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gehoben, Schatz.

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Vor mehr als dreißig Jahren, um das Jahr 1988 herum, verreiste die alte Dame für 12 Wochen nach Nordamerika. Und wie immer vor solchen Reisen plante sie, ihren wertvollsten Schmuck, meist alte Familienstücke, in ihr Tresorfach bei der Kreissparkasse für die Dauer der Abwesenheit zu deponieren – für den Fall eines Einbruchs von gewitzten Dieben, im unbewachten dunklen Waldrandhaus, welches ohne sie ja leerstand in den damaligen Jahren. In jenem Spätsommer jedoch war nicht genügend Zeit mehr gewesen, zur Bank zu gehen und so beschloss sie, das Gut möglichst raffiniert in einem Pappschächtelchen irgendwo im Hause zu verstecken. Was sie tat.

Nach ihrer Rückkehr konnte sie sich jedoch nicht mehr erinnern, wo genau sie das Gebinde voller Goldschmuck in der vorurlaublichen Eile verborgen hatte. Sie konnte es, trotz intensivster Sucherei, einfach nicht wiederfinden. „Im Keller irgendwo…“ – so sagte sie mir immer verzweifelt, in den ganzen folgenden Jahrzehnten. Und dass es so schade wäre, weil doch vor allem so sehr ideell wertvolle Dinge dabei seien.

Verdächtigte dann sogar die liebe russlanddeutsche Reinigungshilfe, in ihrer Gedächtnisnot. Diese Flausen trieb ich ihr empört stets schleunigst aus, bis sie kleinlaut aufgab und oft den Tränen nah zugab: Sie wisse es einfach nicht mehr. Und was für ein Teufel doch die Erinnerung sei.

Immer, wenn ich im Keller war, suchte ich, wenn Zeit war, ein wenig, hob diese Kiste einmal hoch, fasste ein anderes Mal hinter jenes Regal, durchsuchte die Taschen alter Wehrmachtsmäntel, öffnete kaum mehr zu öffnende alte Lebkuchen-Dosen oder begutachtete die beiden alten Milchkannen aus Aluminium in der alten Fluchtkiste aus Cuxhaven. Ich habe seit Jahren schon nach und nach den Keller ausgemistet und immer dachte ich aufmerksam an ihre Worte. Nichts. Nirgendwo. Selbst in ihren letzten Monaten, vor drei Jahren, als vieles schon hinweg dämmerte, kam sie immer wieder darauf zurück. Wo doch der Schmuck sein könnte, herrjeh! Und irgendwann dann, resignierend, ich glaube, es war 2 Monate vor ihrem Sterben, meinte sie angesichts des sich nähernden Todes und seuftzend: „Na gut, ich glaube, der Schmuck, weisst Du, der ist dann eben einfach… weg.“

(‚Das letzte Hemd hat keine Taschen‘, so möchte man hinzufügen. Das sagte sie ohnehin oft, auch als sie noch im Saft war.)

./.

Nach dem Ausräumen und Sichten des Hauses und seiner Innereien habe ich nun mit dem partiellen Rückbau mit schwerem Werkzeug begonnen. Die Kellerräume sind bereits seit 3 Wochen komplett geleert. Ich habe auch nochmals, in Gedenken an den Schmuckschatz, ein paar Öffnungen im fundamentierten Boden aus Stampfbeton („Spanier“ gossen den damals, mit Schubkarren, laut Bautagebuch) freigemacht. Und beleuchtet und gegraben. Nichts. Kein Schmuck im Keller. Also, so dachte auch ich zuletzt, der ist eben einfach weg. Wie gerne hätte ich ihr in den Himmel berichtet.

Gestern demontierte ich eine steinerne Heizungsabdeckung im Wohnzimmer. Der alte Heizkörper von 1964 wird erneuert werden. Die davor fest und schwer installierte Sitzbank aus massivem Teakholz muss dazu abgebaut werden. Als ich die zweite der steinernen Lamellen herausgeklopft hatte, gab das herbstschräge Sonnenlicht eine kleine längliche Pappschachtel, deponiert hinter der Banklehne auf dem seit 1964 verstaubten und mit uralten Spinnweben umflaumten Heizkörper preis. Auf dem Deckel noch lesbar ihre Schrift mit verblichenem, einst, Edding: „Tresor“.

Sofort wusste ich, das kann nur jener Schmuck sein. Und so war es dann auch. Sie hatte – seinerzeit noch beweglich offenbar – das Kistchen von unten unter erheblicher Körperverrenkung und Verdrehung ihres Unterarmes gegenüber dem Handgelenk auf die Oberseite der Heizung geschoben. Kein noch so gewiefter Dieb hätte es da jemals gefunden. Was sich ja, quasi, bewahrheitet hatte.

Ich musste so lachen.

Und herzen. In den Himmel. Wie gerne hätte ich ihr das berichtet – ihr, die zuletzt so unbeweglich nur noch im Rollstuhl saß. Kaum mehr als zwei Meter entfernt übrigens von meiner sonntäglichen Fundstelle. Auf ihrem Wohnzimmer- und Fernsehplatz. Vor 10 Jahren noch ohne Stock im Korbsessel, vor 9 Jahren ebenda mit Gehstock, vor 7 Jahren noch mit Rollator und zuletzt eben im Rollstuhl.

