leben. /wenn man nur weit genug die Augen schließt.

Omi

Omi

(Nachtrag, 5.8.21) / Abb. zeigt meine Omi, Gertrud Kober, geb. Nitsch (*1907, Pillau, Opr.), mit Andor von Lampertsrück (1969-1981), meinem geliebten Freund und Kumpan in süddeutschen Kindertagen, jener seinerzeit in vollem Saft, dazu Omi zu Besuch und ich an der KODAK-Instamatic. / Die Gewissheit, recht früh, überall würde ich schlimmstenfalls Verhalten und Geschichten finden und vorfinden, die grausam sein könnten. Jene seinerzeit vage und noch kindliche Befürchtung vor Verlust, Schmach und dem ganzen Zeug und damit uneigener Geschichte, Vertreibung, Zerstörung und Tod. Diese Furcht begleitet mich bis heute, ich kann mich winden, wie ich will. Etwas lässt mich nicht los. Mein Interesse daran, an altvorderen Schicksalen, ist aber keinesfalls erloschen darüber, ebensowenig meine kleinen Ängste vor’m überlieferten Selbst und vor übergeordneten Verantwortlichkeiten. Die nichts – aber auch gar nichts – mit irgendetwas Jetztzeitlichem zu tun haben. Am allerwenigsten mit mir. Oder eben doch? / Sie habe in jungen Jahren leidenschaftlich Charleston getanzt, mit meinem Opa, dem späteren Kaptän oder Admiral zur See auf der Bismarck und Haudegen Waldemar. In den wilden 1920ern in Berlin. Und sie gebahr fünf Kinder mit ihm. / Ich hab‘ sie immer sehr gemocht, meine Omi, und dem süddeutschen Landei Andor ging es genauso. Er küsste gerne, ebenso, wie ich es tue, das hab ich von ihm. / Gestorben ist sie 1984 in Ahrensburg und wurde wenig später zusammen mit ihrem – aus seiner leider bereits 1956 geschaffenen Grabstätte auf dem Friedhof in Hamburg/Ohlsdorf – exhumierten Kapitän auf der Kieler Förde seebestattet. Wenn ich heute in der Ostsee schwimme, dann weiß ich, Omi und Waldemar sind auch da.

igitt

igitt

Ich dachte einfach mal: igitt. Und ließ mir das Wort, das Wörtchen, auf der Zunge zergehen, bevor ich es schluckte. Man kennt das ja, manchmal werden Worte zu ganz eigenen Lebewesen, wenn man sie einhundert mal so vor sich hin sagt. In den leeren Raum hinein. In den Wald hinein. Im Auto oder im Bett vor dem Einschlafen. Dann werfen sie lichte Schatten und zeigen ihr wahres Ich, ohne die von uns zugewiesenen weltlichen Bedeutungen.

„schluckte“ ist auch so ein Wort.

mäuschen grüne wolke

Grüne Wolke

Abb.: *

nachgeholt. wegen technischer probleme. jetzt gelöst dank Miss KittyKoma – ihr den allergrößten Dank mit Herz!

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22.8. / Grüne Wolke
kursiv: es sei so ein muster derzeit, oder eigentlich schon seit nunmehr einigen jahren, meint ein bekannter, wie entscheidungsträger sich von den zu entscheidenden dingen immer weiter entfernen, eine gewisse „entpraxisialisierung“, so lässt es sich am besten umschreiben. man könnte auch sagen, diejenigen, die entscheiden, haben ggf. immer weniger ahnung und/oder subjektive verbindung zu denjenigen dingen, über die sie ggf. entscheiden. zumindest keine erlernte oder fachlich und beruflich erlangte. die ausführenden, finanzierenden und entscheidenden ebenen driften im wirbelschwung auseinander. das ist alles nicht gut und führt zu, den dingen nicht angemessenen, ergebnissen. siehe derzeitig nationale großprojekte, siehe verkehrsministerium mitsamt autobahngesellschaft u.v.m. und nun, zuletzt, siehe afghanistan. im kleinen ließe sich das auch auf anderen arbeitsfeldern und betreffenden entscheidungszwangsläufigkeiten erkennen und damit vergleichen. ich kann seine gedanken mehr als nachvollziehen, es tun sich allerlei parallelen auf, je mehr man darüber sinniert, aus einem zunächst unbestimmten unbehagen und der wiederkehrenden frage, woran das denn liegen mag, die zunahme der regelmäßigkeiten.

