maxmoritz

MAX aus pakistan ist 16, hat paar jüngere geschwister, spricht nur Urdu, schreibt kein lateinisch und war fünf jahre in der schule. zuletzt hat er im ländlichen gebiet in der elterlichen landwirtschaft gearbeitet, ist muslimischen glaubens und über den iran und danach in irgendeinem container in einer wohl eher (gottlob) unspektakulären flucht kraft schleppern nach ungefähr vier wochen in karlsruhe gelandet.

max ist fallbeispiel – er ist ein unbegleitet minderjähriger flüchtling. warum das haus und die bewirtschaftungen der familie zerstört wurden, ist unklar. zu seinen eltern hat er derzeit keinen kontakt. sein wunsch kraft dolmetscher: eine berufsausbildung in deutschland.

ein durchaus bewegender abend in einem sehr engagierten landratsamt. mit rollenspiel und erfahrungen, die manche schon zu berichten wissen. da werden die ganzen sachen dann endlich mal konkret. machen und nicht immer nur quatschen. ein schönes exzerp: 14-jährige scheinen überall auf der welt erstmal ziemlich ähnlich zu sein. spaghetti, markenklamotten, häusliche hygiene, ketchup und in reaktion darauf ein gesunder gastelterlicher menschenverstand. (ich hab die kirschkern im kopf.) jenseits von kultureller herkunft oder religionen

beten kein problem, weder auf teppich noch am tisch. auch ganz konkret auf konkrete nachfrage: max würde aufgrund landratsamt sofort eine schule besuchen. zunächst ein jahr lang vor allem sprache und schreiben lernen, mit dem ziel, nach weiteren zwei jahren auf der berufsfachschule den hauptschulabschluß zu erreichen. danach ausbildung oder lehre. sollte der abschluß für ihn nicht zu schaffen sein (wider erfahrungswerte), dann gibt es die möglichkeit des „fachwerkers“, in dessen status man jederzeit aufstocken kann/könnte im (grundsätzlich jederzeit) nach oben offenen bildungs- und fortbildungssystem.

einige anwesende pflegeeltern berichten über die hohe lernbereitschaft und motiviertheit von jugendlichen flüchtlingen. sic! (dachte ich mir so.) und dass dies auch ihren eigenen kindern gewissermaßen ein wenig die verschlafenen augen geöffnet habe.

und auch: bericht über moritz aus mali, der zunächst nie seine kleidung ablegte im endlich sicheren bett. moritz war übers mittelmeer gefahren und hatte offenbar unglaubliches mitbekommen. nach tagen und nächten erst hat er endlich zu weinen begonnen. und schließlich auch mal sein wertvollstes, nämlich sein mobilephone mit adressen, rufnummern und dann auch fotos der eltern, der heimat und der reise seinem gastvater gezeigt. da kann man dann erstmal nur daneben sitzen und hände halten. und eben einfach da sein, egal wer man ist.

darum gehts bei moritz (fallbeispiel) dann vor allem.

das denk ich mir schon. denn darum gehts auch mir, besser uns, auch. aber um zoobesuche sowieso (und um handyspiele) und ums rennen durch den wald und tiere und pflanzen und TV gucken. vielleicht auch ums hecke-schneiden, mädchen oder das außenwasser abstellen, bevor es friert.

der alten dame und ihrer betreuerin hab ich vorsichtig berichtet von diesem abend heute. die alte dame öffnet darüber sogar ihr matschauge und will, dass der fernseher ausgeschaltet wird angesichts meiner berichte. sie denkt sich da rein mit ihren jahren und nimmt teil. sichtlich bewegt, obwohl sie ja gar nichts mehr zutragen kann, in ihrem zustand. ?. die betreuerin (großes herz!) ist zunächst skeptisch. aber das mit osteuropa kriegen wir auch noch hin. verweise da oft sensibel auf christliche grundwerte und die papstkeule hab ich ja auch noch zur not und die vorstellung, ihr wundervollster polnischer käsekuchen würde einst arabienweit bekannt.

alte dame fragt in die runde: WIESO zeigen die nicht mal sowas im fernsehen zur besten sendezeit, wie man denen helfen kann? mehrfach fragt sie das und ich frage mich das dann eben auch. hilfe, kleine hilfe, einfach mal basismenschlich, könnte im grunde so einfach sein. das landratsamt und alle behörden sind – jedenfalls hier – sehr unbürokratisch (so scheints mir) und sehr engagiert. für schwere fälle gibt es eine 24h-dolmetscher hotline jenseits von hand und fuss. und vernetzung scheint auch höchstangestrebt.

das nächste wird nun sein ein hausbesuch. noch ist nichts klar, auch wegen der beruflichen situationen, vor allem der meinigen. bin ich doch so allzuoft unterwegs und nicht vorm ort.

