Skagen

duenen2010

Wenn man dann losfährt. Und die Nordsee auf die Ostsee trifft. Sie freut sich jetzt auf den Herbst. Wird das Geld über den Winter reichen? Wir könnten Fotos machen (das schlägt sie vor), so wie in diesem Buch* beschrieben, was sie schon dreimal gelesen hat. Sie liest mir daraus vor, wir lesen uns gegenseitig vor. Man müsste das Buch augenblicklich verfilmen, denke ich mir, wenn ich doch nur vom Film wäre. Schließlich, in Berlin, spielen wir wie früher das Taxispiel. Wir fahren den Doppeldecker von Linie 104 und sitzen oben ganz vorne. Eine ihrer Klassenkameradinnen hat einen Stiefvater, der ein rosa Flugzeug hat mit einem Schwimmbad darin. Die mag sie nicht. Sie möchte unbedingt Dänisch lernen, jetzt erst recht. Ob ich mitlerne? Die Bunker interessieren sie nicht und die tote Robbe am Strand will sie nicht noch einmal sehen. Gerade jetzt, wo Lilly Hallig zu uns gestoßen ist! Wir machen einen großen Bogen und spielen Steinchen werfen (sie hält sich die Augen zu, ich werfe, sie muss finden). Man kann das stundenlang spielen, genauso wie das Taxispiel. In Haitabu leben über den Sommer ein paar Wikinger mit Brille, ihren Kindern haben sie die Namen Freia und Thor gegeben. Und In Ringköbing leben angeblich die glücklichsten Menschen Europas, ich halte das jedoch für ganz erheblich übertrieben. Typischerweise gerieten wir ein ums andere Mal in militärische Sperrgebiete, nicht ohne diese jedoch gerade noch rechtzeitig wieder verlassen zu können. Wegen der Wölfe. Im Turm des Domes zu Schleswig (der mit der Truthahngeschichte) haben wir uns heimlich inschriftlich verewigt, ebenso sämtliche an der Fahrt beteiligten Kuscheltiere, mit Ausnahme von Lilly Hallig. In Flensburg waren wir nachts bei McDonalds und haben an einem Preisausschreiben teilgenommen, was uns aller Vorraussicht nach den Winter finanzieren wird, wir sind da ganz guter Dinge. Sie überlegt leise, ob sie Dichterin, Photographin oder Malerin werden will, später. Der Sommer ist noch nicht vorbei. Kachelmann ist frei und Schlingensief ist tot. Der Sommer ist noch nicht vorbei und ich habe seit langem wieder einmal die Erdkrümmung gesehen. Ob wohl Freia und Thor jemals das Taxispiel spielen werden dürfen?

____
*Antonia Michaelis, Wenn der Windmann kommt, Herder-Verlag Freiburg, 2009

27 Gedanken zu „Skagen“

  1. Jetzt freu ich mich noch mehr. In 10 Tagen bin ich droben.
    Gestern hab ich was für den Winter gewonnen, etwas ganz überflüssiges: einen Helikopter-Skiing-Flug. Ich werde ihn dem Enkelsohn des Geliebten schenken. Aber vielleicht flieg ich ja doch mit.
    Zuerst aber muss ich das Meer ganz oben schnuppern. Dann weiß ich mehr.

  2. Oh! Wenige Kilometer nahe bei Skagen war ich mal (Tversted) und dachte mich vor einigen Tagen hin. Unglaubliches Licht dort! Und überhaupt: Am Meer.
    *wikinger-mucke einlegend, Torfrock ;-)*

  3. REPLY:
    und dann erst die däninnen… :) /nächst skagen haben wir übernachtet in Blokhus, auf dem parkplatz am ortseingang im auto (machen wir immer so, auf tour).

  4. Ob ich mich nur so an dem Text erfreue, weil ich dieses Jahr urlaubsfrei habe? Herr Schneck, könnten Sie im nächsten Sommer bitte etwas vergleichbares vorlegen, damit ich diese Frage klären kann?

  5. REPLY:
    ich hoffe, einerseits nein, andererseits: ja. und natürlich vielen dank, herr kaal. /ob die kirschkernerin im nächsten jahr nochmals mit dem herrn vater die automobilmatratze teilen will, das ist natürlich noch unklar. dennoch: diese touren besitzen, nun im vierten jahre, eine sehr große vertrautheit, die wahrscheinlich gleichermaßen ihr wie mir wichtig ist. speziell in unserer beider – immer noch recht neuer – lebens- und distanzsituation. wir fahren eben einfach los. wenn wir rechts abbiegen wollen, dann biegen wir rechts ab, wenn links, dann links. irgendetwas besonderes passiert ja immer, man muss es nur sehen. sie will auch niemanden besuchen auf diesen touren, denn „He, besuchen kann man die Leute ja auch, wenn wir nicht auf Tour sind!“. /ach, lange rede… viel wichtiger: ich wünsche ihnen noch vor dem nächsten sommer einen urlaub, der diesen namen verdient hat! bestens, ihr schneck

  6. REPLY:
    Das stelle ich mir toll unkompliziert vor, einfach Halt zu machen, wo’s einem grade gefällt, und dort in der Karre die Füße ausstrecken zu können – und auch noch zu zweit! Deswegen spekuliere ich innerlich seit einigen Monaten auf einen Kastenwagen. Besonders die, mit denen die Blumenhändler früher rumgegurkt sind, haben es mir angetan – wohl auch wegen der Höhe, wenn man drin läge. Beste Grüße, Herr Schneck!

    P.S.
    Über Urlaub und, ich glaube, die Liebe. Das berührt mich halt.

  7. mir mag gar nichts intelligents, hinterfragendes, ergänzendes einfallen. nur: was für ein wundervoller text. Wer wollte mit ihnen nun kein roadmovie drehen / fahren / erleben. bin hin und weg … ehrlich gesagt.

Schreibe einen Kommentar zu schneck Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert