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Was es festzuhalten gäbe, festzuhalten wäre und was sonst noch so gewesen wäre, wenn. dauert eine zigarette. da war die eigentlich angestrebte erwerbsarbeit im frühjahr, die sich leider zerschlug terminlich wegen asbest. einem asbest, der schon bekannt, aber dessen professionelle entfernung nicht passend zu anderen erhaltenden arbeiten seitens der planenden eingerechnet worden war. was aber wiederum auch gut war, jedenfalls einerseits, denn so war zeit und platz für eigenleistungen bezüglich der renovierungen am waldrand angessichts des bevorstehenden einzuges ebenda. so konnte geld gespart werden, welches sich jedoch nur theoretisch und gesamtrechnerisch anhäufte. nicht jedoch als reales DING auf dem konto. und so laufe ich nun hinterher, arbeitenderweise immer noch, in fernen gegenden einer alten reichsstadt von vielen. eine durchaus interessaante arbeit, sogar sehr schön. aber weit weg von daheim, wie ganz damals. allzusehr hatte ich mich schon ans abendliche heimkommen gewöhnt in den vergangenen jahren. und nun seit acht wochen im hotel, im hotel-hotel, in gästehäusern oder monteursunterkünften, die sinngemäß „alter landsknecht“ oder „haus monika“ heißen.
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monika ist selbstauskünftig über siebzig, kam vor dreißig jahren „wegen der liebe“ aus der ostzone hierher und hat im frühstückszimmer ihr damaliges DM-begrüßungsgeld in einem kleinen rähmchen aus tropenholz aufgehängt. schräg unter einem den gesamten raum beherrschenden malerischen großportrait des reichskanzlers bismarck. und wie sie das wort „judengasse“ betont, wo sich meine derzeitige brotbaustelle befindet, in der ich gerne arbeite, das ist schon speziell. „ach, und heute gehen sie wieder ins JUDENHAUS?“ fragt sie mich hundert mal in delikater unterbetonung. „ja!“, sage ich nüchtern, langsam und laut, ahnend, und kotzend. hundert mal. nebenan schnarcht am morgen noch ihr armer alter mann im pflegebett, könnte gewesen sein ein schlaganfall, so wie er sich bewegt. bevor der pflegedienst kommt und scheu guten morgen wünscht. wahrscheinlich ist sie stolze reichsbürgerin, wählt afd und mag keine ausländer.
im „alten landsknecht“ gibt es abends – mit prozenten für hausgäste – gammelfleisch mit pusztasoße und matschkartoffeln balkan-style für eur13,90. (dafür das glas weißwein für wenige eur3,90). das betreiberpaar ist nett und mittelalterlich, ungarischstämmig und auch sehr bemüht. im souterrain gibt es ein durchorganisiertes frühstück, die farbigen kalteier sind vom discounter über die straße, ebenso die brötchen, die ausschließlich mit der jeweiligen am vorgesehenen tisch liegenden greifzange aufgenommen werden sollen, nicht etwa mit den fingern. die brötchen ok, die marmelade aus kleingebinden vom großfachhandel. die betreibersfrau beklagt deutsche vorschriften, wonach im keller warme küche, also frisch gekochte eier, aus brandschutzgründen verboten seien. nein, alle geben sich sicherlich mühe. jeder tut in diesen zeiten, was er kann.
ich gebe mir auch mühe und tu in diesen zeiten, was ich kann.
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mit frau mullah über die streuobstwiesen gelaufen, schon oft jetzt dies jahr, sommer, flimmern über korn. hasen, rehe, sonstwas, blicke auf die blaue mauer in der ferne. es ist so schön hier, wunderschön. und dann hängt da einfach so ein BH am apfelbaum, streuobstparadies. zurückgelassen warum auch immer, wahrscheinlich eher ein positiv lebensbejahender anlaß. in dieser jahreszeit fand ich auch schon öfters in den letzten zehn jahren beim rennen mitten im wald irgendwie sich entledigte unterhosen, meist weiblich und oft ein wenig schwarze spitze. solch frischverliebte sachen in der luft und der begleitend unterstützenden vegetation, die ja eher etwas mit üppigem leben, denn als tod zu tun haben. unbändig, so kommts mir vor, ich freue mich jedesmal und altersweise über solch viel saft und hoffnung am rand der wege.
