friedrich, das fliegerchen, hat mir (mit pausen) notiert, auf einem blatt/fax, auf dessen rückseite schuhcreme und elektrischer weihnachtsschmuck angeboten wird:
„…könnte das ende einer schlechten serie sein. es ist ja jetzt, so aufs jahresende, auch zeit, das zu tun. die letzten eindreiviertel jahre waren, ja, was waren sie denn jetzt? wahrscheinlich over-fourty geschichten eben. zunächst ist der vater meiner frau gestorben. obwohl er eigentlich noch richtig wach war. er hätte noch so viel erzählen können. (pause). dann hat die mutter eine zehe amputiert bekommen. sie hatte eine blutvergiftung, einen eitrigen klumpen am ende des beines. und gleichzeitig eine allergie auf antibiotika. (pause). dann hat sich beim jugendfreund ein herpes-virus ins hirn verirrt. das macht der virus einmal bei zehntausend jugendfreunden. der eine hat glück gehabt. achzig prozent seiner kollegen überleben das nicht oder sind blöde danach. (pause). dann hat sein bruder einen krebs bekommen. habe ihn zum letzten mal besucht im november nullfünf, in bremen, da war er sehr zuversichtlich. er ist immerhin schütze. (pause). habe mich, während der schwiegervater starb, von der galerie in frankfurt getrennt. habe in der folge alles versucht, eine neue galerie zu finden, und jede menge wettbewerbe mitgemacht. nur schrott kam zurück, eine absage nach der anderen. umso mehr absagen, umso mehr habe ich angeleiert. es war: verhextes nichts! trotz daimler-chrysler. habe auf ein bild „abmelden“ geschrieben. zwei monate pause, letztes jahr um weihnachten, SCHNECK, du weißt, was das heisst?! im januar nullsechs hat sich dann der andré erhängt, in seinem atelier. er hatte immer gesagt: „ich mache lieber zugeständnisse an einen wochenmarkt, als zugeständnisse an den kunstmarkt“. er hat maroni verkauft, und ich habe mir hundertmal überlegt, wie man sich erhängen kann, ausgerechnet erhängen? (pause). im juni ist der bruder dann gestorben. die uneinigen eltern haben uns unser UNS geklaut, damals. seine lieben haben ihn in einem friedwald begraben. wieso hat er eigentlich keinen normalen grabstein bekommen? nicht einmal im tod haben sie ihn normal sein lassen. (pause). und über das alles ist mir sogar der sex verloren gegangen…“
ich steck den zettel weg und die rosenrote fällt mir ein, mit ihren theoretischen abhandlungen über offene beziehungen: die eigenen gefühle, sie sind doch wohl im leben letztlich VOR ALLEM eines, nämlich fremdbestimmt. denke ich unterm tisch nach diesem jahr. friedrich jedenfalls hat jetzt zwei galerien, das durchhalten hat gelohnt. und die wunden wird er sich dann an seiner flachware ablecken können. ich entlasse also friedrich, die rosenrote und mich, und bestelle noch einen SCHNAPS, den ich mit meiner frau und klaus, dem fotographen (denen ich das eben alles vorgelesen habe), zum wohle friedrichs kippe. wir sitzen in der jansenbar und wir werden noch viel zeit haben, behaupte ich mal. auch hin zu friedrich.