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hastewas/denkstefrech

„deutsche gesellschaft für…“ undsoweiter. da DENKSTE doch erstmal an wissenschaft, humanitäres, meinetwegen wirtschaftliches, auf jeden fall aber an irgendetwas ehrenwertes, mindestens zum teil auch staatlich und allgemeinwohlig gefördert. denkste. neulich morgens, auf dem weg zur schule in vornehmerer gegend, da hält neben mir an der blutroten ampel ein silbermetallischer scheibengedunkelter und fast breitbereifter VAN. auf dessen glänzenden flanken steht in edler hellgrauer serifenschrift ganz frech, dezent und auch für den hartz4-empfänger verständlich und seriös präsentiert: „deutsche gesellschaft für EIGENTUMSSCHUTZ“.

eine rumpelnde rotphasenahnung beschleicht meine präge-prä-grünphasensynapsen, welche nun unherbeigerufen beginnen, immer schneller im revolutionsorange zu blinzeln. nein, ich habe nichts gegen eigentum, immerhin gehört mir der freche wagen, in dem ich da sitze. ich habe auch nichts dagegen, daß zur begründung von preiserhöhungen in der ehemals öffentlichen versorgung oder der verteuerung von nunmehr privatisiertem allgemeingut immer öfter die „attraktiven“ dividendenerwartungen der aktionäre ganz offen und als darob selbstverständlich notwendig erwähnt werden.

nein. aber dennoch, urplötzlich erruptiv – die tochter erinnert mich gerade daran, daß die ampel soeben unseren weg freimacht und auf gelb MARSCHIERT – empfinde ich mich und meinen bescheidenen kosmos als dann doch auf unerklärliche weise seltsam höchstausgegrenzt und erwäge sodann, dem VAN noch hinterherstarrend und mit frechen lauten hupen und hörnern im rücken, ganz spätpubertär und frühsenil bedroht womöglich doch auch einmal wieder ganz frech irgendetwas ganz weit linkes anzukreuzen, an der nächstbesten schmierigen urne.

zurück in der heimischen strasse. da filmen sie gerade den neuen til-schweiger-film, im schon lange sozial- oder unbewohnten abbruchhaus über der eisdiele „eisflocke“. im dritten stock, dort, wo der putz von den wänden fällt und wo sie vor einem jahr den frechen toten roten rentner herausgeschält haben. irgendeine verratzte WG-szene muss das wohl sein. oder ein freches sozialromantikdrama für solvente cineasten. massenweise maske sowie ein deep-schwarzer cateringtruck haben für die nächsten tage platzgenommen und die stellplätze der halben strasse belegt. kaum um die ecke übrigens hat julius leber gelebt, bis zu seiner frechen ermordung.

beim falschparken überlege ich noch so ein wenig und ein bisschen an den mobilen halteverboten herum, denn früher galt ja die gute kinderstube als konservativ. könnte es sein, dass jene nun beginnt, nahezu ausschließlich als postpostrevolutionär sich wertewandlerisch zu verunklären?

irgendetwas stimmt da doch nicht, an dem allem. aber höchstwahrscheinlich stimmt, alles in allem, denn dann doch wieder alles.