Schade ist, dass sie mir nun nicht mehr erzählen kann, von wem denn die seltsam-schöne amorphe Jugenstil-Brosche ist, ob der schöne Ring (mit den 3 Smaragden?) von Oma Mika aus Pillau stammt, ob das feine Armband, ein wenig Art Deco, aus den 20er-Jahren vielleicht ein Geschenk an sie ist von ihrem Haudegen-Papa oder warum die um 90° verdrehte mechanische Uhr am Goldarmband immer noch genau die Uhrzeit anzeigt, wenn man sie aufzieht, so wie ich das gestern Abend tat. Und von wem die ist. Vielleicht ja ein Hochzeitsgeschenk von meinem Papa an sie, von 1959?

Familiär weiblicherseits jedenfalls wurde schon aufleuchtendes Interesse angemeldet zur neugierig sensiblen Begutachtung der Fundstücke. Schmuck muss schließlich weitergetragen werden. Finde ich. Und nicht im Tresor liegen – oder in kleinen Pappschachteln weitergereicht werden, zur verdeckt diskret düsternen Aufbewahrung, mausoleenhaft. Generationenlang, fürchterlich. So gefällt mir das, besser: würde mir das gefallen. Und meiner ostpreussischen Ur-Oma Mika, über die ich so viel Liebevolles hörte mein Leben lang, soviel ich jedenfalls über sie weiß, vielleicht sicher möglicherweise ggf. – auch.

Es ergibt, am Ende der diesjährigen Herbsttage, schon einen einigermaßen sinnigen Sinn, dass dieser Fund eines außerordentlichen Primärdokumentes am Ende einer großen abendländischen Ausräumerei sowie eines klärenden Wegschmeißens steht.

<3

Harald Alexander Rogler /Malerei, Graphik

Pfingstrosen
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Herzliche Einladung:

Harald Alexander Rogler (1920 – 1966)
Malerei / Graphik / Glasfenster
31.10.2021 – 14.11.2021

Versöhnungskirche Stuttgart-Degerloch, Löwenstraße 116, 70597 Stuttgart / geöffnet Di – Sa 16.00 – 19.00 Uhr

Eröffnung am Sonntag, den 31.10.2021, 10.00 Uhr Gottesdienst zum Reformationsfest, 10.45 Uhr Vernissage

Am Freitag, den 5. November 2021, biete ich um 17.00 Uhr eine Führung durch die Ausstellung an, hierzu ebenso eine herzliche Einladung.

Am Montag, den 8. November 2021 um 19.00 Uhr: V. Saile, Vortrag mit Bildern, „Die Glaswerkstatt – Künstlerische Glasgestaltungen“

Finissage am Sonntag, den 14. November 2021 um 11.00 Uhr

***
(Großen Dank für die Ermöglichung, Organisation und Durchführung dieser Ausstellung an die ev. Kirchengemeinde Stuttgart-Degerloch, Herrn Pfarrer Andreas Maurer und Frau Mirja Kinzler M.A.)

Nacht auf d. Kirmes

H.A. Rogler, 1952

8.10., Werk von meinem Vater, gestern abends einer sehr hinteren Ecke eines Regals vom verstaubten Bilderlager auf dem Dachboden für mich erstmals sichtbar und überhaupt entdeckt. /Pastell- und Ölkreide und Grafit auf Papier, 35x50cm, dat. 1952, „Kirmesszene“ o.ä., schön auch die Dame, die am grünen Wagen entspannt (wahrscheinlich mit Zigarette?) und in irgendwelchen ggf. verheißungsvollen ‚Post-War-Alegorien‘ wartet oder nachdenkt mit Stand- und Spielbeinen, auf und über was auch immer, möglicherweise auf die Geschichten oder das Geld der Ex-Soldaten, gerade erst – als „Verlierer“ – heimgekehrt aus mehrjährigen Kriegsgefangenschaften mitsamt wiederum deren möglicher Prosa über Erlebtes. Oder sie freut sich einfach, wie alle anderen im Bild, übers Wirtschaftswunder. /Auch die weissen Lichterpunkte, wie man sie ja heute auch wieder gerne malt, gefallen mir sehr, vor allem der dominant grüne Hof im linken oberen Zwölftel. Dazu ein wunderbar altmodischer recht breit auftragender Holzrahmen (nicht abgebildet), mehrfarbig zurückhaltend lasiert. Ich möchte das alles säurefrei und -puffernd unbedingt genauso erhalten. Es ist ja auch irgendwie ein fröhliches Pastell, da war er 32 Jahre alt (und hatte noch vierzehn).

6. okt 2021

Alles Mögliche

./. der ostpreußische Humor der alten Dame [r.i.p.] in Bezug auf die Lagerung div. Kleindinge, die man vielleicht irgendwann noch einmal brauchen könnte („Mit Männern kann man nicht sparen!“). Ich habe beschlossen, diesen kleinen Karton unbedingt aufzuheben.

