die kirschkern sitzt jetzt von ancona nach igoumeniza, die sonne schon weg, die schlafplätze am lauen deck ausbaldovert, wahrscheinlich. ?/In ihrem heimischen tortursiedlungszimmer steht seit gestern eine neue harfe, ihre erste eigene. Letzter schultag und immer noch keine 4 im zeugnis, sie hat mir verraten, dass sie sich das vorgenommen hat, so lange wie möglich ohne eine 4. Morgen heizt sie im bus über den pelleponnes, stop in korinth (thema paulus).
In korinth hatten wir uns damals aufgetrennt und jeder ist alleine weitergetrampt in die dämmerung hinein. Ich wurde zunächst mitgenommen, dann fast hopsgenommen von einem grauschläfigen chemiker aus thessaloniki, der mich zuletzt aus seinem wagen, einem schönen horch100, in die mitte der wildnis entließ, weil ich nicht unbedingt sex wollte in seinem sinne. Ich hatte große angst, war froh, wenigstens in den kargen bergen ein übernachten irgendwie zustande bringen zu wollen und können und hielt den daumen dennoch weiterhin zur strasse. Schließlich hielt ein italienisches superliebespärchen mit schäferhund im fiat 500 (an) und sie fragten mich, was um gottes willen ich denn um diese zeit in dieser gottverlassenen gegend täte. Ich nahm platz neben dem schäferhund bis fast nauplia, schlief alleine im zelt und träumte.
Übermorgen sausen sie durch athen über die akropolis und dann erneut die fähre, wieder auf dem oberdeck schlafen unter sternenhimmel auf der passage nach kreta ins zeltlager. Ich gönne ihr sehr diese schöne abenteuerreise und habe mir vorgenommen, eine ebensolche auch mal wieder zu tun. Sie will raus, weg. Aufauf in die welt. Und muss doch noch so lange schulewarten und „älterwerden“, ich glaube, sie ahnt schon und ihre ungeduld ihrem selbst gegenüber ist manchmal lustig im gespräch und ungespräch, dann grinsen wir gemeinsam. Ist aber vielleicht eine schlimme zeit, für sie, sich selbst hinterherhinken, nicht im kopf, sondern in dem, was die eltern hardware nennen. Besser so, als andersrum.
Mit der bettlerin, einer jungen frau, die sich geübt älter macht, wahrscheinlich aus südosteuropa, gekauertes kopftuch im bodensitz unmittelbar vor dem eingang zur kirche, hat sich mittlerweile ein wortloser und nicht unfreundlicher kontakt installiert, schnelle blicke und sonstige menschlichkeitswahrnehmung und das anfänglich gegenseitige misstrauen ist teilgeschwunden. Ich rauche stehend hinten an der linde, sie sitzt neben dem mäuerchen am portal im schneider.
Sonst gegenüber den kirchgängern – derzeit meist spanischen touristen – in ernstem ausdruck, lächelt sie mich mittlerweile an, wenn ich eine pause nach draußen einlege und an ihr vorrübergehe. Und ich sie ebenfalls, komplettkulturübergreifend, auch wenn ich mir natürlich jederzeit die geschichten von organisierten betteleiclans herbeiholen könnte. Ich bin ja nicht blöd, ich bin ja informiert. Aber was sollen immer diese informationen, die die alphaebenen unserer primären wahrnehmungsmöglichkeiten zudecken und in einen unguten angstschlaf hineinwiegen. Wie sie wohl lebt und wo? Jeder lebt eben so, wie er oder sie lebt, was will ich da urteilen, ausgerechnet ich.
Sie hat nun einen sehr offenen blick, plötzlich entspannt, voller ihrem alter angemessener sichtbarer lebenslust und wir grüßen uns jetzt sogar. Mit ihrem weissen kopftuch sieht sie ohnehin aus wie maria auf den wertvollen gotischen tafelbildern im kircheninnern. Natürlich habe ich ihr auch schon etwas gegeben, aber bereits zuvor bahnte sich ein fast familiäres umgreifendgefühl dem ort und seinen gegenübern heran, denjenigen menschen, die da eben derzeit sich irgendwie wiederkehrend aufhalten. Aus einem zunicken ist ein freundliches „Guten Tag!“ geworden. Auch ein nahender regen war bereits gemeinsam mimisch bedauert oder irgendetwas lustiges (zum beispiel „der arrogante Organist stolpert über die Kette zum Parkplatz seines von den Lindenläusen zugeschissenen Kfz…“) beiderseits und ohne handel, wies scheint, belächelt.
Jeden tag ist sie dann irgendwann weg. Wie ich ja auch jeden tag, irgendwann dann, weg bin. Alletage. Es ist ja immer auch wichtig, dass man irgendwann mal weg ist. Spiegel, überall.
Beim weinhändler – aus dem kreise des weinhändlers, der abends nächst der kirche verköstigt, ist jemand heute am nachmittag verstorben. RIP. /Das ist wie im weblog, da ist nichts virtuell, da ist alles real. Es gibt eben nichts virtuelles.
‚virtuell‘ ist ein Schmarrn, genau. Ick sitze jetzt doch hier und schreibe. Im Hintergrund plaudern irgendwelche Spanier. Morgen abend kommt die Tochter vorbei, gehen wir vielleicht auf die Pfaueninsel! Ist das etwa nichts?
nothing is sin. /und gruß an die pfaueninsel.
Lieblingssatz: „Es ist ja immer auch wichtig, dass man irgendwann mal weg ist.“ Hmm!
Harfe…. hm…. irgendwo sah ich neulich eine Windharfe (ja ja, ich bin mit dem Kopf schon oben an der Küste)
danke! dasein im wegsein imwegsein. himmel, ach wo! hmm! ;)
nein, das ist eine zum zupfen und zum alte irische wehmutslieder über hungersnot, brutale elfen, unglückliches verliebtsein, auswanderung, alkoholismus und zur see fahren und dabei kurz vor der heimkunft ertrinken in moll spielen… ;)
/viel freude und erholung an der küste!