wellness,

WZ

also eine beerdigung hinter der schwäbischen alb, die alte dame ins auto gepackt und den alten weg da rauf gefahren. als kind so oft, klar. hinten im käfer. die gönninger steige oder honauer steige oder holzelfinger steige, welche nehmen wir heute? später dann zwiefalten. kurzer halt in rottenacker an der donau, da liegen der opa und die drei anderen brüder. der hans, der bauer. sein bruder albert, bescheidene rente aus dem zellstoffwerk, dann der hermann, der ist schon geschleift. der hermann war laut erbrecht der knecht beim hans, der jüngste bekam den hof, die anderen sollten knecht sein beim jüngsten oder sich vom acker machen. der hermann hat immer gegrinst, an zähne kann ich mich sein lebtag nicht erinnern. und die elisabeth hat immer gesagt: „ich hab drei männer geheiratet!“. und das alles ist noch gar nicht so lange her, das muss man sich mal vorstellen. die elisabeth und der hans haben zwei von vier kindern verloren, einmal ertrunken (donau), einmal dummes geschwür. zur beerdigung also nach ehingen, auch donau. vater der jugendfamilie, kinderarzt und fünf kinder. dort wäre ich aufgewachsen, hätte es die alte dame hingeschmissen, das hatte sie so arrangiert. alle sind da, und es ist gut. das darf man ja gar nicht sagen bei einer beerdigung. aber das trägt was weiter. sehr heilig ist mir das, auch wenn das schon wieder drei tage her ist. der jüngste, der war mein oberschwäbischer jugendkumpel. wir sind kajak und tandem gefahren nach munderkingen, haben schlagzeug gespielt, haben unsere balsaholzflieger fliegen lassen und wir sind im engadin den wasserfall des inn hinaufgeklettert, eigentlich müssten wir dabei gestorben sein. so was verbindet bis heute. und einen super8film gedreht. Titel: Der verlorene Sohn, 1972. Genre: Western. Drehort: vor der Gerage. Dauer: 9min, Status: verschollen. aber das alles ist ja schon wieder ewig drei tage her. wenn mich jemand fragen würde nach heimat, dann dort. kennen sie rechtenstein? obermarchtal? zwischen ober- und untermarchtal saß ich mal auf deiner ducati 860 mit irgendwie kurz zweihundertzwanzig sachen. aber schon wieder drei tage. die baustelle also eröffnet. beleuchtung, strom, dixi, wasser, gerüst aufbauen. gotisch und restfreilegen. der kleine tiefbau draußen vor baggert drainage, natürlich kirchhof. da liegen sie dann herum, diese knöchelchen im sand. und keiner weiß, was man damit machen soll. ein schlüsselbeinchen, ein oberschenkelhals, eine halbe zahnreihe, ein rippchen. der kollege sehr weise und fränkisch: „a schäufala!“. ich krieg hunger. auf nachfrage heißt es von bauernseits, das sei bekannt schon von der letzten baggerei. bin beruhigt, der azubi (schaufel) vom tiefbau vermittelt pietät und gewissen. da also noch acht wochen. nächste woche hotel, dann ferienwohnung, so wie frueher. und nachher für 52 stunden der kirschkern. ich brauch kein kino. ich brauch wellness und zukunft. mit der vergangenheit würde ich gerne geld verdienen. und dann mit der neuen liebe die fetten wege abfahren, gerne acht wochen lang, und zwar ganz in ruhe.

18 Gedanken zu „wellness,“

  1. REPLY:
    die thermik hat mich sowie die kernobstlicheliche begleitung soeben aus dem südbadischen torturlandstriche wohlbehalten zurücksegeln lassen. vielen dank fürs balsam, lieber schein!

  2. Schön wenn man so ganz aus Versehen mit auf die Reise genommen wird, in eine Gegend die man kennt. Die innere und die äußere Gegend gleichermaßen. Dann ist das Ganze auch noch höchst gekonnt und ansprechend erzählt. Ich danke für diese Mitfahrgelegenheit.
    Altsaeckisch bis altvaeterlich (neee, eher altmuetterlich) möcht ich Ihnen zurufen:
    Weiter so!

  3. Balsaholzflieger und Super-8-Filme, die gab’s auch.
    Manchmal würde ich heute wieder gern so einen Flieger zusammenbauen.
    Die Fernsteuerung hat damals ein Vermögen gekostet, zu viel für uns oder zumindest für mich. Aber Fernsteuerung war das Tollste. Das Gefühl etwas fernsteuern zu können.
    Heute wird alles ferngesteuert.

  4. Diese -ingen-Gegend, so voller Erinnerungen, sehr dicht hier in diesem Text. Schön. Ach und so ein Film, Super8, den hatten wir auch, 74, la bataille crachée, eine Rittergeschichte vor Festungshintergrund. Damals war alles noch ver- und zugewachsen und nichts touristisch beschönigt. Ich Kamera und Regie und noch nie zuvor so was in der Hand gehabt.

  5. @Knöchelchen:
    Habe mal für eine Gemeinde gearbeitet, die mit Friedhofserde die Umgebung hinter einem Vereinshaus aufschüttete…

    @neue Liebe:
    Da haben Sie mir ja nun was voraus umd müssen keine Bratkartoffeln mehr kochen essen.

  6. mit sicherheit werden sie mit der vergangenheit noch reich, mit der fruchtigen begleitung kann jetzt eh grad alles nur gut laufen und natürlich werden sie mit der neuen liebe fette schäufele schlemmen und die anderen die skelette abnagen lassen. ganz klar.

  7. REPLY:
    flunkern und ich?

    („Bereits im Jahre 1638 baut Bauer Michael Schneck zu ersten Mal in Deutschland auf der Vierlitzer Flur in Pilgramsreuth nahe Wunsiedel feldmäßig die Kartoffel an.“)

  8. REPLY:
    ich hätt‘ sie heute zu gerne an der (gemäßigten) bordkanone dabeigehabt, herr books (abt. ‚luftschlacht über titisee‘). wie schattenfechten oder fliegenfischen. ein haufen bundeswehr war unterwegs gewesen, grad so, als würde das feminine algerien den schwarzwald besetzen wollen. vielleicht sollten wir mal gemeinsam nach metzingen unter achalm (klifflinie?) fahren: sie krawatten, ich schwarze hemden mit schabracke/modern, gesteppt. stattdessen dachte ich auf der ganzen fahrt an das witzige „titten-see“-wortspiel (pfui!). und wissen sie was: ich fand das lustig! zeit wird’s, dass der advent kommt – der normalisiert. /vielen dank, und ein ebensoschönes wochenende wünscht ihnen ihr schneck

  9. Ich schließe mich meinen VorrednerInnen an. Lieber Herr Schneck, eine sehr schöne Schilderung, die DenDeutschen zur (inneren, nicht letzten) Ruhe kommen lässt und sanfte Erinnerungen weckt. 1972, einer meiner glücklichsten Sommer. Heimat entstirbt uns nach und nach so äußerlich.

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