tierewerfen

glatteis

das neue spiel „tierewerfen“ ist ähnlich einfach wie das taxispiel. statt taxis benötigt man die lieblingstiere. diese wirft man dann von der einen ecke des zweiten neuen zimmers in die andere. zuerst susi, dann knut, dann maule und dann serengetina. und dann wieder von vorne. das macht spaß. spaß macht auch die neue endlose rennstrecke durch den echten wald. aber auch im wald scheissen die hunde mittlerweile in den wald. die blaue vase von otto lindlau steht jetzt unten im einbauregal. der eine opa hatte sie auf ausflügen ins umland als fehlbrand dem meister selbst gar günstig abgekauft, im offenen horch auf dem heimweg. der doc wirft die arme hoch auf die frage, wie es ihm geht. „sau gut!“ sagt er, „seit gestern geschieden!“. die kleinen teile im bauch sind weg und masturbieren sei gut für die prostata. „na dann los!“ sag ich. spaß macht auch das echte glatteis. man braucht noch echte winterreifen, vor allem auf dem neuen schulweg. und alles bewegt sich so unglaublich langsam. ein salat auf dem teller kostet einen zehn euro. es gibt keinerlei radio, anstatt dem radio nur scheisse, außer der klassik, wenn man hier wohnt, dann muß man eben klassik hören. dem monteur erkläre ich, wie er reparieren soll, er schickt die rechnung, sagt er. die tochter wartet allein, aber immerhin gut verwahrt in einer kleinen hängematte, keine anderen kinder sind mehr dabei freitags. statt dessen mögliches sponsoring von ritter-sport, pustefix, wmf und märklin. kein staub, kein rost, selbst nichts an flugrost, nicht einmal sieben mühlen im siebenmühlental. und keine ida kerkovius nunmehr, keine ackermänner, alle weg im gelben westerwelle-kernland. raiffeisen mit noch echtem panzerglas und zigarettenholen mit dem pkw, die brezeln und laugenwecken dann auch mal mit dem fahrrad. die damen bei raiffeisen kennen deine kontonummer auswendig, wie alle guten menschen, ob jung, ob alt. das behördengehen andauert fünf minuten anstatt dreier stunden. die schulen sind gut (sehr gut), wenn sie nah (sehr nah) sind. ebenso wie die vertrockneten wohnungen. kriterien gehören eben genau dorthin, wo sie sich hingedreht und gedroht haben. hier im kernland schaut man noch den tatort und schickt deshalb und beizeiten die kinder ins bett. die witterung muss sich den straßen anpassen und nicht etwa die straßen der witterung. die tochter meint: „he vater, ich habe jetzt einen nachteil und einen vorteil!“. und während sie mir das erklärt könnte man dann zwischenzeitlich einen bleistift quer nehmen und das eigene profil von oben nach unten hin abfahren, bis unter das kinn, mehrfach und langsam. dann wüsste man alles, ohne noch einen kreis mit strassenkreide aufmalen zu müssen. eine echte richterin benötigte dann auch gar nicht erst eine episode mit glatteis: tierewerfen eben.

haidjer

dem herrn schmidt seinen dackel haidjer kann man nicht nur gut lesen, sondern auch gut lautlesen, vorm einschlafen. niedergeschrieben von herrn bruno nelissen-haken. und nicht und so garnicht schlecht. wieso kommt mir da jetzt der walter serner mit seinem blauen affen in den sinn? weil widerum derjenige mit seinem freund christian schad in ebenjenem blauen affen saß, auch mal damals. wir saßen dort auch schon einmal, zwomal, erinnerst du dich? mehrmals deckelnd. aber im geiste gewiss ohne deinen oder meinen dackel: haidjer. denn der wird künftig daheim schlafen auf dem sofa. du hast mir damals zwei mark in die hose gelacht unterm tisch, mit deinem einen manikürten pfötchen. wolltest aber vierzig für deine neue sachlichkeit. und wieso jetzt auch noch die geliebte tigerin, als raketenvorwurf? nein, SIE hätte zwanzig gewollt, für ihren dackel allemal, aus der dackelkasse. und schweigend würde sie sich ausführen, hinein in die hasenheide mit ihren wäldchen und eine, deine neue welt. nicht so aber du. der arme hund, vorm einschlafen: er hängt, aber wen kümmerts?