vielleicht liegt ja es am persönlichen auskommen, also am subjektiv erwobenen geld. sicherlich nicht läge es an einer persönlichen lust am unwohlsein und diesbezüglicher mode. vielleicht liegt es an den fehlenden mechanismen für persönliche verantwortlichkeiten. zum beispiel auch einem subjektiv verantwortlichen entzug des geldes. auch sogar nachträglich.

ich fühle mich in dieser ganzen afghanistansache in keinster weise repräsentiert. ich schäme mich für mein geburts- und heimatland und seine entscheidungsträger. wieso kann nicht auch die bundesdeutsche besatzung eines großen flugzeuges notfalls entgegen aller vorschriften und konsequenzen auch mal entscheiden, dass die maschine vollgeladen wird mit menschen, einfach mit menschlichen leuten, die da weg wollen, dort, wo der flieger gerade parkt. und zwar aus verzweiflung, nicht aus lust und laune. und wenn sich dann einer bei einer möglicherweise ruppigen landung in taschkent, unangeschnallt, einen finger bricht, dann ist das eben so. es geht doch um die hauptsache. es geht immer um die hauptsache. sollte es.

was ist das für ein wahltaktischer zynismus, dieses „problem“ von flüchtlingen möglichst derzeit fernzuhalten? denn darum geht es doch in wahrheit. in österreich sagen sie so ungefähr, „es gebe keine gründe, warum afghanen nach österreich kommen sollten“. hässlicher geht es nicht.

das ansehen „meines“ landes wird momentan zum wiederholten male massiv beschädigt. nein, ICH bin NICHT dieses land in dieser sache und ich kenne eine menge leute, denen das genau so geht. „2015 darf sich nicht wiederholen“. ja sicher. aber 2015 wird sich noch 100te male wiederholen, da können wir uns auf den kopf stellen, in der jetzigen weltsituation, innnerhalb der kommenden jahre und jahrzehnte.

mir ist es keine „schmach“ eines überhasteten, vielleicht angsvollen abzuges. auch keine meine hormone ggf. belastende niederlage, denn die stand von anfang an fest. es geht doch darum, nun endlich einmal irgendein wahres gesicht zu zeigen. auch entgegen erwartungen, wahlkampf und vorschriften. ich sehne mich nach menschlichen und allein ihrem gewissen gegenüber verpflichteten menschen, und seien es haudegen oder andere, die einfach mal machen in dieser rasant immer verlogeneren weltlage. persönlich kann ich keine hubschrauber bedienen, wohl aber hubsteiger. und anderes kann ich, zum beispiel grüne wolken malen*.

das darf doch alles nicht wahr sein, diese stammeleien eines heiko maas (den ich oft verteidigt habe gegen anzughasser oder frauen, die kleinere und zurückhaltendere männer belächeln und insgeheim nie als väter ihrer kinder goutieren würden). oder eine verteidigungsministerin, die sich jetzt nicht vor ort blicken lässt. alles fing an, als die aus AFG rückkehrenden soldaten noch nicht einmal von semi-höherer politik empfangen wurden. was sollen knapp sechzig hinterbliebene familien dabei denken und empfinden, die jemanden da weit weg in zentralasien verloren haben durch eine weltmachtpolitische etappe voller fragwürdiger ziele und eine unzahl von gewinnlern? dem muss man doch als gesellschaft anerkennung und trauer tragen, und zwar sichtbar, auch wenn es aus der mode gekommen ist.

