Saigon Pickup

Saigon Pickup
saigon Pickup 2
Nachtkerze
Ateliercowboys
Sommer

John Zorn hört ja auch schon lange keiner mehr. mir war das eigentlich auch immer einen kick zu cool und nordamerikanisch weiss. zu kontrolliert herzlos, mit kalkülabsicht. nun aber, nach jahren, habe ich mal wieder post-post-postmodern hineingehört. es geht mittlerweile. danach aber dann lieber wieder allumfassend melodischereres. die zitat-manie jener jahre hatte mich natürlich auch erwischt bildnerisch künstlerisch. man musste das ja mögen. heute male ich lieber nachtkerzen, eine wundersame pflanze, die eben irgendwann eine nische entdeckt hat. oder wolkengebilde oder drei brüste nebeneinander. tags denkt man, sie sei vergangen, ihre blüte hängt zerknittert. aber abends dann erwacht sie sich und pumpt leben ihr ihre blüten, gleich ewigverjüngenden versprechen, wie wir sie als menschen ja auch kennen. hie scharlatane, dort funktioniert es tatsächlich. und immer sind noch weitere blüten in vorbereitung. ihre präsenz dauert sicherlich schon mindestens vier wochen lang. zwischen den im garten zwischengelagerten wertstoffen oder müllbergen für die sonderabfuhren hat sich in diesem jahr ein exemplar herausgewagt. da habe ich mit taschenlampe vor ein paar tagen ein foto beleuchtet und ein pflanzliches konterfei in voller nachtblüte eingefangen. ein bisschen so wie bei mir, wenn der tag geht, dann kommt die ruhe zur eigentlichen arbeit. gerne BIN ich nachts, auch tiefnachts, wenn es denn möglich ist mit anderer tagarbeit, im atelier und am schöpfen von allem möglichen wesentlichen und oft unwesentlichen. diese ruhe ist mir immer schon blut und genesung.

„saigon pickup“ als eigene kleine malerei (ca. 28x40cm, Öl auf beschichteter Mischholzplatte, 2001 im Atelier Nr. 2051 Paris Cité Internationale des Arts entstanden) ist mir selber ans herz gewachsen. im paris des jahres 2001 durfte ich ein halbes jahr lang sein und arbeiten, über ein stipendium großzügig finanziert, zusammen mit frau und kind. mit der kischkern – damals war sie ein wenig über ein jahr alt – in ihrer „karre“ streunten wir tags abenteuerlich durchs marais und sonstwo und ich sammelte bildgründe ein, die ich später am abend dann, wenn alles auch DORT schlief, malerisch bearbeitete. so auch dieses reststück, welches zum entsorgen einfach so in irgendeiner gasse zur abfuhr in den müll stand. „Saigon Pickup“ erinnerte mich in kindlich gespeicherten bildern an das ende des vietnam-krieges. es sind bis heute tagesschau-bilder von zerberstenden hubschraubern in SW während panischer evakuierungen der letzten amerikanischen soldaten von schiffen aus in meinem kopf. SAIGON, als irgendein klang, ist mir verbunden, ähnlich wie mondlandungen, bonanza oder die leute von der shilo-ranch. bei den nachbarn auf dem sofa sitzen und sonntag nachmittags filme oder komische nachrichten schauen, in SW. die oma, die dies ermöglichte, sie hieß „oma rieffert“. sie war aus erfurt gewesen, aus der damals sowjetisch besetzten zone, tief im westen gelandet in den 1950ern, ausgerechnet am waldrand. daher war auch meine erste nachbarschaftliche fremdsprache das thüringische, erst kurz danach das schwäbische. bei oma rieffert auf dem sofa gab es jedenfalls fernsehen, schokolade für die jugend und abstürzende amerikanische hubschrauber, die man nicht verstand. weshalb sie abstürzten. wo doch kurz vorher noch cowoys mit rauchenden colts durch prairien geritten waren.

das war aber auch irgendwie egal.

„SAIGON“ also, als immerwährender bildtitel, dazu so beinahe exotisch klingend. der politisches, dramatisches und wohl auch vermutlich schönes schwitzend vereint. die tochter einer frau mullah’schen freundin ist jetzt dort irgendwo. multiweltmäßig, konzern, arbeit, selbstredend global. mein langarm-shirt ist offenbar ebenda produziert worden, so lese ich im zuhinterst kleingedruckten. schön, so denke ich, dass da keine SW-hubschrauber mehr abstürzen heutzutage und ins meer fallen. einfach ZU VIEL, wenn ich klamottenzettel lese und doch zu wenig zeit zum durchnudeln der jetztzeitverhältnisse ist.

damals in paris habe ich – neben einem supermarktkäse „brain de paille“ zusammen mit der kirschkern, (den es aber nicht mehr gibt, den supermarktkäse, leider) – aber auch SCHRIFT – abermals – neuentdeckt, bestätigt und fortgeführt für mich, künstlerisch. und vielleicht auch das auf- und niederschreiben, die traute dafür, dies endlich irgendwann auch wirklich tun zu wollen (BLOG). tags war ich mit der tochter unterwegs und sammelte gefundene bildgründe ein nebenbei, abends friemelte ich vielfarbige ölfarbe in zuvor konstruierte, teis wirre, vorzeichnungen. dann kam der 11.9. in NY, der wagen ging kaputt auf einer fahrt nach stuttgart zu einer ausstellungseröffnung, wir mussten einen neuen besorgen binnen 7 tagen, die weltordnung war eine neue. zurück später in berlin begann sogleich langsam die zersetzung einer ehe, die wenige jahre später dann fulminant zerbarst.

geblieben ist für mich das wort „saigon“, ganz warm, fast zärtlich. und das wort „pickup“, ein ja generell sehr positives. ich muss mich bald an eine noch kleinere neue version alldessen machen. gerne altmodisch und zeitlos. vielleicht mit kringeln und dickem firnis, sicherlich mehrfach mit überlagerungen. „saigon pickup“, als eine art rettungsversuch aller sämtlicher lebenslagen des BISHERIGEN oder noch gar nicht so alter weltordnungen, so fühle ich das oft. eine beschreibung guter welt, wenigstens noch nach vorne hin gerichtet. so wäre das gemeint jedenfalls. vielleicht ja auch ein Emailleschild könnte daraus werden. alles jedoch ist nun anders, schon fast lange.

und während wir nun noch die anbringung der neuen stülpschalung durch die holzbauer erwarten, stürzen zufällig flugzeuge mit bösen mörderbuben an bord, jene ihrerseits menschenverachtende schlächter ihr dreiviertel leben lang, ab.

die welt wird v.a. immer pointenloser. das stört mich dann schon ein bisschen.

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