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„Küps“ ist ein sehr schöner und beinahe schon lustiger Ortsname. Dort heut gewesen, es gibt mehrere Schlösschen da. Wenn man nach Küps fährt, kommt man durch einen Ort namens „Trieb“: Durch Trieb nach Küps. Zurückgefahren sind wir natürlich auch: Von Küps durch Trieb. Bestimmt war ich nicht der erste, der das Ortsschild fotografierte. Manche Trieber können es gewiss nicht mehr hören und sehen, diesen Witz und das innere billige Grinsen über den Namen ihres Ortes. Geboren in Trieb, gestorben in Trieb. „Und wo kommst Du her?“ „Aus Trieb.“ Zonenrandgebiet. Das waren andere Zeiten, lange her. „Geboren 1902 in Trieb, verstorben 1978 in Küps“.
Vielleicht gibt es in Trieb oder Küps ja auch Stolpersteine. Will nachsehen.
Vorm wiederaufgebauten Renaissancerathaus 130km südlich Küps sitzt auf einer Bank ein betrunkener und etwas verwahrloster älterer Herr und singt „Die Fahnen hoch, die Reihen dicht geschlossen“. Ist eigentlich ja verboten. Zuvor hatte er Ännchen von Tharau und die Internationale gesungen. Meine Bratwürste schmecken wie immer, der Weizenschnitt heute ist wohlwollend. Am Tisch neben mir zwei jüngere friedliche Männer, der eine mit bemalter Glatze, Kringel und Punkte in rot und grün, die sich über Spiritualität und Kapitalismuskritik unterhalten. Der andere lange zeitlose Haare, dazu unmögliche Schuhe. Bin froh, dass es solche Menschen noch immer gibt. Die ihre Triebe im Griff haben.
Morgen wieder nach Küps, durch Trieb. Die Störche in Küps klappern schon.
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Nachtrag, 23.4. / „Russenkorso“ heute in Reutlingen. Unerträglich. Eine freche Opfer-/Täterumkehrung. Und dann alles noch aus dem Auto heraus, sicherlich zentralverriegelt. „Hupen und Sirenen polizeilich verboten“, lachhaft. Ein Autokorso, gleich einer Militärparade oder eines Konvois. Nicht mal den Mut zu haben, sich leibhaftig zu äußern, wie feige. Dazu noch ein Riesenspaß, samstäglich. Wie nach einem siegreichen Länderspiel. Wo bleibt eine klare Stellungnahme, Eure Stellungnahme? Ich bin gespannt. Stattdessen Diskriminierungsspektakel. Welche Diskriminierung angesichts der Gräueltaten Eurer Landsleute? Ein schiefer Blick im Supermarkt? Ein „Stoppt Putin“-Aufkleber auf dem Briefkasten? „Für ein friedliches Zusammenleben in Deutschland“ heisst es. In Deutschland, aha. Wie wärs mit einem friedlichen Zusammenleben anderswo? Keine Auskunft. Ich sehe sie schon, die beflaggten Pickups oder tiefergelegten Performance-PKWs mit weiss-blau-rot. Ihr Memmen, mit eurem wehleidigen Aufsitzen auf dem unsäglichen derzeitigen Beklagungstrend. Es widert mich an. Und ihr verspielt damit einen gehörigen Teil des letzten Restes meiner einst umfangreichen, auch familiär begründeten, Russlandsympathie. Hässlich, dumm und unverschämt. / Treffpunkt sei heute um 15.30 Uhr an der Hochschule in Reutlingen, dann 2 Stunden Rundfahrt durch die Innenstadt und sodann wieder retour. Ich wollte zunächst hingehen und staunend schauen. Oder diskutieren, diskutieren geht ja aber nicht, ihr sitzt ja im Auto. Ich werde stattdessen fernbleiben, meine Nerven schonen und ich hoffe, diese Eure zynische „Demonstration“ versinkt in zutiefst kränkender Nichtbeachtung und ebensolcher Belanglosigkeit. Widerlich! Schämt Euch.
herzliche grüße lasse ich einfach mal da!
Vielen Dank! Die ich hiermit herzlich erwidere, liebe Frau Meertau!
Herzlichen Dank für den wunderschönen Trieb-, Trüb- und Kipp-Text. Das mit den gewaltverherrlichenden Autokorsos wusste ich gar nicht – übel!
Liebe Grüsse
Offiziell sind jene Korsos nicht gewaltverherrlichend, sondern wenden sich „gegen die Diskriminierung russischer Bürger in Deutschland“ als Folge einer militärischen Spezialoperation. LG