Bennie and the Jets

Am Lagerfeuer

Ruth hatte ich damals in den Keller gesetzt. Ebenso Ninja, eine Exilfranzösin. Danach war ich an der Reihe: Gabi, meine dreijährige Initiationsbeziehung, warf mich aus ihr raus. Davor alles drum und dran. Ich werde nie vergessen, wie mich Christof irgendwann fragte, ob es mir denn nichts ausmachen würde, mit ihm und Gabi gemeinsam über den Flohmarkt zu gehen. Auf Nachfrage erläuterte er, er sei doch jetzt mir ihr ein Paar, seit einer Woche schon. Davon hatte sie mir nichts erzählt. Wir waren jung, versöhnten uns natürlich und später half ich ihr beim Umzug nach Frankfurt, wo sie in die Wohnung ihres neuen Freundes einzog, was ich zum Zeitpunkt der Umzugshilfe jedoch noch nicht wusste. Ich litt ein Jahr und mied Frankfurt für zehn.

Als die Mauer fiel, war es Rike aus Charlottenburg. Dann kamen die wilden Jahre an der Hochschule. Ich trennte mich nach drei Monaten von Susanne mit dem Rastazöpfchen zur Musik von Pat Metheny beim ersten Schneefall. Mit Elke war Schluss nach zwölf Wochen bei einem Spaziergang im Winter bei Botnang. Der stillen Annerose gab ich den Laufpass nach einem halben Jahr beim MauMau. Dann war ich wieder derjenige im Keller. Ich finde ja, man muss im Leben beides erlebt haben. Regina also, die schöne magersüchtige Bildhauerin, sie hatte „sich zurückgezogen“, wie sie mir irgendwann brieflich mitteilte. Ich wurde fast wahnsinnig. Und erinnerte mich an Tina, die Radiosprecherin, die mich nicht wollte, nach unserem Paris (sie hatte einen Waschlappen aus dem Hotelfenster geworfen, um meine Empörung zu überprüfen oder meinen ‚Vergewaltigungswillen‘, wie sie mir später gestand; damals hatte ich mir gerade „Goodbye Yellow Brick Road“ von Elton John gekauft, das Beste, was er je gemacht hat) und Sils Maria, im Nietzsche-Haus. Eigentlich wollte sie mich zweimal nicht, auch Jahre später. Und einmal, ebenfalls Jahre später, wollte ich sie dann nicht und sie wurde zur Rächerin, vorrübergehend (wofür auch immer).

Dann Polly, die hübsche Saxophonistin, aber ich sagte wieder Nein und verzog noch am Weihnachtsabend aus der Wohngemeinschaft Olgastraße (Lada Combi, dunkelblau, ohne Dachreling). Endlich allein. Nicht zu vergessen die Nächte und Tage mit Monika, aber ich wusste früh, dass sie einem Traumbild nachhing und schützte mich rechtzeitig. Auch, als wir im Atelier lagen, im Sommer, in der nördlichen Ecke, wallend. Später hatte sie ein Bildhauerkind und ich war mit ihr ein halbes Jahr. Ich mochte das Kind und sie und die geliehene Vespa. Aber ich rettete mich. In Wien wurde abermals ich nach unten geschickt, Babsi (große Zeichnungen, SW) wollte mich nicht. Danach wies mir Angela, die schöne Jüdin aus (abermals) Frankfurt am Main, die Tür. Ich nahm aus Trauer eine Psychologin, mit der ich ein Paar wurde für ein Jahr. Unvergesslich die Streitereien in Seattle, nachts, und in New York im ‚Hotel 17‘. Zurückgekehrt sprang ich aus ihrem Fenster Hochparterre, weil sie die Türe versperrt hatte mit sich und einem mir unbekannten grünlichen Blick in ihren Augen. Und es war wieder Schluss. Sie, Beatrice, gab mir daraufhin aus Rache die wertvollen Amerika-Fotos nicht zurück, aber ich war lange nur froh, entkommen zu sein, wobei ich erstmals im Leben eine unbestimmte Angst hatte vor einem Messer im Rücken.

Dann lernte ich meine spätere Frau kennen. Ich war der festen Überzeugung, durch dick und dünn, bis dass der Tod. Ich war gerne verheiratet. Der Kirschkern ist ein Wunschkind, wie man es sich nicht größer wünschen kann. Umso erstaunter war ich, als sie mir nach zehn Jahren Ehe mitteilte, dass sie einen Neuen habe. Ob wir zur Paartherapie gehen würden? Sie hatte ihn besucht und kam mit einem ausladenden Herpes über der Oberlippe zurück. Da wusste ich, sie hatte bereits entschieden. Freunde meinten später voller Trost, sie hätten eher erwartet, dass ich alles beenden würde, wenn denn überhaupt. Aber ich bin im Grunde ein treuer Hund. Ich war ja selber erstaunt, über mich.

Sodann Affären zum Überleben, teils gottgesandt. Ich brauche ja immer eine Aufgabe. Und nun, nun bin ich wieder derjenige, der in den Keller schickt. Es hätte alles ziemlich schön werden können. Aber da war mir ein großes Aber. Vor mir und der Aufgabe. Ich mag keine Aufgaben mehr haben.

Vielleicht muss diese Suche ja bewahrt werden. Vielleicht auch ist es eine Sucht (ich glaube nicht). Gabriele sagte damals einmal: „Du, du hast ja deine Kunst!“. Das war ein Vorwurf gewesen. Ich habe nie eine Liebe in die nächste fließen lassen, wie das so viele so können. Dafür bin ich nicht gemacht. Ich habe ein wunderbares Kind. Und eine alte Dame, der ich – ohne dass diese das weiß – versprochen habe, sie nun bis zum Ende zu begleiten. Ich hatte eine gute Jugend, ich durfte sein, und ich möchte ihr das zurückgeben. Und dennoch sehnt es mich nach etwas, nach etwas beinahe immer noch Unbekanntem, etwas, was jenseits von Aufgabe.

(Und nochmals ein ‚dennoch‘, hey, yeah!: ich saß damals irgendwo hinten im Wembley-Stadium, im Summer of 84, hörte zu und ich ahnte von noch gar nichts. –> muzik: x)

/kann gut sein, ich lösche das. vielleicht ist ja auch alles erdacht. ich bin eben so. schnell schnell, und flink flink, weg damit!

2 Gedanken zu „Bennie and the Jets“

  1. haben da mehr erlebt als ich, Chapeau, Herr Schneck. Das in den Keller geschickt werden kenne ich, das geht manchmal direkt, in meinen Faellen aber auch indirekt, so dass ich zum Schicken forciert wurde. Nun, momentan funktioniert es, wenn auch wie das deutsche Sommerwetter – man ist nie vor ploetzlichen, unerwartet auftretenden Gewittern gefeit. Aber muss nicht so das Leben sein? Davor indes war es ein Wetter wie hier in Qatar: jeden Tag dasselbe. Kann, auch wenn es Sonne ist, mit der Zeit doch wirklich langweilig werden.

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