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die holzbauer am waldrand sind am installieren der unterkonstruktion für die neue außenverschalung. der elektriker muss noch kabel ebenda außen verlegen. ebenso sollten die haustechniker endlich den frostsicheren außenwasserhahn zur gartenseite vorbereiten. sobald dann das gerüst abgebaut ist, können die weiteren bodenisolierungsarbeiten in den angriff gehen. bislang kann man wegen des gerüstes dort nicht mit spitzhacke und spaten tätig sein. und jetzt kommt ja auch die urlaubszeit, die sog. „bauferien“. der flaschner muss dann auch rechtzeitig noch die fallrohre installieren. und ich den ortgang streichen, solange noch das gerüst steht. das wetter ja derzeit seltsam, starkregen und gewitter, und vergleichsweise kühl seit 5 tagen, für sommer. eine bauinschrift muss noch angebracht werden, solange noch das haus unbedeckt. vielleicht ölkreide und „Renov. 2021-2024“, ggf. initialen oder ganze namen. wie kindisch aus heutiger sicht. aber den restaurator freut`s in 300 jahren. ich weiß, wovon ich rede.
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langsam neigt sich minus. arzttermine und kfz-inspektion. haut und augen sollten auch mal wieder. zwei beteiligungen an ausstellungen im herbst, über die ich mich sehr freue. öfters wieder im atelier nun. endlich! die eine ausstellung heißt „Grenzen der Aufklärung“. das gefällt mir sehr. die andere heißt „Interessante Zeiten“. auch das mag ich. zudem ggf. ein neues betätigungsfeld innerhalb dessen, was mein leben, meine leidenschaften mitsamt herzblut sowie meine diesbezgl. fachkenntnisse übergreifend universal ausmacht. das wäre schon schön, sollte man da zusammenkommen. bald weiß ich mehr. brombeeren hat es einige, aber die reichen nicht für marmelade derzeit. quitten sehe ich am baum, aber auch da muss man erst einmal abwarten. zu viel regen, schimmel macht sich breit auf den früchten. wie gerne hätte ich jetzt schon zeit für das anlegen von beeten. oder das mauern von hochbeeten. steine und mörtel sind reichlich vorhanden, nicht aber die zeit. das kommt dann alles im nächsten jahr. heute die hecke fußwegseitig öffentlich beschnitten, damit keiner meckert. den beschnitt der hecke von der rückseite her gartenseitig wieder der hecke zugeführt. das sind schöne dickichte, die igel freuts und andere lebenswelten auch. eine stets sich verändernde gestaltung unmittelbarer umweltlicher forderungen, denen ich mich gerne und flexibel unterordne. ab und an aber auch meinerseits ein statement, mit kettensäge, dialogisch: JETZT IST aber SCHLUSS, mit wuchern!
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als ich gerade geboren war nach acht, nicht neun, monaten im bauch, so erzählte es mir die alte dame oft, da wurde ich immer dünner im klinischen brutkasten und mit künstlicher babynahrung, die ich nicht wollte. irgendwann dann meinte wohl eine ältere hebamme zu meiner mutter, sie würde das nach dienstschluss, wenn keine ärzte mehr anwesend wären, einmal heimlich probieren mit dem altmodischen stillen am tatsächlichen mütterlichen busen. das hatte dann tatsächlich funktioniert und ich habe fortan getrunken, was das zeug hielt und so konnte ich freudig ins künftige leben überleben. wahrscheinlich deshalb mag ich BHs an irgendwelchen bäumen.
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irgendwo tief im wald muss ein rave oder eine heimlichparty sein?, bässe und schlagzeug über baumspitzen. oder ein kleines „festival“ im ammertal. ich trete hinaus aus dem atelier ins GRÜN, es fängt grad wieder an zu regnen jetzt, sage dem kleinen mäuschen gutenacht, welches so unbedacht und leichtfertig gestern über die staudenreste holperte vorm atelier am hellichten tag, kugelrund und ohne angst vor fressfeinden oder mir. trete also vielfach salutierend vor den sterbenden buchs, die glocke mitternacht, morgen ist sonntag.