./. seit Wochen bin ich am Räumen. Am Ausräumen, behutsam, eines nur unwesentlich jüngeren Hauses, als ich es bin, welches, ähnlich einer Menschengesamtheit, über Jahre angefüllt wurde mit Sinnvollem und mit Mist. Das Haus aber hatte nie Schlaf und Traum, so wie unsereiner das hat. Insofern wünsche ich allen Häusern viel Schlaf und Traum. Ich kenne solche ausgeschlafenen Häuser, zweitberuflicherseits.

./. dazu auch meine, oft leider, vorhandene Lust und Neugier an allen – ja, wirklich fast allen – Dingen und dem ihrigen Eigenleben. Ich jedenfalls lebe und zehre schließlich zu einem guten Stück auch von den Erzählungen der Dinge. Nicht zuvorderst WIR, sondern die Dinge sollen leben. Wir vergehen, aber die Dinge können weiterleben. Man muss sie ja gar nicht besitzen. Aber man kann sich kümmern, damit sie nicht zerstampft werden, von unseren angeblich Entsorgungs- und Wertstoffstrategien. Die dann im Meer vor Malaysia schwimmen und Seepferdchen ärgern. Es ist wichtig, sich um die Insekten zu kümmern beispielsweise, aber es ist ebensowichtig, die Dinge zu beherzigen. Die Sachen. Alles mögliche eben, und sei es ein Eierbecher aus buntem Plastik oder eine kleine Pappschachtel, in der sich schmerzstillende Medikamente im Angesicht vom Tod aus 1966 befinden. Oder eine äthiopisch beschriftete Colaflasche von 2013.

./. dennoch TRÄUME ich manchmal wild und machtvoll von übergroßen Mischmüllcontainern, in die man einfach alles hineinknallen kann. So wie früher. Wenn die Stunde für die Dinge schlüge, na dann hätten sie eben Pech gehabt. Dann sind sie weg und man überlässt das Bewahren Anderen, endlich. Oder das Verdampfen. Eher letzteres. So geschehen vor einer Woche mit dem unterirdischen Werk eines ewigen Halbkünstlers, einem „Kühlschrank, eine Treppe hinabschreitend“. Die Treppe zum Altmetall, der angesägte Kühlschrank zum Elektroschrott. Seit 1998 hatte ich das aufbewahrt, letztlich auch für ihn. Weil wir auch mal befreundet gewesen waren, in anderen Zeiten, bis er mir später nur noch ohne Begründung schaden wollte. Oder einem Gebetsbänkchen, seinerzeit dem Sperrmüll der Abtei Zwiefalten um 1984 freudig entrissen, zusammen mit einem Holzstuhl aus ca. 1910, auf dem ich noch heute sitze am Ateliertisch. Auch der Doppelsitz an bunt gepolsterten Kinoklappsitzen ist nun vergangen. Oder der alte Biedermeierstuhl vom Opa, mit dem ich nie warm wurde, dem Stuhl.

./. also Räumen und Räumen, alles dann doch noch mal durch Hand und Geist rinnen lassen. Sämtliche Geschichten fliegen nochmals vorbei. Welch Fundus. Was wird aus der Ostpreußen-Bibliothek der alten Dame? Bald schon will ich nur noch meins verwalten. Bin ja Kriegsenkel, aber irgendwann ist auch mal Schluss mit Nachtrag und Verantwortung. Noch eine altmodische Zigarette. Die Kirschkern hat Erasmus in Paris. Aus Kindern werden Leute. Unglaublich, seinerzeit, vor 20 Jahren, wohnten wir dort für sechs Monate an der Cité Internationale des Arts und die Kirschkern passte zum Baden noch in einen Normaleimer. Es war heiß. Die Tricolore-Düsenjäger jagten am Himmel mit Farbstreifen zum Feiertag. Es war ein warmer Sommer 2001. Ich möchte in diesem Herbst vielleicht einmal Eis-Essen gehen auf der Île Saint-Louis, mit der Kirschkern. Und ihr den Spielplatz zeigen, wo wir damals rauf und runter, rauf und runter usf. die Vor- und Nachmittage verbracht haben. Oft zogen wir los durchs Marais und ich nahm in der Kinderkarre, unten im Einkaufsnetz, jedes schöne Stück gefundenes Holz mit, um darauf zu malen und zu schreiben, wenn es denn Nacht wurde und Zeit war dafür. Die Kirschkern zeigte mir, wenn sie etwas passendes sah. Da war sie erst anderthalb Jahre alt. Was für eine reiche schöne Zeit, das Dach von Notre Dame war noch da und die Türme in NY standen noch, zumindest bis September.

./. je leerer aber alles nun wird am Waldrand, umso leichter und befreiter läuft auch der Schall durchs Haus und eckt nicht immer an irgendwelchen alten oder uralten Dramen und Tragiken an. Es ist nun kein Mausoleum mehr. Es hallt anders, fast wie gefastet. Das Haus hat eine nie geahnte Leichtigkeit, die es nach der Renovierung zu bewahren gilt. Das ist wirklich sehr schön. Der große Garten eignet sich hervorragend, um Wertstofftrennung zu betreiben, ein Haufen da -beim Apfelbaum, einer dort -beim Buchs. Dennoch achte ich darauf, dass die Dinge dann auch zügig verschwinden und aus den Augen sind. Der größte innere Berg allerdings steht noch unmittelbar bevor – der künstlerische Nachlass meines Vaters. Dutzende Dutzend von oft großformatigen expressiven Aquarellen und Kisten und Schubladen voller Grafik, Zeichnung, Monotypie und sonstigen Blättern. Sie ist schon auch etwas belastend, diese Verantwortung. Es soll ja Leute geben, die solche Nachlässe an Bildern komplett zum Altpapier geben. Das ist noch schlimmer als Bücherverbrennen, finde ich. Es ist und wäre: Auslöschen.

