Bahram kommt genau da her. Vor vier Jahren flüchteten er und seine Familie vor den Aufständischen in die Provinzhauptstadt. Sein Asylbegehren wurde im letzten Dezember mit dem Verweis abgelehnt, die Stadt Ghazni sei sicher. Seit Tagen versucht er vergeblich, irgendeinen Kontakt zu seiner dort verbliebenen Restfamilie herzustellen, die Kommunikationsverbindungen jedoch sind gekappt. Soviel zum Thema, immer wieder und ermüdend, Afghanistan sei ein sicheres Herkunftsland.
Man kann oder könnte ja auch einmal versuchen, so dachte ich gestern in meinem sicheren Herkunftsland unter Streuobstbäumen mit Strohhalm im Mundwinkel, das alles im Spiegel herumzudrehen. Zum Beispiel so wie folgt, etwas holprig vielleicht und sicherlich noch eines peniblen Lektorates nötig, über das ich aber gerade weder verfügen will, kann, noch wirkliche Lust darauf habe. Weil es so müde macht. Und das hier ist ja auch nur ein Weblog.
Das könnte gleichwohl dann in etwa so klingen, wie folgt, möglichst nah und regional, in meinem Fall beispeilsweise anhand der schönen Stadt Ulm. Oder gegenüber Zahlen und Bevölkerungsdaten. Im Oktober 2015 öffnete ja bekanntermaßen Afghanistan vorrübergehend seine Grenze zu Iran, um eine Vielzahl deutscher und österreichischer Flüchtlinge ins Land zu lassen. Aus humanitären Gründen, nämlich, weil sie sonst sich zerdrückt hätten oder ggf. verdurstet wären, die Deutschen und Österreicher an der persisch-afghanischen Grenze oder am Bahnhof in Teheran. So klar und einfach war das damals.
Ich schreibe heute also fiktiv und altschwäbisch nieder, bevor ich mich ausgerechnet nach Bayerisch-Schwaben, also in eben diese nun von den Aufständischen kontrollierte Gegend, absetze, um aus Jux und Tollerei meiner Abschiebung zuvorzukommen:
„Kabul/Ulm, 16.8.2018 / Die Sicherheitslage in Deutschland verschärft sich zusehends. Aufständische haben in der Nacht zum vergangenen Samstag gegen 2.00 Uhr Ortszeit die Stadt Ulm unter ihre Kontrolle gebracht. Dies legen Augenzeugenberichte und unabhängige Quellen nahe. Funk- und Telekommunikationsverbindungen wurden von den Angreifern zerstört. Durch Ulm läuft eine der wichtigsten Verbindungstraßen in den Südosten des Landes, sie verbindet die Finanzmetropole Frankfurt a.M. mit der strategisch wichtigen Stadt München. München war bereits vor 3 Jahren über mehrere Wochen in die Hand der Aufständischen gefallen, konnte aber nach schweren und verlustreichen Kämpfen der nationalen Streitkräfte (Bundewehr), die dabei von US-amerikanischen Besatzungstruppen auch aus der Luft unterstützt wurden, zurückerobert werden. Dabei wurde damals auch das Krankenhaus „Links der Isar“ als Kollateralschaden zerstört, es gab zahlreiche Opfer.
Mindestens 100 Polizisten und Angehörige der Bundeswehr gelten seit dem jüngsten Angriff auf Ulm als verschollen oder tot. Andere Quellen sprechen dazu von mindesten 90 getöteten Zivilisten. Die Bundesregierung sowie das amerikanische Militär erklärten am Morgen, die Lage in Ulm sei wieder unter Kontrolle. Der unabhängige TV-Sender BRD-NEWS hingegen, der seine Informationen von einer Vielzahl von Beobachtern im ganzen Land bezieht, berichtete, die Aufständischen hätten sich in Wohnhäusern verschanzt und würden die Zivilbevölkerung als „zivile Schutzschilde“ missbrauchen. Sämtliche Bundeswehr- und Polizeiposten seien nach wie vor von Aufständischen besetzt, diese würden schwer bewaffnet durch die Straßen Ulms patrouillieren.
Auch ist es der Armee derzeit nicht möglich, Nachschub nach Ulm zu transportieren, da die Autobahn im Osten bei Elchingen, im Westen nahe Blaubeuren von den Aufständischen zerstört wurde oder in diesen Abschnitten überlegen kontrolliert wird. Auch ist das Gebiet bereits vermint worden. Zudem wurden ebenfalls die Ortschaften Biberach und Ehingen an der Donau angegriffen. Die Stadt Günzburg befindet sich ohnehin bereits seit zwei Monaten in der Hand der Rebellen.
Die Aufständischen setzen sich für eine radikale Rückkehr zum Glauben ein. Sie wollen deutsche Schulen schließen, Bildung verhindern und deutschen Frauen und Mädchen den Zugang zur Gesellschaft verweigern. Sie praktizieren eine archaische Lebensweise und lehnen demokratische Errungenschaften, wie beispielsweise das in Deutschland offiziell noch geltende „Grundgesetz“ sowie die allgemeinen Menschenrechte ab. Seit 2012 wurden in Deutschland knapp 14 Millionen Binnenflüchtlinge auf der Flucht vor den innerstaatlichen Konflikten registriert , so das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen im Mai diesen Jahres.
