Im Sommer 2007 trennten wir dann auch die Konten und den Wagen. Das bedeutete für mich den Erwerb eines eigenen Kfz, den bisherigen behielt die Frau in finanzieller Verrechnung des Listenwertes. Dieser Neue war baugleich, gleich alt, jedoch etwas anders ausgestattet: Klimaanlage und Heckklappe, anstatt bisher geteilter Hecktüre. Außerdem die grünschimmernde Farbe, die nicht meinem Wunsch entsprach, aber ich konnte mir das nicht aussuchen beim neuen Gebrauchten. Der Kilometerstand lag bei 86000 km, zu bezahlen waren EUR 6300,00.
In jenem schwerwiegendem Sommer planten der Kirschkern und ich auch unsere erste „Kirschkern-Papa-Tour“. In der Verwandtschaft hatte es dafür ein schönes Vorbild gegeben mit einem Vater und einem Sohn, die – seitdem dieser Sohn sechs Jahre alt gewesen war – alle Jahre eine gemeinsame Reise unternommen hatten, dem jeweiligem Kindesalter angemessen. Ein sehr schönes Ritual. Der Kirschkern war in jenem Sommer 7 Jahre alt, wir lebten in Berlin und ich dachte zu diesem Zeitpunkt auch, dass wir dort würden wohnen bleiben, alle. Ich ahnte noch nicht, wie alles schon bald kommen würde.
Diese erste Tour dauerte 6 Tage und führte durch Norddeutschland. Wir beschlossen gemeinsam, nur im Auto zu schlafen, welches ich zu diesem Zweck ein wenig umgebaut hatte: Auf ein paar Plasikkisten im hinteren Teil hatte ich eine Schaumstoffmatratze gelegt, die das ausgestreckte Liegen einigermaßen bequem ermöglichte. Der Plan war, nach Gusto zu reisen, und – je nachdem, wie der gemeinsame Beschluss jeweilig lautete – nach rechts oder eben nach links abzubiegen, ganz spontan und nach unserem Belieben. Auf ausdrücklichen Wunsch des Kirschkernes sollten keine Bekannten- oder Verwandten-Besuche während der Tour gemacht werden. Sie meinte, damals schon und wie heute, dass man Besuche ja auch zu anderen Zeiten machen könne, aber nicht ausgerechnet dann, wenn wir uns auf unserer ‚Tour‘ befänden!
Seither also haben wir bereits vier Touren unternommen. Das große Zusammensein, das Beobachten der Veränderungen Jahr für Jahr und die Gespräche in der Mitte oder am Rande, die gemeinsamen Erlebnisse (oft Abenteuer!), ach, es ist das Schönste mit dem Kinde, gerade auch angesichts eines mittlerweile leider fehlenden gemeinsamen Alltags. Ich kann so etwas allen Eltern nur empfehlen.
Aber eigentlich wollte ich ja über den geliebten Kangoo-Grün schreiben.
Dieser nämlich hat alles mitbekommen in den letzten vier nicht unereignisreichen Jahren. Er hat mich und uns tausende Kilometer wohlbehalten immer dorthin getragen, wo es dann und denn gerade wieder hingehen musste. Ob von Berlin nach Nürnberg und dann, nach Arbeitswochen, am Donnerstag Abend weiter nach Tübingen, um am Freitag bereits nach abermals Freiburg im Brsg. zu fahren, zwecks Abholung der Kirschkern für’s Wochenende und folgender Rückfahrt nach Tübingen. Dies ab jenem Sommer 2009. Vorher hatte er uns mehr als anderthalb Jahre tägliche 140 Kilometer Schulweg gestattet, jede zweite Woche. Um zwanzig vor Sieben fuhren wir in Tübingen los, damit der Schulbeginn um viertel vor Acht erreicht werden konnte im Stuttgarter Westen. Ich fuhr danach retour und wenige Stunden erneut zur Schule, um dort den Kirschkern wieder abzuholen und das alles über eine alte Landstrasse (übrigens immer fast an Herrn Books vorbei…) voller unglücklicher Pendler mit oft selbstmörderischer Fahrweise. Das waren drei Stunden Schulweg täglich und nicht nur einmal war alles Leben knapp.