./. Dann doch lieber auf die Straße stellen, wenn es mal nicht regnet.

./. die Garage ist jetzt beinahe voll.

./. ganz so, wie der alten Dame Pappschachtel für „Alles Mögliche“ – übrigens ursprünglich eine Verpackung der „MONA Strumpf- und Wirkwarenfabrik GmbH 7500 Karlsruhe“ – habe ich nun eine ganze Kiste voller schöner und origineller Geburtstagsgeschenke gerettet. Sei es eine Packung Blättergelatine aus 1967, div. Strumpfhalter, Buntwaschmittel in der Originalpackung von 1971 für DM 2,49, etliche Insel-Bücherei-Bändchen und Metalldöschen aus den letzten 80 Jahren (z.B. „Cenovis Klare Brühe“), Zimtstangen im Glas und Muskatnüsse aus den 1950ern, wunderschöne beschriftete Holzbügel („Hotel Terminus Baden-Baden“), sowie etliche matallene Lufthansa-Löffelchen mit Prägung. Oder auch Rattengift von ca. 1966, noch mit Totenkopf-Aufdruck. Und weiß Gott was alles noch. Aber ich werde das alles im Sinne des Bewahrens von Alltagskultur schon an den Mann und die Frau bringen.

./. der Heizungsbauer ist nun seit gestern beauftragt. Das bedeutet, dieses Abenteuer des Umbaus und der Sanierung kann beginnen. Vorfreude mischt sich mit manchmal Muffensausen, aber Freude und Zuversicht überwiegen. Ich freue mich schon auf die „Eigenleistung“ und Salman und Bahram haben auch ihre Hilfe zugesagt. Wie viele andere. Am Ende des Oktobers soll alles beginnen. Das Heizöl im Gartentank könnte noch reichen bis Dezember. Das Dach soll neu werden im März. Die Angebote für die Ersetzung der noch zweiadrigen Gesamtelektrik sind in die Wege geleitet und die Erneuerung der Fenster ist bereits angeboten. Ich dachte oft, irgendwann lege ich die Füße mal hoch. Aber dann fällt ja der Kopf hinten runter und landet im nebelfeuchten Schoß von Frau Müller, die einen spitzen Gutenachtkuss gibt, allein deshalb, weil es ihr so beigebracht wurde.

./. Überlege noch, ggf. ein Bautagebuch zu verfassen. Aber mit Tagebüchern kann man mich jagen mittlerweile, so viele gibts hier, in irgendwelchen Kisten. Wer soll das alles jemals lesen.

retusche

Retusche

(finito/kursiv:) das meiste der Farben der Welt sind doch tausendjahr und eines vehement-Misch überaus. Die knall-Róots kann man meist vergessen, ebenso alles andere im Leucht oder sonstwie synthetisch. Was aufzählt, sind zuvorderst Umbras (natür oder gebrannt), Ockers (natuer oder gebrannt) und etliche ebensolche Sienas oder Hauche vom Lampenschwarz, vielleicht noch Reste vom böhmisch‘ Grünerdenersatze oder einfach schöner Dreck vom Boden und roter Rost. Und manchmal etwas Kalk oder sonstiges Weiß. (Was bitte, so frage ich Dich einst am Rock deiner Seele, ist schon „Weiß“?) Oft ein viel Wässerchen dazu oder eine impressionistische Lagerung, husch-husch, flink auf’s Retusch und noch ein paar Sporca drübergelegt, die schmutzende Zeit nachäffend für die Sehenden vom Jetzt. Vergiß mir stets aber nicht das genügende Bindemittel! In diesem Falle Wasserglas; oder streich mir, noch einmal wenigstens, fast trocken über alles, auf daß die Höhungen vom SCHteine sich behaupten, ob dunkel, ob hell, ob Dämmerung. Ohne, dass sie’s müssten, die Riefen, die Furchen, die Steinchen oder die Überbleibsel mechanischer Verschwendungen, wohlgemerkt: Denke immer, Du kommst aus einer anderen Zeit, denn der Staub kommt von alleine in der schöngeredeten Ewigkeit ewig gewünschter Überdauerungen. /man muss locker sein mit Farben für’s Retouschieren. Denn alles, was man jemals über’s Sehen lernte, ein Leben lang, fließt dorthinein. ins Sehen. Zunächst. und dann in die: Retusche. Und sodann zurück ins Leben. /wenn man nur weit genug die Augen schließt.

