sinngemäß

damals, in der akazienstraße, da dachte ich noch im warmen juniwind sinngemäß. ein kuss, ein griff. jeder kuss ein eingriff. auf dem spielplatz nun jede art von müttern, jene art von müttern. leute mit hau, drei jahre zu spät. er starrt nach osten, sie starrt nach westen, das kind schaukelt, leise, dazwischen. aber damals, in der akazienstraße, als plötzlich dein alleiniges kleidungsstück ein schönes sommerkleid war. verehrlicht verschlanken und dabei die arroganz nicht vergessen, immerhin war ich es, der dir dieses kleid geschenkt. die devise also nun ohne devisen, jedoch mit weitem blick über den hegau, die berge, und hinter den bergen die stiefel mit rom, alles vulkane, alt, aber dafür ungefährlich und aber vor allem eines: schön/schön. schön auch, wenn anna (7) sagt: kirschkern, du hast aber einen sinngemäß tollen papà! die schale aus glas aber über jedem, man sieht sich, ohne sich zu berühren. man liegt nebeneinander, selbst nackt, jedoch sehnt sich danach, miteinander telefonieren zu dürfen. die schaukel quietscht sinngemäß und die zeit verrinnt. es mag sein, der engel.

der ideale brief

„Im Sonnenhof. 8901 Batzenhofen, am 12. März 1964 / Lieber Herr Harald und liebe Frau Inge, Ihr so lieber und ausführlicher Dezemberbrief war mir eine rechte Freude! Danksagung dafür und Widerhall sind lange schon ein frohes Vorhaben, doch, – man sollte es nicht meinen – schrittweise erlaubt mir nur das Leben den magischen Ring der Freundschaft wieder zu schliessen, die Verbundenheit mit Menschen, die man liebt, zu erneuern, und diesem lieben Gedanken möge nun mein heutiger Brief an Sie dienen. Vor allem, wie innigst ich mich mitfreue an den wohlverdienten Geschenken des Lebens, die Ihnen jetzt zu Teil werden! Dazu gehören vor/allen Dingen bei Menschen wie Sie es sind Ihre lieben Kinder, die, zu meinem Entzücken, zusammen einen ganzen Opa ergeben! Mein Gott, welche wunderbaren Verwandlungen zu entdecken, schenkt das unerhörte Leben so en passent den Eltern! Sie beiden in dieser Rolle stelle ich mir entzückend vor! Liebe liebe Frau Inge! Wie viel Glück ist in Ihre Hand gegeben! Vom ersten Augenblick unseres Kennenlernens an habe ich Sie so lieb gewonnen, und wenn es Gott gefiele, mich zu erhören, in allem was ich Ihnen und Harald Gutes wünsche, nach so vielen kriegs- und nachkriegsbedingten Irrfahrten,- die unvermeidlich Ihre Jugend mit den besten Jahren anzutasten vermochten, so vermeine ich, schenkt uns das Leben noch das vertiefte Glück der Reife, so ist diese Frucht die süssere… Möge es so sein! Haus und Heim. Wie mögen sie strahlen; ausstrahlen den hochkünstlerischen Sinn des Hausherrn, und die Herzenskultur der Hausfrau. Aus Ihrem „Biographischen“ habe ich zu meiner grossen Freude auch die „Wandlungen“ abgelesen, die ein Geistiger seiner Zeit durchlaufen muss, ehe er seinen Grund findet. Ach Harald, dem unvergesslich grossen Menschen und Künstler, der vor einem Jahr von uns gegangen ist, dem Vater gleichzukommen, wäre des höchsten Strebens wert, falls es des Ansporns noch bedürfte. Wird das junge Leben zu Ostern schon in das neue Heim einziehen? Wie dem auch sei, ich wünsche Ihnen unendlich alles Gute dazu! Auch Ihre liebe Frau Mutter wird verwinden. Was ich kann, täte ich dazu! Wir haben Briefe getauscht. Mir geht es hier sehr gut. Die Augen ordentlich. Häusle in Rechtenstein, bleibt Stammsitz. Ist geschlossen zur Zeit. Behalten Sie lieb, Ihre/Ihnen immer getreue Freundin Hade Unger.“

