Anlässe, Anlässe. Für alles gibt es ja immer genügend Anlässe. Manchmal langweilen mich Anlässe unendlich. Einen Knopf habe ich nun endlich angenäht, nachdem die schöne alte Lederjacke zwanzig Monate unbenutzt herumgelegen hatte. War nie dazu gekommen, den einen Knopf anzunähen. Es gab offenbar keinen Anlass. Ich erwarb sie vor Jahren in Rom/Trastevere auf dem Flohmarkt an einem Lederjackenwühltisch, im vollbesetzten Bus auf dem Weiterwege griffen die Ekeldiebe den Frauen in den Schritt und zogen gleichzeitig Geldbörsen. Ich erinnere ihre grinsenden Gesichter ob dem Aufruhr im Bus, bevor sie erfolgreich ausstiegen. Und fragte mich schon damals, ob nicht eine Schweinerei genügen könnte und warum sie das alles auch noch gleichzeitig machten. Wahrscheinlich war die Empörung der Frauen ein gewollt ablenkender Anlass, besonders geschickt an die Geldbörsen der die Frauen beschützen wollenden Männer zu kommen.
Ein Bett gekauft ohne direkten Anlass fürs Atelier-Nordost, das erste in meinem Leben, den Kippenbergerac in Exhibition mir angesehen und jene weiterzuempfehlen -beschlossen, meinen Gasometer besucht und mit ihm getuschelt übers Wetter, den Fortgang des Lebens und unsere Wertschöpfungen. Er findet es manchmal etwas komisch, was allsonntagabendlich nun in ihm stattfindet, ich rate ihm aber zu, das weiterhin zu tolerieren (Wertschöpfung). Er hingegen rät mir zu größeren Formaten und einer Berlinrückkehr, was ich freundschaftlich rundumbelächele. Wie immer ohne direkten Anlass.
Ein bisschen diese Gentrifizierung vorbeiflanieren und fortschreiten lassen, Hüte und Bärte immer noch. Immer noch lauter kleine Tom Waittse, jedoch mit weniger Kehlkopf. Spanisch, englisch, litauisch, italienisch, eigentlich sehr schön. Alle aber jetzt Röhre. Vom Banker bis prekär, alles eng und europeslim bis unten. Ich sah nicht so gut aus in dem Alter, aber meinen Sliphersteller würd ich nie wortlos verraten mit Fusselbart ohne Geld. Im Sohohaus gewesen, mit meiner Bank telefoniert, Kanadier kaufen ungesehen Wohnungen übers MaklerPDF und legen 50.000 Schwarzgeld drauf, mal wieder ordentlich mit dem Auto hier herumgefahren. Flott, und nicht so, wie am Waldrand. Hätte ich doch nur Sabine Christiansens Pavillon am Zoo noch fotografiert, jetzt ist er weg, ich jedenfalls habe ihn nicht mehr gesehen.
Eigentlich ist es mir gerade ganz schönernst. Die Köchin und ich hier. Schöner Anlass zudem morgen: ein Fest!
(…)
Der Gasometer hat immer recht.
P.S.
ich kann das auch beweisen: ich hab von 1986 bis 1992 jeden Tag mit ihm gesprochen, auf dem Heimweg in mein Kabuff auf der roten Insel, in der Leberstraße 54, schräg gegenüber von Marlenes Geburtshaus. Er hat mir immer richtig geraten. Noch besser, als das Orakel von Delphi! (Und das ist schon ganz schön super)
Hoffentlich hat es Ihnen bei dem Regen nicht das Festzelt zu den „schönernst“-en Festivitäten weggespült… weil es ist ja ganz schön ernst da draußen… :-o
„The Oracle of Beautyborough“. (schön, wenn er recht behielte …)
Draußen ist es immer ernst!
/und war anders: die schönheit des festes hat eher m i c h weggespült…
ooohhhh das klingt sehr vielversprechend… neugierig werdend ;-)