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Staatsbier

sommer2010

die anzahl der seen eine unverschämtheit. Ein klima wie in den alpen auf 1000 metern, das nächste dorf in 12 km (und nicht etwa in 2), ab und an ein paar autos, deren fahrer es meist nicht nötig haben, dich zu bedrängen. Leere, weite. Und dann schon wieder ein see und diese schönen abgeschliffenen felsen, eine höchstsinnliche landschaft, die seele und alles andere kann man da bestens hineinschmiegen, auch sogar den geist. Den geruch von harz im näschen und in den klamotten. absolute stille, kein flugzeug und keine maschine, selbst nicht in weitester ferne. Eine unberührtheit, unversehens fällt mir die jugend wieder ein (immer, wenn’s schön ist in landschaftsprimärreizen, dann fällt einem ja die jugend wieder ein), wieso ist das alles hier so wie in längst vergangenen sommern mit wiegenden gräsern und getreide und großen horizonten. Waldameisen, überhaupt ameisen (dieser ‚organismus’), und dann die schlangen im see, deren abgestreifte häute an den weichen felsen. Wenig mücken, nicht so, wie alle immer behaupteten. Stattdessen junge füchse, hasen, rehe, wölfe, bären, vieh im wasser. Die sprache rau und lustig, wer „ä“ sagt und dieses a mit dem kringel darüber, der kann kaum böse sein. die wege wie durch ein gebirge, nicht höher als einhundert meter über der see, und man biegt um eine kleine ecke und dann stehen dort abermals die saftigen wiesen mit den meist roten häusern aus bullerby (eigentlich Sevedstorp). So ein wechsel in der sicht, ständig. Wie kann das sein, das beinahe mediterrane im sommer und im winter dann ist alles monatelang zugefroren und verschneit. Der freund in stockholm erwähnt den letzten winter, welcher mit dem ersten schnee am 17. Oktober begann und endete am zehnten mai, als der letzte weiße rest verschmolz. dem brot eines nördlichen discounters seien lichthormone zugesetzt, erzählt er (oder war’s die milch?) und seine frau will sich, nach fünf jahren jetzt dort, ein häusliches UV besorgen, vorsorglich vor dem nächsten (winter).

/mal wieder im wald die toilette müssen (ach ja, feuchtgebiete und stossgebote, etc.), besser als 10 situps am morgen. Dieses deutschland ist einfach zu voll, S erstreckt sich über eine fläche von A und D zusammengenommen und dort leben ca. 9,5 Mio einwohner. Schon D alleine hat rund 80 mio davon. Organismen! Ein koloss, Ein organismus, ein gedankenhaufen. Und so wichtig ist immer alles. natürlich ist alles auch wichtig, aber wieso: immer?

/tanken meist nur mit kreditkarte, die gastronomie rar, die schwedinnen oft blond, so wie in oberbayern. Und abends dann ein staatsbier (3,5%) zwischen grillen, die italienisch klingen, vorm sonnenuntergang, der keiner ist ein halbes jahr lang, das sollte man überall (so auch hier) einführen. das Staatsbier!

/der neue wagen hat sich höchstbewährt. Auch an den tempomat habe ich mich gewöhnt, der wurde ja schließlich erschaffen für die endlosigkeit. Demzufolge, das spirituelle kam nicht zu kurz. anders dagegen die geschlechtliche liebe oder deren vorstellungen angesichts jener landschaftlichen eindrücklichkeiten: WO überall könnte man hier liebe machen (menschenskinder!). Felsen, seen, boote, stege, wälder? Lichtungen, unter den augen der hirsche oder elchkühe, der mücken und ameisen? eine frage jedoch, die kaum gebührt, zudem zumal, wenn mit dem nachwuchs unterwegs.

/aber diesseits dessen: Der kirschkern jedenfalls will wieder da hin, schon im nächsten jahr. und dann gefälligst „bis zum polarkreis!“. einen vorsicht-elch-aufkleber haben wir jetzt hintendrauf, ein kleines muss natürlich. Und für alle in stockholm sich gerade befindenden hier noch der kleine hinweis auf eine kommende ausstellung des kollegen: ebendort.