Was hat sich seine Windschutzscheibe alles anhören müssen, von innen. Vor allem in der Anfangszeit. Noch oft denke ich, auch jetzt noch und in fast schon schwarzweiss, wie hatte das alles nur so über mich kommen können. Ich war doch schließlich vorher immer selbstbestimmt gewesen.
Diese ganzen Momente der Ohnmacht also hast Du – Kangoo-Grün – still und wissend mitgetragen. Dafür danke ich Dir! Du hast uns nach Maloja, über den Splügenpass, nach Dänemark, nach Hodenhagen mehrfach (wie auch nach Walsrode), nach Flensburg, nach Skagen, unzählige Male nach Berlin und retour und in’s Fränkische sowie auf andere Baustellen und in’s Südbadische geleitet. Du bist mit mir – ganz neu in 2007, so plötzlich ohne Spätkauf – spätabends zum Zigarettenholen an eine Tankstelle gefahren, hast die alte Dame unzählige Male zum Arztbesuch chauffiert und Dich von schwäbischen Mardern anknabbern lassen müssen, von unten. Du warst in Beinwihl am See und in Ginsheim, in Hamburg und zur Messe in Köln. Und sogar in München. Die Auflösung des Ateliers-Nord hast Du miterlebt und Affen tanzten auf Dir herum, bevor jene Dir die Dachreling demontierten. Hunderte Male bist Du am dörflichen Pfarrhause vorbeigefahren, nach hie wie dort. Ungezählte Bilder hast Du transportiert, viel Schicksal und ebenso ein Meer von Gedanken der wichtigeren Sorte.
In dreieinhalb Jahren ritten wir gemeinsam über 120000 km und mannigfache Teilerneuerungen Deiner Gelenke, ich übernahm die Kosten per solo, aber das war mir wurscht. Dann, im März diesen Jahres, kam ich einmal mit dem Kirschkern vom Einholen heim und sie bemerkte beim Parken dort am Waldrand, dass Du qualmend am vorderen Ende rauchtest. Ich dachte zunächst, es sei die Servo-Pumpe der Lenkunterstützung abermals überlastet, öffnete gelassen den Maschinenraum und sah dann aber, dass es dort bereits brannte. Ich befahl dem Kirschkern lautstark promptes Aussteigen und weitmöglichstes Entfernen vom Geschehen, rannte in’s Haus, holte einen Eimer Wasser und löschte wie vor 1000 Jahren. Der Mann vom Abschleppdienst später sah sich alles an und diagnostizierte einen Brand der Kabel. Wir hätten Glück gehabt, weil man normalerweise nur noch zuschauen kann, wie alles ab- und ausbrennt, das würde in der Regel dann ganz schnell gehen. Noch tags zuvor waren wir unterwegs gewesen über die Autobahn, da wäre ein Löschen dann nicht mehr möglich gewesen. Danke also auch dafür, für Dein Zeitgespür. Überhaupt: Deine sanfte Empathie.
Der nette Libanese gab mir noch 400 für das Wrack. Immer wieder betonte er, dass Du bald schon ganz woanders sein würdest, nämlich in Afrika (…oder Asien). Alle meiner Hinweise auf dieses oder jenes Deiner Probleme tat er lässig ab, dies sei „künftig alles völlig egal“. Vielleicht wirst Du ja für eine Autobombe missbraucht werden wegen Deiner großen Ladefläche, besser aber, Du sitzt jetzt schon auf einem Schiff gen Senegal, Kenia oder Kongo zwischen heruntergefahrenen Toyotas, um schon bald Kinder oder Kartoffeln von hie nach dort oder vielleicht zur Schule zu bringen. Mit Kindern jedenfalls kannst Du ja gut und Giraffen und Löwen kennst Du bereits aus Niedersachsen.
Gerne wären wir mit Dir auch in diesem Jahr gefahren, nach Hochnorden, aber das sollte dann wohl nicht mehr sein. Wir machen das jetzt eben mit Deinem jüngeren Bruder, in Weiss. (Arctic-Weiss). Bären und Elche wollen wir sehen, und Wölfe vielleicht auch. Heute geht’s los, und wir werden Dich gewiss NIEMALS vergessen, mein lieber Kangoo-Grünmetallic. Versprochen!
