reichlich

über die autobahn 8 und den hitlerschen aichelberg nach ulm, trickreich die dortigen insurgents umfahren, dann nach süden in richtung der berge, dann abgebogen nach osten und schließlich in jenen unendlichen weiten bayerisch-schwabens gelandet. dort im beginnenden voralpenland den rücken professionell massieren lassen und mit wärme denselben behandelt, minigolf gespielt und knapp gewonnen, gut gegessen, die vorzüge eines kurortes genossen (man kann sich ständig saujung fühlen), ein wenig geschwommen, gedöst, nichts-getan und zeitig ins bett, um schweren dieselschlaf zu tanken für die nächsten monate. lotto war nix, obwohl: einmal dreimal zwei richtige, immerhin – dafür endlich der alten dame ihre alten DM-münzen getauscht, die derzeit noch älter sind, als ich. mit der kirschkern eine wohnung für bahram gesucht, ihren plänen zugelauscht, eine rezension angefertigt über die südsee, im atelier ein paar schöne neue bilder geschöpft, heute äpfel abnehmen und eine neue normalbrille anleiern. warum gerade draußen die hunde wie verrückt bellen, weiss ich nicht. allerdings, dass das kloster irsee ein bemerkenswerter ort ist, das weiss ich nun. überhaupt: keine schlechte gegend da und so einen sommer wie heuer mag ich sowieso. /auch deshalb, weil meine berufsriskanten verdienstausfälle werden ja nun künftig vom freiberuflerministerium übernommen. rücklagen brauch ich nicht mehr, ist wie in polynesien, kokosnuss und fisch ist immer da, reichlich vorhanden, und warm ist’s auch gratis.

Der Alptraum von Ulm

Bahram kommt genau da her. Vor vier Jahren flüchteten er und seine Familie vor den Aufständischen in die Provinzhauptstadt. Sein Asylbegehren wurde im letzten Dezember mit dem Verweis abgelehnt, die Stadt Ghazni sei sicher. Seit Tagen versucht er vergeblich, irgendeinen Kontakt zu seiner dort verbliebenen Restfamilie herzustellen, die Kommunikationsverbindungen jedoch sind gekappt. Soviel zum Thema, immer wieder und ermüdend, Afghanistan sei ein sicheres Herkunftsland.

Man kann oder könnte ja auch einmal versuchen, so dachte ich gestern in meinem sicheren Herkunftsland unter Streuobstbäumen mit Strohhalm im Mundwinkel, das alles im Spiegel herumzudrehen. Zum Beispiel so wie folgt, etwas holprig vielleicht und sicherlich noch eines peniblen Lektorates nötig, über das ich aber gerade weder verfügen will, kann, noch wirkliche Lust darauf habe. Weil es so müde macht. Und das hier ist ja auch nur ein Weblog.

Das könnte gleichwohl dann in etwa so klingen, wie folgt, möglichst nah und regional, in meinem Fall beispeilsweise anhand der schönen Stadt Ulm. Oder gegenüber Zahlen und Bevölkerungsdaten. Im Oktober 2015 öffnete ja bekanntermaßen Afghanistan vorrübergehend seine Grenze zu Iran, um eine Vielzahl deutscher und österreichischer Flüchtlinge ins Land zu lassen. Aus humanitären Gründen, nämlich, weil sie sonst sich zerdrückt hätten oder ggf. verdurstet wären, die Deutschen und Österreicher an der persisch-afghanischen Grenze oder am Bahnhof in Teheran. So klar und einfach war das damals.