/Lieber Kangoo-Grün, …

Im Sommer 2007 trennten wir dann auch die Konten und den Wagen. Das bedeutete für mich den Erwerb eines eigenen Kfz, den bisherigen behielt die Frau in finanzieller Verrechnung des Listenwertes. Dieser Neue war baugleich, gleich alt, jedoch etwas anders ausgestattet: Klimaanlage und Heckklappe, anstatt bisher geteilter Hecktüre. Außerdem die grünschimmernde Farbe, die nicht meinem Wunsch entsprach, aber ich konnte mir das nicht aussuchen beim neuen Gebrauchten. Der Kilometerstand lag bei 86000 km, zu bezahlen waren EUR 6300,00.

In jenem schwerwiegendem Sommer planten der Kirschkern und ich auch unsere erste „Kirschkern-Papa-Tour“. In der Verwandtschaft hatte es dafür ein schönes Vorbild gegeben mit einem Vater und einem Sohn, die – seitdem dieser Sohn sechs Jahre alt gewesen war – alle Jahre eine gemeinsame Reise unternommen hatten, dem jeweiligem Kindesalter angemessen. Ein sehr schönes Ritual. Der Kirschkern war in jenem Sommer 7 Jahre alt, wir lebten in Berlin und ich dachte zu diesem Zeitpunkt auch, dass wir dort würden wohnen bleiben, alle. Ich ahnte noch nicht, wie alles schon bald kommen würde.

Diese erste Tour dauerte 6 Tage und führte durch Norddeutschland. Wir beschlossen gemeinsam, nur im Auto zu schlafen, welches ich zu diesem Zweck ein wenig umgebaut hatte: Auf ein paar Plasikkisten im hinteren Teil hatte ich eine Schaumstoffmatratze gelegt, die das ausgestreckte Liegen einigermaßen bequem ermöglichte. Der Plan war, nach Gusto zu reisen, und – je nachdem, wie der gemeinsame Beschluss jeweilig lautete – nach rechts oder eben nach links abzubiegen, ganz spontan und nach unserem Belieben. Auf ausdrücklichen Wunsch des Kirschkernes sollten keine Bekannten- oder Verwandten-Besuche während der Tour gemacht werden. Sie meinte, damals schon und wie heute, dass man Besuche ja auch zu anderen Zeiten machen könne, aber nicht ausgerechnet dann, wenn wir uns auf unserer ‚Tour‘ befänden!

Seither also haben wir bereits vier Touren unternommen. Das große Zusammensein, das Beobachten der Veränderungen Jahr für Jahr und die Gespräche in der Mitte oder am Rande, die gemeinsamen Erlebnisse (oft Abenteuer!), ach, es ist das Schönste mit dem Kinde, gerade auch angesichts eines mittlerweile leider fehlenden gemeinsamen Alltags. Ich kann so etwas allen Eltern nur empfehlen.

Aber eigentlich wollte ich ja über den geliebten Kangoo-Grün schreiben.

Dieser nämlich hat alles mitbekommen in den letzten vier nicht unereignisreichen Jahren. Er hat mich und uns tausende Kilometer wohlbehalten immer dorthin getragen, wo es dann und denn gerade wieder hingehen musste. Ob von Berlin nach Nürnberg und dann, nach Arbeitswochen, am Donnerstag Abend weiter nach Tübingen, um am Freitag bereits nach abermals Freiburg im Brsg. zu fahren, zwecks Abholung der Kirschkern für’s Wochenende und folgender Rückfahrt nach Tübingen. Dies ab jenem Sommer 2009. Vorher hatte er uns mehr als anderthalb Jahre tägliche 140 Kilometer Schulweg gestattet, jede zweite Woche. Um zwanzig vor Sieben fuhren wir in Tübingen los, damit der Schulbeginn um viertel vor Acht erreicht werden konnte im Stuttgarter Westen. Ich fuhr danach retour und wenige Stunden erneut zur Schule, um dort den Kirschkern wieder abzuholen und das alles über eine alte Landstrasse (übrigens immer fast an Herrn Books vorbei…) voller unglücklicher Pendler mit oft selbstmörderischer Fahrweise. Das waren drei Stunden Schulweg täglich und nicht nur einmal war alles Leben knapp.

Was hat sich seine Windschutzscheibe alles anhören müssen, von innen. Vor allem in der Anfangszeit. Noch oft denke ich, auch jetzt noch und in fast schon schwarzweiss, wie hatte das alles nur so über mich kommen können. Ich war doch schließlich vorher immer selbstbestimmt gewesen.