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Bildteil/Pfiff:
(alles neu: links Mama, rechts Papa, 8/2007)
(Abends Schnitzen in Walsrode, 2007)
(Lueneburger Heide, Kirschkern schläft aus, 2007)
(Abend nächst Schloss Salem, Bodensee, 2008)
(Fin d‘ Atelier-Nord/Schönebg., ggü. Jansenbar/Lilo-Leopard, 2009)
(Römö (DK), Marienkäfer/Orange, 2009)
(Safaripark, Antilope, 2009)
(Neukölln, Selchower Stübchen, 2009)
(Frisbee, Fliegenklatsche, Freib./Brsg., 2010)
(Römö, 2010)
(Schlafplatz, Blockhues (DK), morgens 2010)
(Leseplatz Ukleisee, „Wenn der Windmann kommt“, 2010)
(Kurve via Oranienburg – HH, Geschwindigkeitsproblem, 2010)
(das letzte Bild: Autohaus, TÜ 3/2011)
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usf. /Leb‘ wohl!
Hittade du fel i ordboken? Vad står på din önskelista?
Ein netter Nachruf. So ungefähr war auch die Farbe meines ersten Minis, des ersten Autos überhaupt. Ich hatte blau bestellt und als ich in der Werkstatt den Wagen abholen wollte, statt ein türkisgrünes Etwas da. Es war das einzige Auto in der Halle und ich fragte noch, wo denn mein Auto wäre.
Ich war dann aber ganz froh, denn die Innenausstattung war schwarz. Beim wirklich blauen wäre sie grau gewesen. Später hatte ich auf den Türen noch einen rosafarbenen Aufkleber, ein aufgeblasener Punkt mit irgend einer Werbebotschaft drauf. Dafür bekam man 250 ATS im Monat. Ein Vermögen, was die Benzinkosten zu bewältigen half. Der Wagen war überall erkennbar und selbst heute erinnern sich noch Menschen daran: hattest Du nicht einmal ein grünes Auto mit einem rosa Punkt?
Bei mir ist der Alte ja bereits weiß, dem eine Achsvermessung empfohlen wird. Da sollten Sie erst mal meine eigene Achse vermessen, guter Mann, denke ich mir an den Tresen des Autohauses gelehnt, übrigens unweit wo Sie immer vorbei gefahren sind, drehe mich quietschend nach Südwest und wünsche Ihnen dreien eine ganz wunderbare Sommerzeit, lieber Schneck!
Ich wünsche euch wunderschöne Ferien und freue mich schon auf das Wetter, das ihr in den Norden bringen werdet. Wenn Engel reisen… : )
„Geschwindigkeitsproblem“ – schönes Foto, bisschen farbarm. Wunderbare Geschichte. Ich merke schon, ich fotografiere meine Fortbeweger zu selten.
ups….. soviele kilometerchen geschrubbt, der schöne grüne.
das tut mir leid, dass ihr eure wege nun trennt.
wünsche also schöne ferien und eisbären und so….
Wie schrecklich. Und wie schön.
Wie das Leben selbst.
Schönen Urlaub euch! A.
Loslassen ist nicht immer leicht.
das klingt erheblich komplemäntär. und eine schöne geschichte. wann war denn das? (ich frage wegen der marketingidee von aufklebern, ich datierte jene bisher eher in die achtziger jahre, z.b. tschibo „Alles Frisch!“ usf.?)
war (und ist) so. was macht Ihr opel/ford?
wir haben zwomal HH umrundet und haben gewunken. im ernst!
Nix Ford, aber läuft wieder.
Ich sag‘ nur Bully!
Jag älskar att se dig Diska! /mit Pfiff! ;)
war alles dran. danke, lieb rosmarin-
nachschau glättet nuancen. next year salzburg!
und löschen erst! ;)
sehr fein bilder zeichnen sie da, lieber herr schneck.
Wo Kangoo-Grün nun wohl wohl weilt, das frage ich mich ja schon manchmal ganz kleinteilig an langen Sommer- wie Winterabenden. Die Kapitel huschen weiter, besonders dann, wenn die Hunde schlafen, aber die haben ja gute Gedächtnisse. Immer die Zeit, die schnell vergeht, und der ganze Rest hinkt hinterher. /und Danke, liebe Frau kf.