Heute die Badwände von den restlichen Fliesen befreit. Sowie die Bad-Decke von den Nut- und Federbrettern. Das Wasch- und das Zahnputzbecken haben Salman und ich schon neulich abgebaut. Der große Badspiegel steht in der Garage, die Lampen habe ich heute ebenfalls entfernt. Vormittags war der Elektriker hier, um ein paar heikle Dinge abzuklemmen. Es soll ja niemand beim Rückbau ums Leben kommen. Das noch verbliebene Türfutter der Küchentüre ist ebenfalls entfernt. Die schöne Durchreiche mit den Riffelglasscheiben zum Verschieben steht schon seit Wochen beim Bauschutthaufen bzw. beim Holzabfuhrberg im Vordergarten. Den alten Herd habe ich in den Garten gestellt, in die Ecke für die Elektroabfuhr. Der Kühlschrank steht seit heute Abend auf der Terrasse. Was noch ausgebaut werden muss, ist die Spüle aus deutschem (und noch nicht chinesischem) Edelstahl. Schon bei der Wertschätzung des Hauses vor anderthalb Jahren staunte einer der drei sachverständigen Gutachter, ein alter erfahrener schwäbischer Haudegeningenieur, hinter seiner Erstwellen-Maske nicht schlecht über die Ausmaße dieses Stückes Metall, „… Mensch, eine Metallspüle, so lang, und an einem Stück! So was gibts heute gar nicht mehr!“
In jenem Badspiegel habe ich mir einst meine irgendwann sprießenden Achsel- und sonstig plötzlichen Haare leicht verschämt und geheimneugierig angeschaut. Deshalb heißen sie ja auch „Schamhaare“, sie könnten aber genauso gut auch „Neugierhaare“ heißen. Und den ebenfalls flaumenden rotblonden Bart. Mit dann ersten Gesichtsrasurversuchen unter der Anleitung eines lieben Onkels, der Vater war ja nicht da zum Zeigen, da gestorben. In dieser Badewanne, die demnächst mit Schwergerät ausgebaut werden wird, saß ich einst auch mit der G., als die alte Dame einmal länger verreist war. Wir lachten die ganze Zeit etwas schüchtern im Übersprung und rauchten, bis der Aschenbecher ins schon nur noch lauwarme Badewasser fiel. Wir mussten noch viel mehr lachen, zogen uns daraufhin schnell an und fuhren mit der Vespa in die Stadt, um ein gemeinsames Bier zu trinken, was uns viel vertrauter war, als nackt gemeinsam in irgendeiner Badewanne zu sitzen. Im Bad war es auch, wo in der Vorsterbezeit der alten Dame, noch nicht allzulange her, ungeheuerlich schlimme Dinge sich abspielten, die man nicht mehr erzählen mag und muss, noch geschweige an sie denken oder erinnern. Der alten Dame würden diese ganzen Aktivitäten jetzt bestimmt gefallen in ihrer zeitlebigen Neugier. In ein paar Tagen schauen Frau Mullah und ich uns moderne Badarmaturen und zeitlose Keramiken an und treffen Auswahl. Was aber bleiben wird, ist der schöne Kunststeinboden von 1964, über den der künftige Fliesenleger ja bereits sagte, ähnlich dem Sachverständigen in der Küche: „Mensch, den haut ihr aber nicht raus, oder? Den müsst ihr lassen, sowas gibts heute ja gar nicht mehr!“
Durch die Durchreiche der Küche ins Esszimmer, deren Schiebefenster aus Riffelglas nicht stets beidseits geschlossen war, sprang auch einst der liebenswerte Boxer Andor von Lampertsrück (1968 – 1981) in einem hohen sehr virtuosen Satz, nachdem es ein versuchter Brauch geworden war, die Aktivitäten des jungen Rüden vormittags, wenigstens während der Halbtagsbrotarbeit der alten alleinerziehenden Dame und meines Grundschulbesuches, für vier Stunden lang in der Küche zu bannen und zügeln. Nie vergessen werde ich seine – Andors – Freude über diese Überlistung seines Frauchens und mir, als er dann, wir wollten gerade das Haus morgentlich verlassen, schwanzwedelnd uns bestgelaunt hinterher rannte. Ich mag Boxerhunde wirklich sehr. Einige dieser gelben Fliesen werde ich bergen und zur ggf. zeitnahen Neuverwendung lagern. Vielleicht ja partiell schon bald in der neuen Küche. Auch die architektonisch begutachtende Sachverständige aus dem vereidigten Bewertungsteam meinte vor anderthalb Jahren übrigens, noch mit handgenähter Stoffmaske, wenn ich mich recht erinnere, über die gelben Küchenfliesen: „Mensch, diese Fliesen, diese Farbe! Dass es sowas noch gibt! Sowas gibts ja heute gar nicht mehr!“