Diese ganzen Momente der Ohnmacht also hast Du – Kangoo-Grün – still und wissend mitgetragen. Dafür danke ich Dir! Du hast uns nach Maloja, über den Splügenpass, nach Dänemark, nach Hodenhagen mehrfach (wie auch nach Walsrode), nach Flensburg, nach Skagen, unzählige Male nach Berlin und retour und in’s Fränkische sowie auf andere Baustellen und in’s Südbadische geleitet. Du bist mit mir – ganz neu in 2007, so plötzlich ohne Spätkauf – spätabends zum Zigarettenholen an eine Tankstelle gefahren, hast die alte Dame unzählige Male zum Arztbesuch chauffiert und Dich von schwäbischen Mardern anknabbern lassen müssen, von unten. Du warst in Beinwihl am See und in Ginsheim, in Hamburg und zur Messe in Köln. Und sogar in München. Die Auflösung des Ateliers-Nord hast Du miterlebt und Affen tanzten auf Dir herum, bevor jene Dir die Dachreling demontierten. Hunderte Male bist Du am dörflichen Pfarrhause vorbeigefahren, nach hie wie dort. Ungezählte Bilder hast Du transportiert, viel Schicksal und ebenso ein Meer von Gedanken der wichtigeren Sorte.

In dreieinhalb Jahren ritten wir gemeinsam über 120000 km und mannigfache Teilerneuerungen Deiner Gelenke, ich übernahm die Kosten per solo, aber das war mir wurscht. Dann, im März diesen Jahres, kam ich einmal mit dem Kirschkern vom Einholen heim und sie bemerkte beim Parken dort am Waldrand, dass Du qualmend am vorderen Ende rauchtest. Ich dachte zunächst, es sei die Servo-Pumpe der Lenkunterstützung abermals überlastet, öffnete gelassen den Maschinenraum und sah dann aber, dass es dort bereits brannte. Ich befahl dem Kirschkern lautstark promptes Aussteigen und weitmöglichstes Entfernen vom Geschehen, rannte in’s Haus, holte einen Eimer Wasser und löschte wie vor 1000 Jahren. Der Mann vom Abschleppdienst später sah sich alles an und diagnostizierte einen Brand der Kabel. Wir hätten Glück gehabt, weil man normalerweise nur noch zuschauen kann, wie alles ab- und ausbrennt, das würde in der Regel dann ganz schnell gehen. Noch tags zuvor waren wir unterwegs gewesen über die Autobahn, da wäre ein Löschen dann nicht mehr möglich gewesen. Danke also auch dafür, für Dein Zeitgespür. Überhaupt: Deine sanfte Empathie.

Der nette Libanese gab mir noch 400 für das Wrack. Immer wieder betonte er, dass Du bald schon ganz woanders sein würdest, nämlich in Afrika (…oder Asien). Alle meiner Hinweise auf dieses oder jenes Deiner Probleme tat er lässig ab, dies sei „künftig alles völlig egal“. Vielleicht wirst Du ja für eine Autobombe missbraucht werden wegen Deiner großen Ladefläche, besser aber, Du sitzt jetzt schon auf einem Schiff gen Senegal, Kenia oder Kongo zwischen heruntergefahrenen Toyotas, um schon bald Kinder oder Kartoffeln von hie nach dort oder vielleicht zur Schule zu bringen. Mit Kindern jedenfalls kannst Du ja gut und Giraffen und Löwen kennst Du bereits aus Niedersachsen.

Gerne wären wir mit Dir auch in diesem Jahr gefahren, nach Hochnorden, aber das sollte dann wohl nicht mehr sein. Wir machen das jetzt eben mit Deinem jüngeren Bruder, in Weiss. (Arctic-Weiss). Bären und Elche wollen wir sehen, und Wölfe vielleicht auch. Heute geht’s los, und wir werden Dich gewiss NIEMALS vergessen, mein lieber Kangoo-Grünmetallic. Versprochen!


Bildteil/Pfiff:

mama_papa_2007
(alles neu: links Mama, rechts Papa, 8/2007)

schnitzenwalsrode_2007
(Abends Schnitzen in Walsrode, 2007)

lueneburger_heide_morgens_2007
(Lueneburger Heide, Kirschkern schläft aus, 2007)

salem_2008
(Abend nächst Schloss Salem, Bodensee, 2008)

atelier_nord_passee_2009
(Fin d‘ Atelier-Nord/Schönebg., ggü. Jansenbar/Lilo-Leopard, 2009)

roemoe_2009
(Römö (DK), Marienkäfer/Orange, 2009)

hodenhagen_2009
(Safaripark, Antilope, 2009)

neukoelln_2009_dez
(Neukölln, Selchower Stübchen, 2009)

tour_2010_FR
(Frisbee, Fliegenklatsche, Freib./Brsg., 2010)

roemoe_2010
(Römö, 2010)

blockhues_2010
(Schlafplatz, Blockhues (DK), morgens 2010)

leseplatz_ukleisee_2010
(Leseplatz Ukleisee, „Wenn der Windmann kommt“, 2010)

blitz_oranienburg_2010
(Kurve via Oranienburg – HH, Geschwindigkeitsproblem, 2010)

das_letzte_foto_2011
(das letzte Bild: Autohaus, TÜ 3/2011)

—–
usf. /Leb‘ wohl!