Omi

Omi

(Nachtrag, 5.8.21) / Abb. zeigt meine Omi, Gertrud Kober, geb. Nitsch (*1907, Pillau, Opr.), mit Andor von Lampertsrück (1969-1981), meinem geliebten Freund und Kumpan in süddeutschen Kindertagen, jener seinerzeit in vollem Saft, dazu Omi zu Besuch und ich an der KODAK-Instamatic. / Die Gewissheit, recht früh, überall würde ich schlimmstenfalls Verhalten und Geschichten finden und vorfinden, die grausam sein könnten. Jene seinerzeit vage und noch kindliche Befürchtung vor Verlust, Schmach und dem ganzen Zeug und damit uneigener Geschichte, Vertreibung, Zerstörung und Tod. Diese Furcht begleitet mich bis heute, ich kann mich winden, wie ich will. Etwas lässt mich nicht los. Mein Interesse daran, an altvorderen Schicksalen, ist aber keinesfalls erloschen darüber, ebensowenig meine kleinen Ängste vor’m überlieferten Selbst und vor übergeordneten Verantwortlichkeiten. Die nichts – aber auch gar nichts – mit irgendetwas Jetztzeitlichem zu tun haben. Am allerwenigsten mit mir. Oder eben doch? / Sie habe in jungen Jahren leidenschaftlich Charleston getanzt, mit meinem Opa, dem späteren Kaptän oder Admiral zur See auf der Bismarck und Haudegen Waldemar. In den wilden 1920ern in Berlin. Und sie gebahr fünf Kinder mit ihm. / Ich hab‘ sie immer sehr gemocht, meine Omi, und dem süddeutschen Landei Andor ging es genauso. Er küsste gerne, ebenso, wie ich es tue, das hab ich von ihm. / Gestorben ist sie 1984 in Ahrensburg und wurde wenig später zusammen mit ihrem – aus seiner leider bereits 1956 geschaffenen Grabstätte auf dem Friedhof in Hamburg/Ohlsdorf – exhumierten Kapitän auf der Kieler Förde seebestattet. Wenn ich heute in der Ostsee schwimme, dann weiß ich, Omi und Waldemar sind auch da.

igitt

igitt

Ich dachte einfach mal: igitt. Und ließ mir das Wort, das Wörtchen, auf der Zunge zergehen, bevor ich es schluckte. Man kennt das ja, manchmal werden Worte zu ganz eigenen Lebewesen, wenn man sie einhundert mal so vor sich hin sagt. In den leeren Raum hinein. In den Wald hinein. Im Auto oder im Bett vor dem Einschlafen. Dann werfen sie lichte Schatten und zeigen ihr wahres Ich, ohne die von uns zugewiesenen weltlichen Bedeutungen.

„schluckte“ ist auch so ein Wort.

mäuschen grüne wolke

Grüne Wolke

Abb.: *

nachgeholt. wegen technischer probleme. jetzt gelöst dank Miss KittyKoma – ihr den allergrößten Dank mit Herz!

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22.8. / Grüne Wolke
kursiv: es sei so ein muster derzeit, oder eigentlich schon seit nunmehr einigen jahren, meint ein bekannter, wie entscheidungsträger sich von den zu entscheidenden dingen immer weiter entfernen, eine gewisse „entpraxisialisierung“, so lässt es sich am besten umschreiben. man könnte auch sagen, diejenigen, die entscheiden, haben ggf. immer weniger ahnung und/oder subjektive verbindung zu denjenigen dingen, über die sie ggf. entscheiden. zumindest keine erlernte oder fachlich und beruflich erlangte. die ausführenden, finanzierenden und entscheidenden ebenen driften im wirbelschwung auseinander. das ist alles nicht gut und führt zu, den dingen nicht angemessenen, ergebnissen. siehe derzeitig nationale großprojekte, siehe verkehrsministerium mitsamt autobahngesellschaft u.v.m. und nun, zuletzt, siehe afghanistan. im kleinen ließe sich das auch auf anderen arbeitsfeldern und betreffenden entscheidungszwangsläufigkeiten erkennen und damit vergleichen. ich kann seine gedanken mehr als nachvollziehen, es tun sich allerlei parallelen auf, je mehr man darüber sinniert, aus einem zunächst unbestimmten unbehagen und der wiederkehrenden frage, woran das denn liegen mag, die zunahme der regelmäßigkeiten.

vielleicht liegt ja es am persönlichen auskommen, also am subjektiv erwobenen geld. sicherlich nicht läge es an einer persönlichen lust am unwohlsein und diesbezüglicher mode. vielleicht liegt es an den fehlenden mechanismen für persönliche verantwortlichkeiten. zum beispiel auch einem subjektiv verantwortlichen entzug des geldes. auch sogar nachträglich.

ich fühle mich in dieser ganzen afghanistansache in keinster weise repräsentiert. ich schäme mich für mein geburts- und heimatland und seine entscheidungsträger. wieso kann nicht auch die bundesdeutsche besatzung eines großen flugzeuges notfalls entgegen aller vorschriften und konsequenzen auch mal entscheiden, dass die maschine vollgeladen wird mit menschen, einfach mit menschlichen leuten, die da weg wollen, dort, wo der flieger gerade parkt. und zwar aus verzweiflung, nicht aus lust und laune. und wenn sich dann einer bei einer möglicherweise ruppigen landung in taschkent, unangeschnallt, einen finger bricht, dann ist das eben so. es geht doch um die hauptsache. es geht immer um die hauptsache. sollte es.