fast

den wagen voll mit süddeutschem müll nach norden. ich sollte eine geschäftsidee daraus machen. oder dort, im süden, müllberater werden. bei hof kippt mal wieder ein laster um. die tochter sitzt vorne, versorgt uns mit brezeln und liesst hanni und nanni, sammelband vier. noch fünf geschichten bis hirschberg. in hirschberg darf man noch rauchen zum kaffee, wahrscheinlich wegen der wiedervereinigung. in hirschberg sagt die klofrau jedesmal danke, wenn man pinkeln geht, wahrscheinlich wegen der wiedervereinigung. dafür will sie dann fünfzig cent. auch so eine geschäftsidee. aber eigentlich ist mariza im wagen. mariza, die hüsche hortbetreuerin, die sich die schwarzen haare nach hinten streicht und mir dabei ihren weissen hals zeigt, die ERRÖTET, während sie mir den roten kugelschreiber reicht, die aufs runde bürodreibeinchen steigt, um die kinderwunschformulare herunterzuholen, ach wie gerne hätt ich sie aufgefangen. die mir viel glück wünscht und mir einen platz freihält in ihrem körbchen. auch so eine geschäftsidee, die mariza. die tochter sagt, ich soll die haare wieder ganz kurz machen. die oma sagt, ich soll das nicht tun, denn auch sie sei mal eine frau gewesen und wisse um die macht grauer schläfen. graue schläfen, noch eine geschäftsidee. der tierarztfreund sagt, wir alle machen mit der kohle irgendwas falsch, chiropraktik für hunde. das würde selbst seine schöne anwältin sagen. sie habe einen vergewaltiger mit migrationshintergrund rausgehauen, fast. dann wollte die verwandtschaft nicht bezahlen, weil ja nur ‚fast‘. seither hat sie angst, obwohl sie nichts verlangt hat, nicht mal fast. wir sollten uns alle treffen jedenfalls, um nachzudenken. werde natürlich hingehen, allein schon wegen der schönen anwältin. es ist dunkel und schon im fläming sieht man den orangenen schein über den rehen. ich sag der tochter: he tochter, siehst du diesen schein über den rehen? der ist ACHTZIG kilometer entfernt, aber das ist die stadt, unsere stadt! die tochter sagt: he, kann grad nicht, ich lese hanni und nanni! der vorteil des neuen wagens ist, daß er neben klimaanlage, elektrischen fensterhebern, klappfenstern hinten, ablage hinten und zwei seitlichen schiebetüren auch eine leselampe hat, für vorne. prima geschäftsidee. die tochter will noch einen halben erwachsenenkaugummi, auf der avus bereits, noch drei geschichten hanni und nanni, aber bitte die größere hälfte. ich denke, ich sollte mit mariza und der schönen anwältin schleunigst über die alpen fahren. auch so eine geschäftsidee. allein schon wahrscheinlich wegen der wiedervereinigung.

indianerbagatelle

mit nennonkel jespersen noch eine nächtliche stadtrundfahrt. er kommt mit seinem DS vorbei, pumpt sich hoch und wir ziehen los. rauchend, gleitend. ich mochte ihn. auffallend immer schon seine besonders schlechten zähne, in einer zeit, in der viele zähne ohnehin schon schlecht waren. es ist november und er zeigt mir die stadt bei nacht. viele lichter, dann rote lichter und auf sankt pauli mal einen kontakthof ansehen. mich interessierts, bin ich doch in ländlicher initiation. später bei ihm, er jenseits bier, ich diesseits bier, am couchtisch. er packt plötzlich seine hose aus und grinst mich am fleisch in seiner hand vorbei an. vor fünf minuten hab ich noch im wald gespielt. „nein, nicht was du meinst…“. aber ob ich mir denn nicht manchmal mit freunden gemeinsam und so weiter. verneine und wappne mich gegen ermordung. er kommt um den tisch herum und will fummeln, greift mich am arm, er FASST mich an. er, der segelonkel, uralter freund meines lieblingsonkels. ich stoß ihn weg, plötzlich offensichtlich erwachsen, sehe schlitze oder das, was folgen mag, keine ahnung. habe vor zehn minuten noch indianer gespielt. er geht aufs klo. nach abermals zehn minuten die tür, er lächelt entspannt erleichtert. „ich möchte jetzt gehen…“ sag ich und sehe messer in der luft. „ich bring dich jetzt mal besser nach hause…“ sagt er. fährt mich zurück zur omi, zu meiner grossmutter. gedroht hat er mir nicht mehr. beim aussteigen und abpumpen sagt er nur noch, dass ich das niemals niemandem erzählen soll. natürlich würde ich das tun, das war der einzige gedanke damals. bin froh, dass ich alt genug war. letztlich lapalie. anders, als bei der kleinen schwester, jahre später im feuchtwarmen singapur. die war jünger und sie hat pech gehabt. und warum mir das jetzt gerade einfällt? weil bald eine messe ist, in köln, die ich besuchen werde. und das paar aus fernost damals, die wohnen schon länger wieder nächst köln. und schließlich kommen mir dabei die indianer wieder in den sinn.