VERGESSEN nun bitte max und moritz, aus datenschutzgründen. aber es müsste doch irgendwie möglich sein, die eigenen angehäuften fähigkeiten und möglichkeiten irgendwie in dieser gesamtsituation zur verfügung zu stellen. stellen sie sich vor, einem geflüchteten max würde dadurch eine beispielsweise landwirtschaftliche ausbildung ermöglicht werden und der kirschkern würde vor augen geführt, dass ihre frei getragenen blonden locken keine selbstverständlichkeit jedenfalls weltweit sind.

oder max würde dereinst (in jahren), alt und grau, in islamabad einem TVsender berichten, wie er (vor jahren) notaufnahme fand und badewanne in einem dörflichen süddeutschen pfarrerinnenhaushalt mit familiären anschluß zu einer alten dame, die noch in lankwitz zu berlin ausgebombt wurde und deren leider viel zu früh verstorbener zweitjüngster bruder (RIP) im alter von vierzig sich als alternativgeschlechtlich – damals noch: schwul – outete. als rechtsanwalt. seine hauptsächlichen kunden waren übrigens arabische teppichhändler aus nahost im zwist in hamburg, freihafen, mit syrischen und afghanischen banden, deren teppichgelder in bordellen am persischen golf investiert wurden, möglicherweise, die heutzutage den IS alimentieren.

ich hatte heute abend den eindruck, dass auch die behörden alles daran tun, die großgeschriebenen verwaltungsbestimmungen zu verkürzen bzw. zu vermenschlichen. ein durchaus positives erlebnis, jenseits von merkel, der „grünen jugend“ oder internet oder intellektueller problemeinordnungsbetrachtung – es gibt da menschen der tat, überall, auch dort, wo man sie gar nicht erwartet hätte. ein ziemlich gutes erlebnis.

ich bin gewiss nicht naiv. aber wir werden sehen. und umso schöner, wenn sich noch mehr leute das einfach mal anschauen würden und sich informieren. ich glaube, man könnte da jede menge menschen einfach mit durchziehen. ganz einfach wie als nachbar, und ohne groß pipapo. wie rasenmähen, stammtisch oder skifahren im februar. oder kehrwoche (übrigens eine sozialistische errungenschaft, sehr zu unrecht geschmäht), eben grundsolide, ohne viele worte, eher in bereichen der tat.

es gibt negative hemdsärmeligkeit, aber eben auch positive (wie die köchin zuletzt sagt). Das Dorf erzieht die Kinder und alles wissen, wie denn alles wohl werden wird, das werden wir sowieso frühestens in zehn Jahren, aber auch das war ja schon immer so.

Schon lange wollte ich ja eigentlich einmal wieder etwas Erotisches niederschreiben, irgendwie erotisch jedenfalls, vielleicht vom Strand bei Büsum, in irgendwelchen Dünen, sogar mit nackten totalrasierten polyamourös teilmasturbierend gegenderten Heimlichbeobachtern um 1983. Nun aber kam mir heute in dies schillernde Anliegen profanmental ein Stuttgarter Szenegalerist dazwischen, hineingegrätscht, ein überaus dümmlicher Depp, noch nicht mal wahrscheinlich mit funktionierender Bindegewebsrosette im anständigen Hauptganglion eines Mindestmaßes an Geschäftsgebahren. Einkreisend unverschämt. Dabei wollte ich lediglich einen verliehenen Keilrahmen zurückhaben./ Also Stuttgart, das wird wohl nichts mehr mit uns. Und schließlich waren da ja vor Jahren auch genügend Gründe, wegzuziehen. Ich werde Dich von nun an nicht mehr in Schutz nehmen, so wie ich das lange Jahre furchtlos und treu getan habe, bis gestern noch, sogar im Hurricane der immerwährend blöden Berliner Herkunftsverleugnung.

reif

erstaunt über meine abwehrhaftigkeit gegenüber einem möglicherweise vorgegebenen blindenwarenverkäufer am gartentor. misstrauischer blick ihm nach beim wagenladen. wie ein hofhund. knurrend. verachte schlendernde rentner, die mir meinen flinken weg versperren. menschen, die wahrnehmungslos im weg rumstehen. die roten ampeln nehmen mir die kraft fürs alltägliche. verachtung gegenüber der eigenen gehetztheit. dasselbe bei der gereiztheit. träume von gestapelten kurven. als ob man kurven stapeln könnte. niedergang der diskussionskultur, als ob man diskussionskulturen stapeln könnte. und wo könnte ich mir eine burka kaufen. was kostet eine burka. ich bin für die wiedereinführung von grenzkontrollen, allein schon deshalb, weil das früher immer so spannend war vom rücksitz aus. kind sein, musik aus, freundlich schauen, schon zwei kilometer vorher die pässe bereithalten. man hat dann das alles ganz anders wahrgenommen, diese länderübertritte. anderes geld, umrechnungen. fremd sein. höflich sein. man war ja gast. auch heute noch empört es mich besonders, wenn ein wagen mit beispielsweise schweizerischem kennzeichen die geschwindigkeit übertritt. diese reaktion als exzerp von werten, für die generationen vor uns ihr leben liessen. der erste reif auf dem rasen, igel, versteckt euch bald im blätterhaufen.