Ich schreibe heute also fiktiv und altschwäbisch nieder, bevor ich mich ausgerechnet nach Bayerisch-Schwaben, also in eben diese nun von den Aufständischen kontrollierte Gegend, absetze, um aus Jux und Tollerei meiner Abschiebung zuvorzukommen:

„Kabul/Ulm, 16.8.2018 / Die Sicherheitslage in Deutschland verschärft sich zusehends. Aufständische haben in der Nacht zum vergangenen Samstag gegen 2.00 Uhr Ortszeit die Stadt Ulm unter ihre Kontrolle gebracht. Dies legen Augenzeugenberichte und unabhängige Quellen nahe. Funk- und Telekommunikationsverbindungen wurden von den Angreifern zerstört. Durch Ulm läuft eine der wichtigsten Verbindungstraßen in den Südosten des Landes, sie verbindet die Finanzmetropole Frankfurt a.M. mit der strategisch wichtigen Stadt München. München war bereits vor 3 Jahren über mehrere Wochen in die Hand der Aufständischen gefallen, konnte aber nach schweren und verlustreichen Kämpfen der nationalen Streitkräfte (Bundewehr), die dabei von US-amerikanischen Besatzungstruppen auch aus der Luft unterstützt wurden, zurückerobert werden. Dabei wurde damals auch das Krankenhaus „Links der Isar“ als Kollateralschaden zerstört, es gab zahlreiche Opfer.

Mindestens 100 Polizisten und Angehörige der Bundeswehr gelten seit dem jüngsten Angriff auf Ulm als verschollen oder tot. Andere Quellen sprechen dazu von mindesten 90 getöteten Zivilisten. Die Bundesregierung sowie das amerikanische Militär erklärten am Morgen, die Lage in Ulm sei wieder unter Kontrolle. Der unabhängige TV-Sender BRD-NEWS hingegen, der seine Informationen von einer Vielzahl von Beobachtern im ganzen Land bezieht, berichtete, die Aufständischen hätten sich in Wohnhäusern verschanzt und würden die Zivilbevölkerung als „zivile Schutzschilde“ missbrauchen. Sämtliche Bundeswehr- und Polizeiposten seien nach wie vor von Aufständischen besetzt, diese würden schwer bewaffnet durch die Straßen Ulms patrouillieren.

Auch ist es der Armee derzeit nicht möglich, Nachschub nach Ulm zu transportieren, da die Autobahn im Osten bei Elchingen, im Westen nahe Blaubeuren von den Aufständischen zerstört wurde oder in diesen Abschnitten überlegen kontrolliert wird. Auch ist das Gebiet bereits vermint worden. Zudem wurden ebenfalls die Ortschaften Biberach und Ehingen an der Donau angegriffen. Die Stadt Günzburg befindet sich ohnehin bereits seit zwei Monaten in der Hand der Rebellen.

Die Aufständischen setzen sich für eine radikale Rückkehr zum Glauben ein. Sie wollen deutsche Schulen schließen, Bildung verhindern und deutschen Frauen und Mädchen den Zugang zur Gesellschaft verweigern. Sie praktizieren eine archaische Lebensweise und lehnen demokratische Errungenschaften, wie beispielsweise das in Deutschland offiziell noch geltende „Grundgesetz“ sowie die allgemeinen Menschenrechte ab. Seit 2012 wurden in Deutschland knapp 14 Millionen Binnenflüchtlinge auf der Flucht vor den innerstaatlichen Konflikten registriert , so das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen im Mai diesen Jahres.

Deutsche Flüchtlinge, die vermehrt seit 3 Jahren Aufnahme in Afghanistan gefunden haben, berichteten, sie hätten vergeblich versucht, Angehörige in Ulm zu erreichen. So auch der achtzehnjährige Matthias Bäumler, der in Hundersingen im Lautertal auf der schwäbischen Alb aufwuchs, dessen Famile aber schon 2014 von den Aufständischen von dort vertrieben wurde. Die Famile flüchtete nach Ulm und kam im Haus eines Onkels aus Illertissen unter. „Wahrscheinlich“, so sagt er, „lebt meine Familie noch heute in Ulm. Wenn sie überhaupt noch lebt.“ Er kam 2015 als unbegleiteter noch minderjähriger Flüchtling (UMF) über das Mittelmeer, die Türkei und den Iran nach Kabul und war später in Ghazni von einer afghanischen Familie als Pflegekind aufgenommen worden. Er macht sich nicht erst seit vergangenen Samstag große Sorgen: „Ich erreiche niemanden. Auch meine Schwester, die vor sieben Jahren schon ins Nachbarland Frankreich geflüchtet ist und dort mit deutschem Mann und zwei Kindern illegal geduldet lebt, weiss nichts. Alle Telefonleitungen und das Internet sind tot.“

Ungeachtet der sich immer weiter verschärfenden Sicherheitslage in Deutschland plant das afghanische Innenministerium eine erneute Sammelabschiebung von Deutschen in ihre Heimat. Dabei sollen vor allem Deutsche abgeschoben werden, die sich in Afghanistan strafbar gemacht haben. Als strafbar gilt in Teilen Afghanistans schon heute derjenige deutsche Flüchtling, der auf seiner Flucht aus Europa nach Asien seinen Pass verloren hat oder einmalig kein gültiges Nahverkehrsbillet vorweisen konnte. Von Menschenrechtsorganisationen wird in diesem Zusammenhang auch oft das „Rückführungsabkommen“ mit der Bundesrepublik Deutschland kritisiert, wonach die Regierung in Berlin, die vielfach als korrupt eingeschätzt wird, eine gewisse Summe Afghani für jeden abgeschobenen deutschen Flüchtling von Seiten des afghanischen Staates erhält. Wo dieses Geld wirklich landet, gedacht eigentlich zur Reintegration zurückkehrender Deutscher in Deutschland, bleibt fraglich.

Unlängst war der afghanische Innenminister in die Kritik geraten, als er anlässlich seines 69. Geburtstages mit bescheidenem Stolz erwähnte, dass genau an diesem Tag „69 deutsche Flüchtlinge nach Deutschland abgeschoben wurden“. Er habe „das nicht so bestellt“, so fügte er ironisch hinzu. Die Opposition im afghanischen Parlament hatte ihm daraufhin ungeeigneten Zynismus im Amt vorgeworfen und ihn zum Rücktritt aufgefordert.“

Und so weiter. Nein, lustig ist das alles schon lange nicht mehr. Gleichwohl ist Sommer und Pfiff.


Quelle: http://www.spiegel.de/politik/ausland/taliban-in-afghanistan-der-alptraum-von-ghazni-a-1223106.html

Kratzi-Kratzi.

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Kratzi-Kratzi. Sehr spannend. Untersuchung der bauzeitlichen Farbgebungen in einem großen ehemaligen Krankenhauskomplex, Fertigstellung 1959. Die Tatsache, dass überwiegend kunststoffgebundene Materialien verwendet wurden, erfordert eine Vielzahl von scharfen Skalpellklingen. Und Großhirnrinde. Zur Klärung und nachvollziehbaren Darstellung der Gegebenheiten. Dazu den ganzen Tag die Stirnlupe auf dem Kopf. Makrointerpretationen, ständig.

Und natürlich die Geschichte der BRD im Hinterkopf, die auch die eigene ist. Und auch diejenige der Patienten, die Glück hatten oder eben nicht. Das Gebäude genutzt seit 2015 als Flüchtlingsunterkunft. Da kommt eine Menge an Geschichten und Schicksal zusammen, eher gar schon Berge.

Das war eine ziemlich bunte Zeit damals. Beispielsweise im Flur, irgendwo, die eine Seite Hellblau, die andere im warmen Mittelgrau. Die jeweilig gegenüberliegenden Türlaibungen gestrichen in der jeweils gegenüberliegenden Wandfarbe. Und schöne Farben: Altrosa-hell, Mittelgrau-Grün, warm/kalt gebrochenes Weiß oder auch „Erbswurst-Grüngelb“. Eine Wortschöpfung der Kollegin. Die Worte gehen einem irgendwann aus. Die treffenden Buntstifte auch. Und dann noch die Vorstellung, wieviel Keime dort hinter Öffnungen, die wir öffnen, lauern könnten seit Jahrzenten, resistente Killerkeime, die nur darauf warten, endlich einmal wieder jemanden anstecken zu dürfen. Nämlich uns, jetzt. Vor allem in der Hitze der vergangenen Tage.