was ist das für ein wahltaktischer zynismus, dieses „problem“ von flüchtlingen möglichst derzeit fernzuhalten? denn darum geht es doch in wahrheit. in österreich sagen sie so ungefähr, „es gebe keine gründe, warum afghanen nach österreich kommen sollten“. hässlicher geht es nicht.

das ansehen „meines“ landes wird momentan zum wiederholten male massiv beschädigt. nein, ICH bin NICHT dieses land in dieser sache und ich kenne eine menge leute, denen das genau so geht. „2015 darf sich nicht wiederholen“. ja sicher. aber 2015 wird sich noch 100te male wiederholen, da können wir uns auf den kopf stellen, in der jetzigen weltsituation, innnerhalb der kommenden jahre und jahrzehnte.

mir ist es keine „schmach“ eines überhasteten, vielleicht angsvollen abzuges. auch keine meine hormone ggf. belastende niederlage, denn die stand von anfang an fest. es geht doch darum, nun endlich einmal irgendein wahres gesicht zu zeigen. auch entgegen erwartungen, wahlkampf und vorschriften. ich sehne mich nach menschlichen und allein ihrem gewissen gegenüber verpflichteten menschen, und seien es haudegen oder andere, die einfach mal machen in dieser rasant immer verlogeneren weltlage. persönlich kann ich keine hubschrauber bedienen, wohl aber hubsteiger. und anderes kann ich, zum beispiel grüne wolken malen*.

das darf doch alles nicht wahr sein, diese stammeleien eines heiko maas (den ich oft verteidigt habe gegen anzughasser oder frauen, die kleinere und zurückhaltendere männer belächeln und insgeheim nie als väter ihrer kinder goutieren würden). oder eine verteidigungsministerin, die sich jetzt nicht vor ort blicken lässt. alles fing an, als die aus AFG rückkehrenden soldaten noch nicht einmal von semi-höherer politik empfangen wurden. was sollen knapp sechzig hinterbliebene familien dabei denken und empfinden, die jemanden da weit weg in zentralasien verloren haben durch eine weltmachtpolitische etappe voller fragwürdiger ziele und eine unzahl von gewinnlern? dem muss man doch als gesellschaft anerkennung und trauer tragen, und zwar sichtbar, auch wenn es aus der mode gekommen ist.

und auch, im privaten: was sollen bahram und salman von den deutschen denken? /ich könnte es ja auch mal so sagen, salopp: wir als familie haben mit herz gerne viel leidenschaftliche energie aufgebracht, den damals noch minderjährigen geflüchteten afghanen in unserem haushalt abend für abend demokratieverständnis, die funktion und den wert von solidarsystemen sowie westwertepfeiler insgesamt zunächst zu erklären, dann zu vermitteln und vor allem auch zu begründen. und nun so etwas. die ortskräfte? verraten und verkauft. in einer offiziellen mitteilung staatlicherseits heisst es sinngemäß, „… es war ja die freie entscheidung jener, für die bundeswehr zu arbeiten…“. das schlägt auch mir mein bodenfass aus. sowie meinen sinn für normalerweise köstliche ironie, mitsamt supertrockenem weisswein, durch migrantische servicekräfte eingeschenktes personal. auf das wahlkämpfer so gerne verweisen.

„Schwund ist immer!“ sagt der eingangs Erwähnte oft und lacht. Ansonsten alles ok., Atelier, Hubsteieger, Wassereimer, Trockenschwämme und Radiergummis. Ich bin Auslaufmodell, manchmal jetzt gerade sogar ganz gerne.

(* /“Grüne Wolke“, aus Serie ‚Uebergangshelfer‘, 2021, 22x24cm, Öl auf Pappe, © VG Bild-Kunst, Bonn)

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4.9. / heute Weblogjubiläum. Habe ich, Schneck, heute. (*Herzchen*). Vor 15 Jahren, am 4. September 2006, begann alles unter schneck06.twoday.net mit der Traute zum endlich auch textlichen Niederlegen von Sachverhalten aus meiner zutiefst zeichnerisch bildlichen Sicht. Mehr kann ich nicht. Als irgendetwas hineinschreiben in das geliebte Blog, was Linien und Farben und die Grundliniendeutung des Erlebten und Miterlebten mit Worten festhält. Ich kann keine „Stories“ entwickeln, ich will das auch gar nicht. Man soll ja nichts wollen, was man nicht kann. Ich will nur beobachten, solange ich da bin. Auf einem Bänkchen sitzen und die Füße dabei hochlegen. Und dann raushauen, mal so, mal so. /Es war in Schöneberg, im Atelier auf der Insel am Gasometer und die Kirschkern war gerade lumpige 6 Jahre alt. Eine schöne Gegend und Zeit, in der jedoch die Liebe starb. Wahrscheinlich ahnte ich, dass es schon alsbald jede Menge aufzuschreiben geben würde. Bis heute ist das so, das mit dem Ahnen. Ich sage also Danke, auch wenn man manchmal ja falsch liegt. (*Herzchen*). /Bloggen wird unterschätzt, insbesondere heute. Wo alles so flink immer gehen muss und wenig bedacht. Bloggen bedient das Ego, man kann alles mögliche öffentlichmachen. Aber in einer doch einigermaßen gesunden und semikontrollierten Geschwindigkeit. Ich kann das Bloggen daher nur empfehlen. /Genauergesagt: das Jubiläum war gestern. Aber ich war heut/gestern Abend trinken in Kreuzberg und unterhielt mich mit Carl Weissenhofer über Afghanistan, die Kunst, die Leute und ihr Lieben und Leben und Sterben. /Damals fuhr ich mit der Eisenbahn vom Vorharz nach Franken. So entstand dieser kryptische Text über Freizeit- und Arbeitsschuhe, der es mir offenbar wert war, ihn im Internet zu veröffentlichen. Ich erkenne mich selbst, habe aber nur eine diffus detaillierte Meinung dazu, was genau ich damals meinte. (*gedämpftes Smiley*). /Jedenfalls, ich habe in diesen 15 Jahren so viele wunderbare Menschen kennengelernt, über dieses „Bloggen“, die ich ansonsten niemals getroffen hätte. Dafür danke ich dem Internet. Und allen analog webloggenden Menschen, die schon wissen, was und wen ich meine. /Merci

