friuli

am lagerfeuerchen

heute einmal mehr die fäuste in den taschen. Es gibt geschehenes, das wird man wohl niemals wirklich verzeihen können, so sehr man sich auch anstrengt. eigentlich verzeihe ich ja ganz gerne, ich bin da nicht der schlechteste, auch völlig undiszipliniert, meine güte. auch ich brauche ja hin und wieder verzeihung von anderswo. und dennoch muss man sich ja irgendwie (irgendwie…) einrichten darin, ohne selbst zu verungesunden. Das ist eine sehr sehr große aufgabe. der fäustliche anruf erreichte mich beim vorzeigen der eigentlich innerhalb der letzten woche recht schön gestalteten räume und einer derzeit fast willkürlich großen vorfreude. Etwas klappt nicht, etwas privates familiäres wird nicht klappen am kommenden wochenende, obwohl ich mich so sehr darauf gefreut hatte und es hat zu tun, einmal mehr, mit den letzten dreieinhalb jahren der gesamtsituation. (das ’so sehr‘ ist ja eigentlich nicht meine sprache, ich versuche das stets zu vermeiden, so sehr es eben geht).

der kirschkern hat früher zu fachwerkhäusern „Karierte Häuser“ gesagt.

und einmal hat sie in jungen jahren ein ganzes friulisches dorf um zweieinhalb stunden zu früh aufgeweckt, da war er ein dreiviertel jahr alt. um 3 uhr in der späten nacht oder am frühen morgen regte sich ihr magen, oder es waren die moskitos, ich erinnere es nicht mehr im detail, und sie begann ein zunächst leises murmeln und seuftzen. Die eltern schliefen jedoch vom guten wein und wollten dies auch weiter tun, wenn möglich. Daraufhin wurde ihre stimme erhabener und sie begann zu weinen. Die fenster in diesem warmen september standen noch offen in der nacht und so hörte dieses auch der erste hahn im ersten hof nahe der herberge, worauf der erwachte, und dachte, es sei schon zeit zum krähen. Sein schüchternes und noch verschlafenes leises krähen weckte alsbald den zweiten hahn im zweiten hofe jenseits der herberge, der seinerseits ebenso sofort dachte, er habe etwas wichtiges versäumt und nun schnell auch zu krähen begann. Der dritte hahn, im dritten hofe nächst der herberge mit den offen stehenden fenstern, der erschrak, da seine beiden stolzen nachbarn bereits zu krähen begonnen hatten und er beschloss, es ihnen sofort gleich zu tun, um nicht hinterdrein als zu spät gekommener dazustehen, vor den hennen. Und der hähne waren hunderte, die einer nach dem anderen es den seinen gleichtat. Das also ist die geschichte, weshalb das kleine italienische dorf an diesem einen morgen um zweieinhalb stunden früher erwachte als gewöhnlich, damals, und zwar wegen dem kirschkern.

man könnte das auch noch schöner beschreiben und dichter. dichter können das. ich jedenfalls putzte morgens müde die zähne im bad über dem waschbecken und da saß ein sehr kleiner junger noch durchsichtiger skorpion im porzellan, der mir schon drohte wie ein großer.

Und vorgestern hat sie mir dann ganz bescheiden am telefon mitgeteilt, dass sie jetzt zur klassensprecherin gewählt worden sei. als ich daraufhin gratulierte und jegliche anerkennende freude aussprach, da wollte sie das nicht hören (*pikiert*: „Papa!!!“). können sie sich vorstellen, wie stolz mich das dennoch, nebenbei, macht, auch? wahrscheinlich ist es eben auch ihre notgedrungene ’soziale kompetenz‘, die sie ohne diese – ihre – ganze geschichte der letzten dreieinhalb jahre (nunmehr) so nicht erlangt hätte. immerhin, vor drei jahren lebten alle beteiligten noch in Berlin und keiner redete von irgendeinem Weggehen. hoch also das patchwork, liebe jungeltern, am besten republikweit, da lernen die kinder noch etwas und zwar so richtig und fürs leben!

/andererseits ist es seltsam, wie viel sich im archiv befindet, da könnte man, ich, ja hallen füllen. Und dann notgedrungen und behutsam auch der blick auf die eigene vita. Man muss ja nicht immer das neueste an- und ausstellen, auch älteres war da teilweise ja schon besser, hier und da. ein völlig neuer blick auf’s Selbst mitsamt geschichte und erstmals gibt es auch dinge, die unverkäuflich sein werden, „privatbesitz“ heisst man das dann (süddeutsche sprachstellung). Ich muss mir wohl ein größeres, ein sehr großes, atelier suchen, monumentalität hat mich wirklich nie interessiert, aber jetzt tut sie es plötzlich und ich weiss noch gar nicht, warum eigentlich. monumentalität ist auch immer blendung vorbei am eigentlichen und schließlich geht’s ja um’s Eigentliche, worum sonst, oder etwa nicht?

/Da war dann noch eine eröffnung, gemarkung lebenswerk, hier, von ihm. Und ich bin ganz schnell nach hause gegangen, aufgrund der eigentlichen qualität, das gesehene ist wirklich fast peinlich (mein verständnis ist in der regel sehr groß!) und dies trotz rotlichtiger angebote. Es ist wohl der eine moment der historie gewesen, der seinen ruhm begründet, vielleicht ein glück für ihn, vielleicht auch ein schwein. Es ist immer viel glück mit im spiel und die richtigen zufälligen momente und auch viel abwesendes glück (was nicht mit unglück gleichzusetzen ist, auch nicht mit schweinen. ich kenne so einige zwielichtige fälle!). Bisher hatte ich bescheidenes glück, aber man soll sich ja immer auch bedeckt halten bezüglich der insgesamt glücklichen zusammenhänge mit schweinen im halben gesamten./

das wichtigste im leben (und darauf freue ich mich stets!) sind schließlich die Ausnahmen und der Rock’n Roll.

(und darüberhinaus, pardon, ein kirschkern, ein wahrer hirschsprung.)

4 Gedanken zu „friuli“

  1. Ein Gefühlscocktail, der es in sich hat und nicht von jedem vertragen wird. Angesichts dieser wirklich komischen Erinnerung (i.S. von Komik) und der Wehmut, die sicherlich damit verbunden ist, dazu noch diese Wut neben zärtlichen und stolzen Gedanken… Man weiß gar nicht ob man lachen oder weinen soll.

    Es ist schwer dazu etwas Angemessenes zu schreiben. Ich wünsche Ihnen zunehmenden Frieden, lieber Schneck.

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