ziemt Oberkampf

Oberkampf

frage den elektrikermeister, was eigentlich passiert, wenn man einen eingeschalteten kühlschrank im winter bei minus 8 grad auf den balkon stellt. „nein“, sagt er, „der fängt dann nicht etwa an zu heizen. der schaltet einfach ab.“ er grinst ein bisschen, ich auch.

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ach, ich wär so gerne nach island, san marino oder in irgendeinen fernöstlichen kleinstaat ohne große internationale wichtigkeit hinein geboren worden. dann hätte ich eben andere augen, vermutlich. und hätte vielleicht kein abitur und weder latinum noch graecum, ich hätte keinen zivildienst anstatt dem militär gemacht, weil es vielleicht keine großtragischen kriegsenkelgeschichten in jüngeren vergangenheiten mit mord und totschlag gegeben hätte, mein papa wäre vielleicht erst vor 7 jahren gestorben, anstatt schon vor 55 jahren an den spätfolgen der von der heutigen AFD als vogelschisszeit bezeichneten jahre, ich hätte mich auch nicht um die psyche meiner mich leider sodann alleinerziehenden mama kümmern müssen, wegen ihrer verlorenen ostgebiete und gefühlten rittergüter und ihrer frühen verwitwung und ich würde auch nicht bis heute die wolldecke von oma mika aus pillau/opr. aufzubewahren mich bedingt fühlen, obwohl ich die ja nie kannte und nur meine fluchttraumatisierte alte dame immer so verliebt verklärt von ihrer oma mika sprach. ich würde auch keine geschichten über am kapitulationstag hastig weggeworfene wehrmachts-kleinpistolen im watt hinterm deich bei cuxhaven mich weiterzureichen bemüßigt fühlen, zum gedächtnis, „dies tut zu meinem gedächtnis!“, geschweige wäre ich vor nun beinahe schon 30 jahren mit der alten dame von kiel aus mit dem schiff nach OPR gereist, um den OPR-himmeln wieder die farbe einzutüten, für die allseits traumatisierten wirtschaftswunderer.

was ist das denn ewig mit diesem koloss namens „Deutschland“, kolosse mag ich nicht, nein, ich wäre gerne ein autistischer nordwestgrieche oder stiller südostfranzose geworden, oder in einem vorort von triest geboren oder auf einem unbedeutenden schäreninselchen, welches bald vom klimawandel verschluckt werden wird. wie gerne würde ich mich verkriechen, einfach mal so als abseitiger weltbürger, und nicht allein schon aufgrund meines passports verantwortlich sein für die genesung der welt, die menschenrechtliche humanisierung ebendieser, diese ewigen verantwortlichkeiten und vorbildfunktionen auch gegenüber denjenigen dies ewig missbrauchenden. wo doch sowieso die schurken siegen werden, so wie es aussieht.

wie oft habe ich „verbrecher“ irgendwo druntergeschrieben, künstlerischerseits, einen busen dazu gemalt aus schlichtem protest und sonniger lebensfreude, gar einen schweif oder schwanz obendrein mitsamt weiblicher vulven zur geneigten kleinprovokation, ach wo, wie billig, und es ZIEMT sich ja auch nun nicht mehr, soetwas, für mich. ich bin ja jetzt ein alter hase, dazu seit gestern ein alter mann, dazu noch weiß. mir bleibt eigentlich nur landschaft als malerisches motiv, oder tiere. ich könnte ab jetzt ja auch kreise oder elipsen malen, in den ausgefuchsten farben sublimierter lustbarkeiten. keine geschlechtsteile mehr und um gottes willen keine primärstrapse, dildoähnliche gebildlichkeiten oder gar nachtwäsche mit ggf. darunter verborgenen lustgrotten.

ein asexueller erzählonkel aber wollte ich eigentlich nie sein, noch werden. und auf die üblichen charmant altersgerechten versteckecken will ich auch künftig verzichten. vielleicht wäre ich ja auch gern schweizer geworden, in irgendeinem entlegenen bergtal, dem wallis zum beispiel. stattdessen muss ich seit gestern ein weiser und milder mensch geworden sein, dem die vernunft aus jeder pore, jeder silbe und jedem strich quillt. und der keine blöden witze mehr machen darf, um nicht als typologietoxisch rüberzukommen.

himmel, hilf. ich muss noch finden die neue rolle. und stelle. in einer wohlwollenden geburtstagsmail meinte eine tolle endsechzigerin liebevoll, ich würde locker als „endvierziger“ durchgehen. ach wo, liebe M. – aber danke von herzen! nein, ich nehme dies alles nass und forsch an. und bin froh und dankbar, überhaupt jetzt schon mal wenigstens so alt geworden zu sein, gestern. es ist nämlich vor allem immer eines, alles ein großes geschenk.

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zwei tage paris waren wunderschön!

/um 24 Uhr zu Bett.

4 Gedanken zu „ziemt Oberkampf“

  1. Welch Fluss, welch Witz, welch Geist und – Ach – welch Leben!
    Sage mir, Muse, die Taten des vielgewanderten Mannes, woher nimmst du dies – ich will es gar nicht wissen, ich geniesse es! Auch ich hier in Arkadien und bald zu Bett – wie s wohl in unserm Alter gut bekommt. Und auf bald in der Schweiz – in einem kleinen Bergtal – oder im schönen Zufikon im weiten Reusstal – danke für dich und deine Texte!

    1. Der Schnauz gelegt, die blonden Hosen straff, der Windmacht bessre Geister! Zum Zufikon geneigt der letzte Gang, der wortlos brach. Wir trafen auf Dreiviertelschrauben, dabei wollten wir nur nageln gülden einen Dank ins Gefüge. ; )

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