Deutsche Flüchtlinge, die vermehrt seit 3 Jahren Aufnahme in Afghanistan gefunden haben, berichteten, sie hätten vergeblich versucht, Angehörige in Ulm zu erreichen. So auch der achtzehnjährige Matthias Bäumler, der in Hundersingen im Lautertal auf der schwäbischen Alb aufwuchs, dessen Famile aber schon 2014 von den Aufständischen von dort vertrieben wurde. Die Famile flüchtete nach Ulm und kam im Haus eines Onkels aus Illertissen unter. „Wahrscheinlich“, so sagt er, „lebt meine Familie noch heute in Ulm. Wenn sie überhaupt noch lebt.“ Er kam 2015 als unbegleiteter noch minderjähriger Flüchtling (UMF) über das Mittelmeer, die Türkei und den Iran nach Kabul und war später in Ghazni von einer afghanischen Familie als Pflegekind aufgenommen worden. Er macht sich nicht erst seit vergangenen Samstag große Sorgen: „Ich erreiche niemanden. Auch meine Schwester, die vor sieben Jahren schon ins Nachbarland Frankreich geflüchtet ist und dort mit deutschem Mann und zwei Kindern illegal geduldet lebt, weiss nichts. Alle Telefonleitungen und das Internet sind tot.“
Ungeachtet der sich immer weiter verschärfenden Sicherheitslage in Deutschland plant das afghanische Innenministerium eine erneute Sammelabschiebung von Deutschen in ihre Heimat. Dabei sollen vor allem Deutsche abgeschoben werden, die sich in Afghanistan strafbar gemacht haben. Als strafbar gilt in Teilen Afghanistans schon heute derjenige deutsche Flüchtling, der auf seiner Flucht aus Europa nach Asien seinen Pass verloren hat oder einmalig kein gültiges Nahverkehrsbillet vorweisen konnte. Von Menschenrechtsorganisationen wird in diesem Zusammenhang auch oft das „Rückführungsabkommen“ mit der Bundesrepublik Deutschland kritisiert, wonach die Regierung in Berlin, die vielfach als korrupt eingeschätzt wird, eine gewisse Summe Afghani für jeden abgeschobenen deutschen Flüchtling von Seiten des afghanischen Staates erhält. Wo dieses Geld wirklich landet, gedacht eigentlich zur Reintegration zurückkehrender Deutscher in Deutschland, bleibt fraglich.
Unlängst war der afghanische Innenminister in die Kritik geraten, als er anlässlich seines 69. Geburtstages mit bescheidenem Stolz erwähnte, dass genau an diesem Tag „69 deutsche Flüchtlinge nach Deutschland abgeschoben wurden“. Er habe „das nicht so bestellt“, so fügte er ironisch hinzu. Die Opposition im afghanischen Parlament hatte ihm daraufhin ungeeigneten Zynismus im Amt vorgeworfen und ihn zum Rücktritt aufgefordert.“
Und so weiter. Nein, lustig ist das alles schon lange nicht mehr. Gleichwohl ist Sommer und Pfiff.
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Quelle: http://www.spiegel.de/politik/ausland/taliban-in-afghanistan-der-alptraum-von-ghazni-a-1223106.html
schrecklich. es fällt schwer, die begründungen vom amt nachzuvollziehen, alles wirkt so brutal, willkührlich, vollkommen unmenschlich, man mag es nicht glauben, als gäbe es einen tiefen und bis zum grund reichenden riss der entfremdung in diesen amtspersomem, der sie von allem trennt, was integre menschen vor entscheidungen beachten, oder auch nur zur kenntnis nehmen.
Ja, es ist sonderbar. Und sowieso alles politisch dehnbar, je nachdem. Ein klitzekleiner Lichtblick stellt sich in den vergangenen zwei Wochen zaghaft ein, sicherlich auch auf Druck der Wirtschafts- und Handwerksverbände: mehrere Verantwortungsträger in Berlin beginnen, sich für erweiterte Bleibeperspektiven für diejenigen auszusprechen, deren gesellschaftliche Integration (Sprache, Ausbildung, Arbeit etc.) bereits fortschreitet bzw. in vollem Gange ist.
Hier argumentiere ich übrigens auch oft als nüchterner (und vermeintlich herzloser) Steuerzahler: es ist eine absolute Steuergeldverschwendung, wenn eine aktive und positiv verlaufende Integration, die ja auch viel Geld gekostet hat, durch eine Abschiebung abgebrochen wird. Und dies in genau dem Moment, in dem viele hoch engagierte Menschen anfangen, zu arbeiten – und damit ihrerseits Steuern zu bezahlen.
Bahram hat seine Eltern vor ein paar Tagen erreicht. Bis auf zerborstene Scheiben und Projektile in der Haustüre geht es ihnen den Umständen entsprechend. Lebensmittel, Wasser und Elektrizität werden knapp, das übernächste Haus in der Strasse ist durch eine Rakete zerstört. Die Taliban gehen in die Häuser und bedienen sich an Lebensmitteln und Anderem. Wer das nicht zulassen will, den bringen sie um. Im Haus seiner Eltern waren sie bisher noch nicht, aber bei den Nachbarn.