ROT, Schnitter, fei

Rothenburg Plönlein
Zweitpaare
Laden
Stück Stoff, um 1550
Wurfstern, um 1550
Rothenbur 2023
Arbeit
Klingengasse 2023
Judengasse 2023
Selbst, als Schnitter

verliebte altpaare noch und nöcher. oder neupaare alt (er) und sie (jung) im zweitleben, die kinder sind aus dem haus. golden retriever dabei. kopfsteinpflaster, gogomobile, alte ford mustangs und ein paar pferdekutschen. um 21 uhr klappen die bürgersteige hoch, das gläschen weisswein 8,60, ich geb dann mal heute kein trinkgeld. im hotel brötchen vom lidl, heisser brühkaffee, kalte bemalte eier, salzfässchen gibts auch. kesselgulasch und ungarischer gemüseeintopf. die gastronomie, so scheints, mittlerweile nach 35 jahren überwiegend in osteuropäischer hand. die kulissen kaum verändert. viele wohnmobile mit frührentnern und mops. die schönen nebengässchen menschenleer, wie damals schon. jugendgruppen mit blauen oder gelben schirmmützen, wahlweise bedruckte uniform-Tshirts, oder asiatische tagestouristen mit mundschutz und schirm. mittags um zwölf das glockenspiel mit meistertrunk am marktplatz, alles wie immer, nur die fotoapparate machen nicht mehr „klick“ sondern „schrschr“. damals begann alles bei mir, seltsam, dass ich gerade jetzt, eigentlich rein zufällig, wieder hier arbeite. der kollege, seinerzeit wohnhaft in einer kleinen verwunschenen villa direkt vor der stadtmauer, ist lange schon weggezogen. es ist so wunderschön hier, zumal bei diesem sommerwetter, aber eigentlich kann man nur weggehen von hier, denk ich wie damals schon, wenn man jung ist. oder, wenn man weg war hier, dann vielleicht wiederkommen. ich erinnere touristenlose november mit dauerregen oder kalte schneelose trostlose februare. und dann laufe ich jetzt nach den feierabenden durch das städtchen, mehrfach 11000 schritte verrät mir mein gerät, welche es damals auch noch lange nicht gab, stattdessen gelbe telefonzellen und markstücke, und ich sehe gebäude und häuser, in denen ich schon war vor langer zeit. an deren fassaden mich hoch oben am treppengiebel nervöse wespen angriffen, einmal hatte sich – es war wohl in der herrngasse – ein kalksplitter in meinem auge verhakt, das macht einen ganz kirre und gottlob gabs in der nähe einen augenarzt, der abhilfe schaffte. oder in wieviel kellern hier war ich schon, die baugeschichten untersuchend, einmal waren wir ganz nah dran an einem schatz aus dem 30-jährigen krieg, den später die archäologen hoben. die unzähligen containerfunde des kollegen, mit bemalten putzstücken, jahrhundertealt, die nachwiesen, dass nächtens im schutz der dunkelheit heimlich renoviert wurde, schnell-schnell, um die denkmalpflege zu umgehen. keine vermeintlich langwierigen behördlichen vorgänge, ein japaner sieht eben nicht, ob da was wirklich alt ist oder nur alt aussieht. damals war ich zutiefst empört. heute denke ich nur, es ist eben so, wie es eben ist. wozu da was ändern. die stadt hat eine klar definierte aussendarstellung, nämlich mittelalterlich soll es aussehen. und kaum einer weiss, dass es auch zerstörungen gab, die nach dem großen kriege flink behoben wurden, im alten stil natürlich. oder, als wir an einem karfreitag die franziskanerkirche untersuchten, da es so dringend war. oder wie wir im sommer zu mittag schnell an einen weiher jenseits der tauber fuhren, um dort nackt hineinzuspringen. damals hatte ich noch meinen roten kasten-R4, mit dem ich in vielerlei leben startete. vor unglaublichen 35 langen und kurzen jahren. ich erinnere, in wen ich verliebt war und wer in mich, wo was draus wurde und wo nicht. mittlerweile sind ein paar windräder hinter der stadtkulisse zu sehen, blickt man ins nahegelege württembergische. den fahrradladen, der damals neu aufmachte, den gibt es noch. die kneipe, die damals der bruder des kollegen betrieb, gibt es lange nicht mehr, eine spielhalle ist da jetzt drin. die trennungskinder von damals sind jetzt auch schon mitte vierzig und haben sich wahrscheinlich ihrerseits schon wieder getrennt, gelegentlich. ach, es ist wirklich schön hier, man muss mal dagewesen sein, ganz ernsthaft. am besten im sommer und für 2 tage mindestens. ich selbst werde wohl diesen sommer überwiegend hier verbringen für die brotarbeit. und ab und an ein weinchen trinken abends, mit welchen, die ich von seinerzeit noch kenne. oder den diesjährigen kollegen. vielleicht unten in der helmersmühle an der tauber, da ist es besonders schön. / es klingt alles melancholischer, als es ist. ein wenig darf ja. alte-leute-content eben. umso mehr freu ich mich über die neue sense am waldrand. „Selbst, als Schnitter“, sowas gefällt mir. das foto hat frau mullah geknipst, es hat „schrschr“ gemacht, nicht „klick“. es müsste dringend mal wieder regnen, aber so eine trockenheit gab es ja früher auch immer mal wieder. um 6 in der früh muss ich losfahren, immer am donnerstag abend komme ich dann wieder nach hause. wie früher eben, nur früher haben wir noch 5-tage-wochen gemacht, dann war es freitagabend und es hat ab und an im sommer geregnet, die windschutzscheiben voll von zermatschten autobahninsekten und mein lohn war sechszehn mark für die stunde, und das war FEI viel.

3 Gedanken zu „ROT, Schnitter, fei“

  1. Ob Sie wohl verraten mögen, wo die Helmersmühle ist? Bei der entsprechenden Suche im Netz habe ich nichts gefunden.
    Herzliche Grüße vom Niederrhein

    1. Es ist die „Bronnenmühle“, an der Barbarossabrücke über die Tauber. Die wunderbare Lokalität heißt „Unter den Linden“. Beste Grüße!

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