Lankwitz

In kaum fünf Stunden gibt es also „Ausgangsbeschränkungen“ in Baden-Württemberg. Schon ab morgen früh. Die alte Dame – ich grüße sie ins nasskalte Grab – würde gütig, ihre verbliebene Augenbraue hochgezogen, lächeln bei: „Der Einzelhandel aber hat geöffnet“. Da lachen ja die Hühner im Krieg, das Konfliktfedervieh. / Morgen dann also „Ausgangssperre“, klingt besser und dramatischer, so emfinde ich. Fehlt eigentlich nur noch „Verdunklung“. Hier im Haus liegen noch meterweise schwarze Stoffrollen, für alle Fälle am Fenster von innen zu befestigen, als Schutz vor jeglichen Angriffen seitens Jagdfliegern aus einer noch navigations- und dronenlosen Sichtflugluft. / Daß ich das noch miterleben darf. Für mich als Kriegsenkel – ein Hochgenuß! Und natürlich späte Abarbeitung vererbter Traumata, blabla. Im Bombenkeller in Lankwitz nahe der S-Bahn, wenn es rummste und die Kinder schrieen, die Frauen weinten und die Männer leise pinkeln mussten vor Angst. / Frau Mullah belächelt mich immer freundlich bei sowas. Auch ich belächele mich immer freundlich bei sowas. Und nun aber wollen wir doch mal sehen, wo das Klopapier und der Pfund-Zucker für den baldigen Schwarzmarkt herkommt. Und die 24 Packungen haltbarer Milch sowie die konisch-ionisch argentinischen Rindfleischdosen, die keiner mehr kennt und die sowieso keiner mehr aufkriegt. (Außer mir natürlich.) Sowie die 25 Liter schweren Diesels im musealen Blechkanister in der Garage, ganz hinten, noch hinter der Tischtennisplatte aus Eternit und den Spikereifen vom VW Käfer. Und natürlich die alten Rucksäcke, um notfalls zu Fuß in die Schweiz zu laufen. / Wenn alle Stricke reissen. Ausgerechnet die Schweiz.

/Heute vor 8 Jahren unter fernerliefen: „(…) Daher an Bikini: / Und wesentlich deine Pforten / nebenher, ein Pfötchen. / Wesentlich Brosamen, Brötchen / dein Atoll – / Dein Korb am Strand. / Unwesentlich mein Wesen / Wie Salzwiesen. / Ebbe kam, / Flut ging. Komm‘ wieder, alte Tide / wies, Wo war, wo ist / der Hafer im Sand.

(#…)“

zapfig

gutes mittel gegen seuchen: selbstständig sein. dann darf man gar nicht erst kränkeln. und grippal schon gleich gar nicht. krebs und hochdruck, herz, zucker, venenschwäche, herpes etc. ok. aber bitte nicht grippe. schon gar nicht neumodisch modifiziert oder mit quarantäne. husten tun wir alle. (raucher tun das schließlich auch.)

im nächtlichen nebel knattern diffuse helikopter über halbstädtische gebiete, irgendwelche landschaftsbuckel fernab, die früher einmal als schön galten, und ein wenig ziegelarchitektur sind noch ahnbar, lichtkegel mannigfach beleuchten boden, horizont und nach oben ins kalte diffus, es ist, dass man zittert wegen minus und feucht, ein paar hubschrauber schmieren ab, die kranken und toten fallen auf gefrorene böden und rettungsdienste mit blaublinkenden rotierbirnen fahren heran, wenn sie denn überhaupt noch heranfahren, ein ständiges maschinengeräusch und motorenlärm sämtlicher hilfsaggregate klingt durchs apokalyptisch verdampfende halbdunkel, alles ist jetzt ansteckend, unverständlich verzerrte anweisungen aus veralteten megaphonen, dazwischen mondweiss schimmernde stoffetzen, man sieht nichts, nur unfarbige kleckse, hört vornehmlich, ohne zu sehen, und ahnt und weiss dann schon, erde tut sich auf und verschlingt die toten seelen in die für einen kurzen moment orangefarbene lava spuckende unterwelt, an der hitze am schlitz kann man sich wenigstens schnell mal die hände wärmen, alle haben dunkle wollmäntel an, männlein, weiblein, kindlein, ungewohnt entleibte figuren humpeln und hinken umher, man selber auch, irgendwas suchend und nichts findend, die orientierung ist schon lange abhanden und die eigene atemnot beginnt nun halbwegs unvermittelt.

und dann kommst du, liebe lottofee, und beschenkst mich mit EUR 83,00. was für ein großglück. in diesen zeiten. es waren die zwei richtigen endzahlen im spiel77 und derer drei im spiel super6. jene endzahlen gleichzeitig 333. welch zufall. bei issos keilerei.

außerdem mag ich sehr das schwäbische wort für eiskalte großwetterlagen: „zapfig“.