205,00

205 euro sind mir gestohlen worden. aus meinem stets behüteten geldbeutel, während er in meiner hand festgehalten war. gezogen offenbar in einem kleinen moment der unachtsamkeit, von dem ich glaubte, es hätte ihn gar nie gegeben. 3 stunden später wollte ich an anderem ort einige getränke bezahlen und da waren keine scheine mehr dort, wo sie – immer – sind. zuvor, vor dem diebstahl, war ich noch am bankautomaten gewesen, um mir einhundertfünfzig abzuheben, für tank und logie und mitbringsel. in der rekonstruktion des ereignisses kann es nur einen moment gegeben haben, nämlich denjenigen, als ich die alljährlichen skalpellklingen kaufte und bezahlte. es gibt auf dem nürnberger herbstmarkt immer einen schönen stand mit medizinischen geräten und dergleichen und dort erwerbe ich im herbst jeden jahres 20 skalpellklingen, 10 kleine und 10 größere. sie sind dort immer vorrätig, in apotheken hingegen haben sie oft nur diese einmalklingen oder sie müssten eigens bestellt werden. dort, an diesem stand, muss es also passiert sein, gegen 18.30 uhr, morgen vor einer woche. es muss ein meister der zauberei gewesen sein, oder eine meisterin. magie, beinahe anerkennenswert. nichts habe ich bemerkt, obwohl ich meinen linken daumen immer schützend über den scheinen, die im fach stecken, halte. wenn ich den beutel, so auch vergangene woche, in der linken hand halte. und nicht mal ein markgedränge war es, rempler – zieher – abdecker. eher war es leer gewesen, da der markt um 19.00 uhr ohnehin schließt. die sache gleicht einem kontrollverlustigem tagtraum mit anhängseln. dazu: es sind die teuersten skalpellklingen, die ich jemals erworben habe. ich werde sie hüten und schätzen.

Die Kirschkern erzählte, sie müsse nun unbedingt ihr Vorderlicht am Fahrrad reparieren, aber vor Ende der Woche würde sie gewiss nicht dazu kommen, leider. Tja, Termine. Morgens ist es nun dunkel, wenn sie zur Schule fährt, abends auch, wenn sie von dort kommt. Sie könne das aber nicht ändern, nein, vor nächstem Wochenende wäre einfach keine Zeit fürs Licht. Und dann grinst sie dazu, ein Schelm. Auch einen Helm aufzusetzen weigert sie sich nach wie vor. Sieht scheisse aus und überhaupt, die Haare. Sogar meine Finanzierungszusage für etwas Feines oder Ausgefallenes (aus England?) für den Kopf lehnt sie voll großer Güte und Geste ab. Und auch der ernste Hinweis auf die ebensoernste Tatsache, dass eine Person aus ihrem näheren Umfeld wegen eines Fahrradunfalles, bei dem die Verunfallte keinen Helm trug, nunmehr seit 3 Jahren im Koma liegt, hilft offenbar wenig. Gleiches gilt für das angedachte und kommunizierte Stornieren von Taschengeldzahlungen und/oder das Streichen von Urlauben und dergleichen Keulen. Hier und so entsteht wohl also jene sich entkernende fluoreszierend adoleszierende Selbstbestimmtheit, an und für sich ja etwas sehr Wertvolles und wichtig schnörkellos Schimmerndes. Jetzt muss sich dann nur noch die Reife dazugesellen. In der Zwischenzeit hoffe ich auf ihren Schutzengel bzw. den lieben Gott. Da kann man wohl nichts machen. Oder anders: Was will man da machen?

Vielleicht hat sie das ja von mir. Oder von ihrer Mutter. Oder ihrer Oma.

Bei Retouchierarbeiten in einer schönen alten Kirche an der Autobahn 9 bei G. krabbelte mir heute die ganze Zeit eine Blattwanze im angeblichen Tageslicht der Lampe hinterher. Ich überlege nun, ob es sich bei dieser um die vielleicht inzwischen reincarnierte schöne Marlene handelte, einer gebürtigen G’erin, die mir einst mein Herman-Brood-T-Shirt abreden wollte, was ihr aber nicht gelungen war. Damals fuhr ich einen dunkelblauen Lada-Kombi ohne Dachreling.