Gottlob gibt es fließend Wasser und man kann immer mal zwischendrin die Hände waschen. Oder sogar duschen, wenn man wollte. Drei Stockwerke sind noch von Flüchtlingen bewohnt. Viele Menschen auf wenig Raum. Alles soll geräumt sein bis Ende August, dann können wir auch diese Räume einsehen. Morgen nun noch einmal in das ehemalige Verwaltungsgebäude. In den letzten Jahren ist es als Kindergarten genutzt worden. Fröhliches Kratzi-Kratzi also, mit Kindern neben einem, die einem zuschauen und fragen: „Was machst Du da?“

Na, Kratzi-Kratzi, sag ich. Sagen wir.

Das gesamte Gelände ist mit Versorgungswegen untertunnelt, die mit einer gespenstischen Neonbeleuchtung ständig belichtet sind. Die Kollegin meint, dort geht sie nur mit Bindfaden hinein. Sie hat recht. Wir waren dann zu zweit ein bisschen unterwegs, ein sehr spukvolles Terrain und bestens geeignet für einen modernen Blutmeuchel-Tatort oder die SOKO-Stuttgart.

Heute ein ganz anderer Ort, einen Tag zu Besuch auf Schloß Solitude im Grünen. Natürlich wieder zur Klärung von Farbigkeiten an Gebäudeteilen. Kratzi-Kratzi. Die Handwerker haben bei der grundlegenden Sanierung im Jahr 1989 wenig barocke Oberflächen übriggelassen. Besser gesagt, eigentlich gar nichts. Alles wurde abgeräumt.

Im Schloss ist seit 1990 auch die sogenannte Akademie Schloss Solitude ansässig, es wohnen Stipendiaten dort aus allen möglichen künstlerischen Bereichen. Ich kann mich noch gut an die Zeit erinnern, als diese Institution ins Leben gerufen wurde. Ein üppiges Stipendiatensalär und eine gute Sache mit Residenzpflicht vor den Toren Stuttgarts. Ich habe mich allerdings nie dort beworben, denn ich wohnte ja bereits in Stuttgart. Und alles war mir dort immer etwas zu avantgardistisch. Zu abgehoben, auch in Bezug auf den seinerzeit vielfach verwursteten „neuen Kunstbegriff“, der manch Halbbegabte nach oben zu spülen vermochte. Zu cool für mich und meine künstlerischen Vorhaben und Visionen. Vielleicht aber war ich auch einfach nicht klug genug.

Zuletzt war ich dort gewesen, als eine Bekannte im akademieeigenen Aufführungsraum Theater spielte. Vielleicht vor 15 Jahren. Ich saß in der zweiten Reihe auf einem harten Stuhl, es waren nicht viele Zuschauer da, und als alles ganz still wurde kurz vor Beginn des Stückes, begann mein Magen laut zu knurren. Ausgerechnet. Es war ein leises Theaterstück. Alle Zuschauer konnten und mussten also meinen Magen hören. Mir lief der Schweiß, aber ich blieb sitzen. Was soll man machen. Ich war froh, als es vorbei war. Meine Bekannte aber ist eine gute Schauspielerin. An ihr hatte es nicht gelegen.

Als wir dann heute am späten Nachmittag und frühen Abend nach getaner Arbeit und nach einem mittelschweren Gewitter mit einem Koffer voller Informationen losfuhren nach Hause, da dachte ich erneut, wie schön doch eigentlich dieses Broterwerbs-Arbeitsleben nicht erst im jetzigen Jahr ist. Und ich danke der Kollegin herzlich für’s Einbinden. Dem Kollegen H. auch, ohnehin, seit schon so vielen Jahren.

Es ist eigentlich immer spannend. Das liegt, auch, an diesen völlig unterschiedlichen Orten. Aber eben auch an der Art der Arbeit, ganz grundsätzlich. Denn stets geht es um gemeinsame Neugier. Und um Zusammenarbeit. Und es ist ja alles auch immer Lebenszeit.