manchmal dauert schpontan längger.

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ich war noch nie in lissabon, in rijeka, in glasgow, in madrid, auf sizilien, in warschau, bratislava oder prag, auch noch nie in brüssel, brügge oder gent, geschweige antwerpen, nicht in oslo oder helsinki, noch nie in der camargue, nicht in marseille oder nizza oder monaco, auch nicht in der arena von verona, nie in montenegro oder dem kosovo (obwohl: vielleicht mal nachts jugoslawisch durchgefahren autoput 1979 mit VW bus „bully“?), in slowenien nur mal ganz kurz, nie aber in graz oder in budapest, auch nicht bukarest oder sofia, auch nie in istanbul oder ankara, weder auf zypern noch ibiza, auf jersey auch nicht, nicht in bordeaux oder lille, weder in der bretagne noch auf mt. saint michel oder am D-day-strand, durch genf nur durchgefahren, auch noch nie in turin oder odessa oder kiew, nicht in st. petersburg und nicht in moskau, weder in süd- noch mittelamerika, auf kuba nicht, auf teneriffa nicht, nie auf malta oder in marokko, auch in ägypten oder kanada war ich nie nicht, ebensowenig hawaii, kiribati, neuseeland oder australien, auch kein indien oder thailand, in schottland auch noch nicht und auch nicht in japan oder china oder südafrika.

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stattdessen diese inneren reisen. seit ich denken kann. / die kirschkern sagte als kleines kind oft vor ihrem einschlafen, wenn man noch gemütlich neben ihr gelegen war und ein wenig vorgelesen oder erzählt hatte, „…und jetzt, JETZT mach‘ ich mir noch eine geschichte…“. dann drehte sie sich zur wand und zu sich selbst, man kroch leise aus dem bett, löschte das licht und dann schlief sie irgendwann ein. für mich waren dies momente voll schwergewichtigem glück, stillständig beinahe spiritueller ruhe, beruhigtheit und allumfassenden geborgensein, wie ich es bis dahin oder auch später danach fast niemals jemals nochmals oder vormals erlebt hatte und habe.

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MAN muss sich ja jetzt stemmen gegen diese pandemische vereinzelung und die rückzüge allerorten. ich bin nicht frei davon. der spiegelsaal des vorhergehenden masken- und testlosen lebens kommt nieder mit blitzen. diese anstrengungen, damals bis vor zwei jahren, immer, diese aufwände, diese geselligen haftigkeiten, oft halbzwang. ich könnte derzeit jederzeit im wald verschwinden mit einem kleinen köcher voll von strohhalmen, mir wär‘ so danach. keine unsäglichen ausstellungen mehr, weder machen noch ansehen, keine schwierigen dialoge, oft angestrengt, berechtigt, kompliziert, bemüht, schwer und fällig. natürlich auch schön, aber stattdessen nun die füße hoch im gras, schnee oder wald oder am bergtal. und einfach die wand oder ein regal oder einen haufen von zeug und komischen dingen ansehen. es könnten auch blödsinnige dinge sein, sehr gerne. oder den wald, oder die bilder an einer wand, von bergen, tälern, schnee oder obstwiesen oder sonstigem inhalt. alles ist immer so inhalt. es gibt einfach zuviel inhalt. dazu noch überall. das überfordert mich. viel lieber wollte ich eine kleine sexy wolke sein, auf dem rücken liegend, ein weisses nackidei kleinwölkchen mit halm im mundwinkel, und um die inhalte dann sollen sich die anderen kümmern und scheren. und diese dann aufgeregt abregnen, wo auch immer.

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die kaiserburg zu nürnberg wurde im letzten großen krieg zu siebzig prozent zerstört. also gibt es auch in der kemenate, den beheizbaren frauenzimmern, oberhalb des EG, nichts mehr zu finden, was älter als siebzig, eher fünfzig jahre alt sein könnte. / und viktor, der ungefähr dreiundsechzigjährige russlanddeutsche mesner der orthodoxen kirche, er mit den tätowierungen auf den fingerrücken und dem silbermetallic tiefergelegten coupé „BMW-performance“, erklärte offenbar mit einer körpersprache seines zeitlos entspannten bedauerns immer dann, wenn sich das ende des gottesdienstes mitsamt der möglichkeit der bewahrenden arbeiten einmal wieder verzögernd nach hinten verschiebt: „Manchmal dauert schpontan längger…“ / kollege F. hat mir das eingehend und dankenswert beschrieben. ein sehr schönes und zeitbezifferndes zitat und äußerungsfragment, passend irgendwie zur gegenwart. und geeignet nebenbei auch zur allübertragenen und durchaus auch völlig profanen generalanwendung von gelassenheit per se. /(probieren Sie’s aus.)

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als erstes will ich, so glaub‘ ich, nach scottland. danach buenos-aires. aber manchmal dauert spontan länger.

6 Gedanken zu „manchmal dauert schpontan längger.“

  1. Ach, das mit dem Halbzwang verstehe ich so, so gut.

    Und heute bin ich für eine Zeit im naßkalten Wald verschwunden, Wildschweine suchen, und flache Steine, die es hier unter dem Moos zu Hauf gibt, für Zuhause, für den Garten. Wenig Inhalt im Wald, und es riecht gut.

    Montag dann wieder Überforderung. Aber aushaltbar.

  2. Diese Litanei von nicht besuchten Orten auf der Erde hat ganz viel Charme. Komischerweise mehr als wenn es eine Aufzählung von besuchten Orten wäre.

    Frage mich, ob die 30 Prozent der erhaltenen Kaiserburg vorwiegend Fundament sind… bin immer wieder beindruckt, wie es Menschen hinkriegen, historische Bauen auferstehen zu lassen oder zu erhalten. Ich mag das als Zeichen von Hingabe.

    1. Vielen Dank! „Besuchte Orte“ kann ja jeder ;-)
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      Und das Erhalten von alten Hütten ist tatsächlich sicherlich eine Form von Hingabe. Das Untersuchen derselben ebenfalls, das Stöbern und Nachspüren und Kombinieren – und das Finden dann oftmals (nach dem Kombinieren). Das ist sehr erfüllend – und auch inspirierend für anderes. Es ist übrigens auch immer wieder erstaunlich, wie viel an historischer Bausubstanz und Ausstattung doch noch erhalten ist in Nürnberg, man glaubt es nicht, wenn man die unmittelbaren Nachkriegsaufnahmen betrachtet, auf denen die gesamte Stadt plattgemacht erscheint. Das betrifft auch die zwei Hauptkirchen. Und vielerlei anderes uraltes Gebälk und Mauerwerk.

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