https://schneckinternational.me/schuhe

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ansonsten alles seine gänge. und irgendwann hat sie ne brille, er hat linsen, er hat ein bäuchelchen und sie oberärmchen. ich bin ein mäuschen, denn ich stehe nachts auf und esse käse.

19.7.2021

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Möchte mir keinerlei Worte verbieten lassen, sie kontextlich zu erwähnen, geschweige sie abzubilden. Und künstlerisch und damit abstrahiert schon gleich gar nicht. Ich halte es auch für problematisch, allzuviele vergangene Denkmäler umzuwerfen. Oder allzuviele Straßen oder sonstige Orte umzubenennen. Das ging mir schon damals so, als in der Ex-DDR der große Straßenwind fegte. Für mich persönlich ein Informations- und Rechercheverlust. Ich finde es eher bereichernd und interessant, Verbrechern zu begegnen, immer wieder. Nur so lassen sich doch künftige Verbrecher verhindern, oder nicht?

Und außerdem möchte ich mich nicht bevormunden oder betüdeln lassen in meinen alltäglichen und schwerwiegenden Nachforschungen und Einordnungen, und damit meiner Ratio und meinem unbedingten und aufrecht selbstbestimmten Willen, die Welt zu kapieren. Im Glauben, nach wie vor, an’s Gute oder Schlechte, je nachdem. Auch wenns schwer fällt. Es muss schwer fallen, nur so kann’s leichter werden.

Vor allem die Vergangenheit. Geschichte ist eben passiert, da kann man sich auf den Kopf stellen. Der Becher Milch ist umgekippt. Oder der wurde umgekippt. Hitler war ein Mörder und Arschloch, und andere damalige und heutige sind es auch. Wie soll ich die erkennen, wenn sie mir vorenthalten werden. Ich habe gelernt, in diesen Momenten ganz besonders misstrauisch zu werden. Und umgehend dann trotzig.

Dieses Misstrauen gegen Wort- und Bilderverbote muss den Jungen („ah, ein Doppelwort!“, würde die Kirschkern jetzt anmerken) der Welt mitgegeben werden. Den grünen, den gelben, den schwarzen oder afghanischen und den weißen. Das funktioniert aber nur, wenn es keine Verbote oder allzu späte Tilgungen gibt. Nirgends. Oder nachträgliche Verunklärungen. Wieso denken manche, eine „Bismarckstrasse“ müsse nun umbenannt werden? Glaubten jene, ich sei blöd? Immerhin hat der doch die Sozialversicherung eingeführt, war’s nicht so? Oder war’s so nicht? /Und „Schwarzfahren“ und „Meine Damen und Herren“. Ein weiter Acker und vielerlei Hecken.

Das alles reizt mich dann, spätestens künstlerisch, umso mehr. Ich weiss, das ist ggf. nicht altersmilde. Das Wort „Neger“ als Bezeichnung für einen Menschen hat mir übrigens noch nie gefallen. Aber nun sah ich mich schon fast gezwungen, vor ein paar Abenden, jenes auch mal collagierend einzubinden, wenigstens irgendwie und vielleicht noch gepimpt für die jetztzeitige Rezeption – durch’s möglicherweise wärmende echte Lapislazuli unten rechts, in der steten Hoffnung, es möge vielleicht irgendetwas bläulich durchschimmernder werden. Oder an den Warzen der allseits geliebten Aufklärung zuzeln.

Oder eben dann halt nicht. Es sind diesbezüglich derzeit komische Zeiten, und v.a. so plötzlich. Was ist da los auf einmal, fast wie über Nacht.

Ja, ich weiss, es ist ein schmaler Grat. Schmal war der immer, deshalb geht man ja in die Berge. Dafür umso reizvoller in künstlerischem Anliegen. Eine Cessna (oder Piper?) hat für mich etwas sehr schönes und beschützendes. Ganz subjektiv. Ich saß vor langer Zeit mal in einer solchen, mit sechs Sitzen, im Osten von Afrika. Der Pilot war schwarz und ließ mich mit einem kleinen zugewandten Zeichen vorne neben sich im Cockpit sitzen, obwohl reiche Andere sich vor mich gedrängelt hatten und ich demzufolge als letzter eingestiegen war. Ich konnte damals noch nicht drängeln.