kratzer

rinne

lou, der baustellenälteste, sagt jetzt „kratzer“ zu mir. wenn er etwas will, dann brüllt er aus dem erdgeschoss hoch zum hirsch: „eyhh! grazza! bist no lenga do?…“. sein gehilfe ist zimmermann. der zimmermann schaut sich meine arbeit geringschätzend an. also schau ich mir die arbeit vom zimmermann auch geringschätzend an, worte würden da stören. die maurer im erdgeschoss mauern nur, wenn sie einen kasten bier bekommen, sagt peter, einer der drei spezial-putzer. peter sagt auch, sie selbst trinken seit ein paar jahren auf baustelle nur noch alkoholfreies bier, meistens jedenfalls. peter hat gelbe augen, fränkys englisches cabriolet steht um die ecke und thomas, der ohnehin nur noch ein auge hat, erzählt mir von seiner verschleppten lungenentzündung im letzten jahr. irgendwann hat er schwarzrot gehustet und jetzt ist ein flügel weg. thomas ist achtunddreissig, und sein blick, freundlich zwar, aber böse, ist ende fünfzig. und er lacht. der sächsische elektriker lacht noch arbeiter- und bauernfreundlich, seine art gefällt mir. seinem berliner helfer hingegen ist alles soziale schon lange egal. der zimmermann hat seine kreissäge neben dem hirsch aufgebaut und jedes mal, wenn er sie anschaltet, grinst er mich an. nicht ich sollte schief laufen, sondern er. und es würde ja auch nichts bewirken, wenn alle auf der baustelle jetzt das sinologische olympia boykottieren. dagegen sollte man eher chinesische kreissägen boykottieren, oder wenn nicht das, dann ebenjene geräuschlich weiterentwickeln, vielleicht in tibet, burma oder auf sonst einem dach der welt. später ist feierabend, und ich gehe zum pinkeln in den pinkelcontainer. an der kleinen pissrinne steht lou. als ich mich neben ihn stelle, dreht er sich unverrichteter dinge weg, packt ein und geht. ich habe gewonnen, irgendetwas, aber das wollte ich doch gar nicht.

/titten auf den tisch

aufdentisch

hier unten steht: „online seit 557 tagen“. es begann mit schuhen, in etwa, ohne wissen darüber, aber eine ahnung, die war schon da. es begann hier in dem moment, als sich das alte leben verliebte und daran ging, sich zu verabschieden. zunächst war schmerzhafte freude darüber vorhanden. man glaubte es kaum, man dachte es nicht, man staunte sich. und es kam, wie es kommen musste, im alten leben: sehr schade nämlich. nämlich die schere, und würde man diese im neuen leben auch noch so setzen? niemals, eigentlich, doch das alte leben, es ging nicht anders, es war nicht anders zu schaffen. das ist schade, und vor allem: eine große größere mahnung. ein einziges großes leider. geblieben ist der kirschkern und eine menge schulden. anderes, dunkles, dunkelrotes, zunehmend aber auch: ein schöner mond.

und: ein produkt namens schneck06. es könnte aber daher sein, dass jenes produkt sich nun überholt hat.

ENDLICH ERWACHSEN! wollte ich schreiben, gestern kniend in einer pfütze vor dem hirsch. und hatte noch einen lustigen reim: ‚die liebe versagt sich, und gibt mir ein storno, es brechen nun an, die jahre des porno…‘.

wissen sie, er hat immer gelacht, selbst sogar im letzten jahr. und das wird er auch weiterhin tun. aber gewiss nicht mehr mit dem auge eines audi a/acht zwei meter hinter seiner stoßstange bei tempo einhundertfünfzig in immerhin westlicher richtung.

die kopffüßlerin schreibt sehr schön: „ich will nach hause“. das will ich auch, aber was wird aus schneck06 im neuen leben? er glaubt, sagt er, er weiss es (noch) nicht.

hrsch

hirsch

edit/nachschrift: ich suche auf diesem wege darstellungen von jagdszenerien, malerisch oder auch graphisch, insbesondere von hirschköpfen, zeitlich datiert in das frühe siebzehnte jahrhundert. bei der abgebildeten malerei handelt es sich um ein erhaltenes fragment im dachgeschoss eines mittelalterlichen gebäudeensembles zu nürnberg/germany. geplant ist, wenn sinnvoll und möglich, eine museal malerisch präsentierte rekonstruktion bzw. deren andeutung. der gebäudekomplex wird künftig öffentlich als museum genutzt werden. über bildzuschriften würde ich mich sehr freuen. vielen dank!

überlegen

die tochter unvermittelt im wagen:

„du, sag mal, wie schnell können eigentlich erwachsene überlegen?“

und während ich überlege, wie schnell ich überlegen kann, da fällt mir die frage wieder ein: wie war das noch, wie lernt man am ehesten im leben, durch die wiederholung oder durch den schmerz?