Schw

Es ist dunkel und dieses Hotelzimmer hier ist so trostlos, wie es trostloser kaum geht. Es kostet zwanzig Euro pro Nacht. Das Frühstück kostet fünf Euro pro Frühstück, also immerhin ein Viertel des Preises des Zimmers. Das Frühstück ist auch trostlos, das heisst, so gesehen ist das Zimmer wiederum recht billig (was es ja auch ist), ich meine günstig (für ‚billig‘) im Verhältnis zum Frühstück. Ich hatte ja aber auch nie behauptet, dass das Hotelzimmer hier teuer sei, im Gegenteil: es ist billig. Und trostlos, wie das Frühstück. Wobei ich durchaus auch Pensionszimmer kenne, die günstig sind, ohne trostlos zu sein. Nicht aber so hier. Das Hotel heisst „Hotel Berlin“, das ist vielleicht ein wenig hoch gegriffen. Dann doch lieber beispielsweise „Pension Altstadt“. Meine Nachbarn im Hotel Berlin sind internationale Monteure, die nachts schnarchen. Wahrscheinlich schnarche auch ich nachts. Ihr Arbeitsbeginn am Morgen scheint um sieben Uhr zu sein, das ermöglicht mir die Benutzung der Dusche auf dem Gang ohne Konkurrenz, wenigstens das. Ebenso bin ich alleine beim Frühstück, gottlob: Es gibt wenig schlimmeres als frühe Kollektivfrühstücke mit unbekannten Monteuren in trostlosen Pensionen. Ich will aber nicht klagen. Die Arbeit macht Spaß und die Kollegen sind so, wie ich mir Kollegen wünsche. Das gibt es nicht oft. Sie nächtigen leider zu Hause, weil sie es nicht so weit dorthin haben wie ich. Und das Hotel habe ich mir schließlich selbst herausgesucht, mithilfe des Internets. Das dazugehörige Restaurant übrigens heisst „Alter Schwede“ und ist derzeit, sehr zum Bedauern der Betreiber, stillgelegt, worauf ein handgeschriebenes Blatt im Windfang hinweist:

„Liebe Gäste des trostlosen Hotel Berlin, leider ist unser Restaurant Alter Schwede derzeit ausser Betrieb, weil es ebenso trostlos war, wie unser Hotel Berlin es ist, wir bitten um Verständnis!“

In der Ferne rattern kilometerlange Güterzüge, irgendwo noch ein paar schreiende Frauen, es regnet mittlerweile, gelegentlich Gischt von Maseratis und hie und da noch die Schritte der üblichen Verdammten, regiegemäß aber nun wenigerwerdend.

19 Gedanken zu „Schw“

  1. Ich nehme an, die penible Diskretion ist der Sorge um etwaige suizidal gefährdete Leser/innen geschuldet, die der Ort zur finalen Ausführung zu schreiten, inspirieren vermöchte.

  2. Während meines Aufenthaltes dort gab es meines Wissens keine Toten, weder durch eigene noch fremde Hand. Die Gegend an sich jedoch – soviel sei verraten – ist eine triste nach Osten hin. Der Westen des Fleckens wird bestimmt durch eine sehr künstliche Landschaftsarchitektur, gemeinhin Reiseziel vielerlei Senioren, die jedoch eher im Bus denn im Maserati anreisen.

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