8

sonnenuhr1
(Abb.: Sonnenuhr bei Sonne, 19.7.2011)

„VIVERE DISCE, COGITA MORI“ („LERNE ZU LEBEN, GEDENKE DES TODES“). Dagegen heute also Regen (wie in „7“, aggressiv, beinahe bedrohlich in seiner Unaufhörlichkeit), eine Ex-missGermany auf dem Gerüst und endlich: den kleinen Hubbel in der rechten handfläche neben der Lebenslinie gibts nicht mehr, ich habe das jetzt erfolgreich weggeknibbelt bekommen, diese LETZTE scherbe, die ich mir 1990 in Vác am Donauknie hineingerammt hatte, als ich über einen ostblockbordstein stolperte mit zwei Sprudelflaschen (jaja, seinerzeit Glas), je eine in jeder hand und nach dem Krankenhaus aussah, wie ein versuchter Doppelselbstmörder mit den verbänden an beiden handgelenken. wie war mir das peinlich gewesen damals beim ersten Bier danach, abends, aufgrunddessen zurück in Wien. (immerhin konnte ich knibbeln, alle Jahre lang.) ein paar monate später kam die Rechnung: für sanitätskraftwagen (Barkas/Blaulicht) und notwundbehandlung incl. Nähen, Betäubung und Tetanus 79 Mark (quasi EUR 39,50). war ein Schnäppchen! /also:

/sonnenuhr (diese.)
/solo in mannheim, Dezember
/sorge, lieblingsonkel
/schweden. noch 1 woche hin.

5 schwedinnen in oberbayern. hr.

die Erdinger (‚Monika‘?)

(für M., Goslar 16.7.1992):
___
Deine Hügel in Quedlinburg
deine Täler in Homburg/Saar
– wie es immer war.

Dein Wasserfall in Konstanz
dein Knie auf Wangerooge,
ich war Meeresbiologe.
Der Geruch deiner Loge,
deine Penetranz in Konstanz
(neben der Birnauer Monstranz).
Wie immer es war.

und-oh ja:
Deine Äpfel in Birnau
deine Birnen in Plön
ich finde sie immer
und überall schön.

Deine Fesseln in Ribbeck,
deine Grübchen auf Föhr-
erwecken mir Lust auf Eier
vom Stör; dein Haar in
Bad Buchau, dein Po in Bad Boll
ich halte beides seit langem für toll.
– Und bin ja – so voll.

Dein Kettchen am Fuße
dein Ohrring in Mainz,
dein Bettchen in Frankfurt
gleich Oder ob Main.
Dein Leibchen soll mir Schabracke sein,
ich war Meeresbiologe.

In Duisburg dein Stöhnen
an der Weser dein Schrei
dein Gurren in Hamm,
ach Liebste, Wo – ist mir einerlei!

Dein Küssen in Geesthacht
dein Finger bei Porz.
Deine Blicke in Spandau
(ich war Meeresbiologe)
gute Nacht. Genau.


Fundstück (Handschrift), Erding 1998; sog. „Kramer’sches Palais“ (Erb. 1602), Fehlboden 2.DG Süd

nein.

ein sehr schönes fest, marke ‚haus am see‘ („die mamas kochen und wir trinken schnaps…“), warm, grill, gute laune, dampf, wohlsein, sosein, Lassen. hinten woanders ein geräusch von klirrenumfallenverschüttenglas. kind (knapp 3) kommt in küche. mutter fragt: „und? hast du was umgeworfen?“ kind: „nein.“ mutter fragt: „und, ist dir was umgekippt?“ kind: „nein.“ die mutter trocken und wohlwollend: „und? soll ich dir das glauben?“ kind: „nein.“ /ach ja, so ist das schön! ein nein so ganz ohne ausrufezeichen. heisst ja fehlen von angst. so muss man das hinkriegen, so soll’s sein.