Bahrams Vater ✝

Nordsee nicht nur Mordsee

Ich habe hier ja lange nichts mehr über Bahram* und Salman* berichtet (*Pseudonyme, seinerzeit wegen Jugendschutz und überhaupt den düsternen Eigenschaften des Internets). Das sind die beiden damals noch minderjährig Geflüchteten aus Afghanistan, die ab dem Frühjahr 2016 als „Pflegekinder“ über zweieinhalb Jahre bei Frau Mullah, der Kirschkern und mir im Pfarrhaus lebten und zu denen heute noch ein sehr reger und herzlicher Kontakt besteht. Beide sind mittlerweile in Deutschland „angekommen“ und gehen, jeder auf seine Weise, ihren Weg. Nun ist etwas schreckliches passiert, Bahrams* Vater ist vor einer Woche an Covid-19 verstorben, was für die Familie in Afghanistan auch in Bezug auf die alltägliche Versorgung, mithin das Überleben in Ghazni/AFG, eine Katastrophe darstellt. Frau Mullah und ich haben schon spontan in dieser akuten Notsituation geholfen und nun gibt es auch im Umfeld viel Teilhabe und einen Spendenaufruf, den ich hier im Folgenden gerne unbedingt weiterverbreiten möchte. Wir sind froh und dankbar über jede kleine Spende. Haben Sie herzlich vielen Dank. (Foto: Bahram* auf Amrum, Sommer 2019)

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Mit diesem Spendenaufruf bitten wir um Hilfe für einen in Tübingen lebenden jungen Geflüchteten, den 21-jährigen Afghanen Nasim S., nach einem Covid-Todesfall in seiner Familie.

Nasim S. kam im Jahr 2015 als unbegleiteter Minderjähriger nach Deutschland und stellte einen Asylantrag. Inzwischen hat er im Jahr 2020 durch gerichtliche Entscheidung einen Aufenthaltstitel erhalten. Er absolviert derzeit die Berufsfachschule mit dem Ziel der Mittleren Reife. In Tübingen wurde Nasim lange Zeit von der KIT Jugendhilfe, dem Jugendamt und seiner Pflegefamilie betreut.

In der letzten Woche ist Nasims Vater Liyaqat Ali S. an einer Covid-19-Infektion gestorben. Die Ärzte im Krankenhaus von Ghazni konnten das Leben von Herrn S. nicht retten. In Europa wäre es durch den Einsatz von vorhandener Medizintechnik wahrscheinlich möglich gewesen, sein Leben zu retten. Auch an diesem Beispiel zeigt sich, dass die Pandemie die Ärmsten und Schwächsten dieser Welt am härtesten trifft.

Herr Liyaqat Ali S. hinterlässt in Afghanistan eine kranke Ehefrau, zwei durch Unfälle behinderte Töchter und Nasims minderjährigen Bruder. Die schiitische Familie gehört zur Volksgruppe der Hazara, einer in Afghanistan diskriminierten und durch Angriffe von Islamisten gefährdeten ethnischen Minderheit. Die humanitäre Situation in Afghanistan ist nach 40 Jahren Krieg insgesamt schlicht katastrophal.

Jetzt fehlt der Familie der Ernährer. Nasim konnte bisher durch Nebenjobs zwar gelegentlich geringere Beträge zur Unterstützung der Familie nach Afghanistan schicken, kann aber die Rolle des Ernährers von Deutschland aus nicht ausreichend erfüllen. Ein Familiennachzug ist nach geltendem Recht nicht möglich, denn dieser ist nur bei Ehepartnern und minderjährigen eigenen Kindern möglich.

Mit den Spenden wollen wir dazu beitragen, dass die Familie die Beerdigungskosten, die Krankenhausrechnungen sowie die Kosten für den lebensnotwendigen Bedarf an Lebensmitteln und medizinischer Versorgung bezahlen kann.

Wir bitten um Spenden unter dem Betreff „Nasims Vater“ auf folgendes Konto:

Andreas Linder / IBAN: DE55 4306 0967 7007 8401 00 / GLS Bank, BIC: GENODEM1GLS

Anmerkung: Dies ist eine private Hilfsaktion. Es können daher keine Spendenbescheinigungen ausgestellt werden.

Unser Ziel ist, mit mindestens 1.000 Euro helfen zu können. Wir freuen uns auch über kleinere Spenden und danken im Voraus.

Mit freundlichen Grüßen,

– Gudrun Bertsch, Co-Schuldekanin und ehemalige Pfarrerin der Ev. Kirchengemeinde Hagelloch, ehemalige Pflegemutter

– Matthias Hamberger, Leiter der KIT Jugendhilfe Tübingen

– Andreas Linder, move on – menschen.rechte Tübingen e.V., Beratungsprojekt Plan.B

– Tina Reitz, KIT Jugendhilfe Tübingen, Projekt jumbb

– Sebastian Rogler, ehemaliger Pflegevater