und auch, im privaten: was sollen bahram und salman von den deutschen denken? /ich könnte es ja auch mal so sagen, salopp: wir als familie haben mit herz gerne viel leidenschaftliche energie aufgebracht, den damals noch minderjährigen geflüchteten afghanen in unserem haushalt abend für abend demokratieverständnis, die funktion und den wert von solidarsystemen sowie westwertepfeiler insgesamt zunächst zu erklären, dann zu vermitteln und vor allem auch zu begründen. und nun so etwas. die ortskräfte? verraten und verkauft. in einer offiziellen mitteilung staatlicherseits heisst es sinngemäß, „… es war ja die freie entscheidung jener, für die bundeswehr zu arbeiten…“. das schlägt auch mir mein bodenfass aus. sowie meinen sinn für normalerweise köstliche ironie, mitsamt supertrockenem weisswein, durch migrantische servicekräfte eingeschenktes personal. auf das wahlkämpfer so gerne verweisen.

„Schwund ist immer!“ sagt der eingangs Erwähnte oft und lacht. Ansonsten alles ok., Atelier, Hubsteieger, Wassereimer, Trockenschwämme und Radiergummis. Ich bin Auslaufmodell, manchmal jetzt gerade sogar ganz gerne.

(* /“Grüne Wolke“, aus Serie ‚Uebergangshelfer‘, 2021, 22x24cm, Öl auf Pappe, © VG Bild-Kunst, Bonn)

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4.9. / heute Weblogjubiläum. Habe ich, Schneck, heute. (*Herzchen*). Vor 15 Jahren, am 4. September 2006, begann alles unter schneck06.twoday.net mit der Traute zum endlich auch textlichen Niederlegen von Sachverhalten aus meiner zutiefst zeichnerisch bildlichen Sicht. Mehr kann ich nicht. Als irgendetwas hineinschreiben in das geliebte Blog, was Linien und Farben und die Grundliniendeutung des Erlebten und Miterlebten mit Worten festhält. Ich kann keine „Stories“ entwickeln, ich will das auch gar nicht. Man soll ja nichts wollen, was man nicht kann. Ich will nur beobachten, solange ich da bin. Auf einem Bänkchen sitzen und die Füße dabei hochlegen. Und dann raushauen, mal so, mal so. /Es war in Schöneberg, im Atelier auf der Insel am Gasometer und die Kirschkern war gerade lumpige 6 Jahre alt. Eine schöne Gegend und Zeit, in der jedoch die Liebe starb. Wahrscheinlich ahnte ich, dass es schon alsbald jede Menge aufzuschreiben geben würde. Bis heute ist das so, das mit dem Ahnen. Ich sage also Danke, auch wenn man manchmal ja falsch liegt. (*Herzchen*). /Bloggen wird unterschätzt, insbesondere heute. Wo alles so flink immer gehen muss und wenig bedacht. Bloggen bedient das Ego, man kann alles mögliche öffentlichmachen. Aber in einer doch einigermaßen gesunden und semikontrollierten Geschwindigkeit. Ich kann das Bloggen daher nur empfehlen. /Genauergesagt: das Jubiläum war gestern. Aber ich war heut/gestern Abend trinken in Kreuzberg und unterhielt mich mit Carl Weissenhofer über Afghanistan, die Kunst, die Leute und ihr Lieben und Leben und Sterben. /Damals fuhr ich mit der Eisenbahn vom Vorharz nach Franken. So entstand dieser kryptische Text über Freizeit- und Arbeitsschuhe, der es mir offenbar wert war, ihn im Internet zu veröffentlichen. Ich erkenne mich selbst, habe aber nur eine diffus detaillierte Meinung dazu, was genau ich damals meinte. (*gedämpftes Smiley*). /Jedenfalls, ich habe in diesen 15 Jahren so viele wunderbare Menschen kennengelernt, über dieses „Bloggen“, die ich ansonsten niemals getroffen hätte. Dafür danke ich dem Internet. Und allen analog webloggenden Menschen, die schon wissen, was und wen ich meine. /Merci

https://schneckinternational.me/schuhe

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ansonsten alles seine gänge. und irgendwann hat sie ne brille, er hat linsen, er hat ein bäuchelchen und sie oberärmchen. ich bin ein mäuschen, denn ich stehe nachts auf und esse käse.