tgv

„Schon auch seltsam, wenn man nachts auf FB die verschlungenen beine pariser klamottengaleristinnen sieht, die man überhaupt nicht kennt, obwohl man mit ihnen befreundet ist. Die werden auch älter, dachte ich. Aber ich kenne die ja gar nicht. Und kaufen werden die nie was. Schöne beine kaufen ja nicht zwangsläufig.

Fällt mir ein agnes b. und ihre wohnung am endspurt der tour de france, wo ich auf dem schmalen balkon des 5. OG einem komischen nachmittagskünstlerfest beiwohnte, als sich die gedopten in die letzte kurve lehnten. Das war schnell vorbei, auch der rosafarbene jan ullrich. Leider hatte ich da beginnend – und durch die sommerhitze, das schwitzen und die diesem nachfolgende verdunstungskühle an den nieren begünstigt – eine art versteckten bandscheibenvorfall oder einen anderen mist im rücken, der mich 6 tage zum liegen im atelier und zu komischen übungen zwang. Ich war bewegungslos. Was wahrscheinlich gut war. Gut deshalb, weil die kirschkern mit mutter im vorharz verwandte besuchte und ich MEIN paris sechs tage lang allein genießen wollte. Das war psycho, ich bin mir sicher. Ich wollte nicht der erste sein. Ich schaffte nicht mal mehr den weg zum zigarettenhändler in diesen tagen und war auf freundliche mitstipendiaten aus der pfalz, wien und dem maghreb angewiesen, die mir von ihren tollen erlebnissen im sommerlichen paris erzählten, meine händchen hielten und sandwich gegen vorkasse brachten.

Es gibt einen film und interviews aus dieser zeit. Da sitze ich mit schnupfen am pariser arbeitstisch und antworte auf die übergroße frage „Was würdest du heute anders machen?“ voller pathos und meta: „Wir hätten nicht nach neukölln ziehen sollen. Eher nach mitte oder noch besser kreuzberg.“

Ebenso im interview meine antwort auf die frage nach dem „verlust der mitte“. Rusmann war sich später nicht zu schade, mein holpern im internet zu zitieren, bis heute hat er es nicht herausgenommen, und immer noch ist es versteckt bei Reinhard Döhl, er muss schon sehr gekränkt gewesen sein seinerzeit. Dieses „da gibt es einen walter… äh hans?… sedlmayr…“. Ich weiss noch, es war ein anstrengender ausstellungsaufbau gewesen, ich hatte mir abends ein bier aufgemacht und wenig gegessen, es war die rixdorfer braunschweiger strasse nahe dem bahnhof neukölln, der kirschkern war noch im bauch und alle ohne kinder hatten sowieso keine ahnung, wie das ist, kunst machen mit säuglingen. Ich selber hatte auch noch keine ahnung. Es war dann aber eine ganz wunderbare ausstellung, eine der besten des Deutschen Handwerks, dieses „Verlust der Mitte“ in der Galerie Wieland in der Ackerstrasse. Die es leider auch nicht mehr gibt.

Den dokumentarischen film von 2002 habe ich gestern einmal wieder angesehen, zusammen mit der alten dame und der kirschkern. Die alte dame freut sich über diese zeit, war’s doch eine, in der sie noch mobil war und familie kommt auch vor, zuhauf. Die kirschkern durchaus interessiert, das hatte ich nicht erwartet. Wollten wir doch eigentlich zu dritt am vorgestrigen Freitag den TGV nach paris nehmen und abends dann zurück, so eine kleine verrückte idee. Wir verwarfen. Wir wollen mal mehrere tage, lieber, dahin und dann in ruhe auf allerlei pfaden sämtliches ansehen. Anstattdessen sind wir gepaddelt auf dem oberen neckar und haben manche stromschnelle genommen, mit bravour. Das war wunderschön. Vorne im ausguck die köchin mit weißem Hut, völlig unerschrocken, mittig die kirschkern auf ihrem weg in eine parallele hochpubertät, ab und an taucht sie auf aus ihren tiefen, hinten am lenker eben ich. Ich bin dann auch am meisten nass geworden. Mein schicksal, meine aufgabe. Meine stromschnellen, mein arsch.

Morgen sind die vaterferien vorbei und die kirschkern reist ab.

Manchmal bleibe ich nachts nur deshalb wach, um wach zu sein. Manchmal bleib ich einfach wach, um zu sein. Dies ewige verweigern. Es ist so anstrengend, aber so wichtig. Für wen, für was, für mich. Am End.“

Das geht schon.

Bier für Franky. Pflücken irgendwas, bevor es verfault. Dampfnudelblues und Türkisch für Anfänger, das geht schon. Therapiebericht zu einem Fußgelenk, Wurstsalat nur draußen, draußen nur: Wurstsalat. Den Kühlschrank endlich abtauen und dort Bohrungen zur Wasserqualität von vor 30 Jahren, Wohnstätten und Heimatorte als Situationsbeschreibung für das Kleinhirn und große Muskelspiele, den Rand davon, den Rand voll. Eispopelrinde, geschliffen, kühl gelegt. Das geht schon. Früher alte Fotos in Kisten, heute auf Festplatten und beim Anschalten dann pfeift es immer noch, vergraben im Wald, der nichts übelnimmt in seiner Milde und seinem gütigen Mulch. Wichtig sind die Kanten, die gefrorenen Waldkanten, denn schaust Du dann nach oben, dann sind da Scherenschnitte voller Laub, alles milde Sorte, langer Atem, sogar die Jahrsiebte werden zu zickigen Dekaden (in der Dämmerung, die Quartale freut’s). So ein gelbes Tape, das geht schon, wer mag heute noch umknicken. /Bier (Wulle) für den bärtigen Franky und seine Hütte, sobald sie fertig, fast schon ein Schwarzbau.

Aber das geht schon.

….

(Alexanderplatz, 4einhalb Jahre, nachdem einer tot dalag.)

WIR haben jetzt herausbekommen, wie das früher wohl aussah, zuerst waren nur die Rundstäbe an den Fenstern im Gewölbebereich, die kleinen runden Säulchen in der oberen Kämpferzone – übrigens allesamt hohl – sowie die Rundsäulen an den Triphorien der Obergadenwände und die Schlusssteine im Gewölbe in „rheinischem Schiefergrau“ (vgl. Hofmann, 1903-06) gefasst. Möglicherweise dazu die oberen Kapitelle in Weiß. Wahrscheinlich schon kurze Zeit später – um 1293 – wurde alles in hellem Grau gestrichen und ein Fugennetz aufgemalt. Teils wurde diese Raumfassung weiß grundiert, in anderen Bereichen, unterhalb der Fenster, wurde das Grau direkt auf den Stein gestrichen. Die Unterschiede in der handwerklichen Arbeitsweise lassen sich nur durch Unterschiede in der Auffassung handwerklicher Arbeitsweise (um 1290) erklären. Die Kapitelle der oberen Kämpferzone dazu in leuchtendem Rot, ebenso eine schmale Hinterschneidung der Untersicht des Hauptgesimses oberhalb der im Mittelschiff aufgestellten Figuren. Allgemein lassen sich in allen Gebäudebereichen ca. sieben Raumfassungen bis zur letzten Maßnahme um 1830 feststellen. In dieser Zeit wurden auch die Emporen entfernt.

Auch wenn es kaum interessieren mag, es ist alles hochspannend, ebenso weitere Erkenntnisse zur Baugeschichte, die sich allein durch augenscheinliche Beobachtungen am Bestand und anschließend kollektivem Nachdenken ergeben. Zum Beispiel im Bereich der vermutlich ehemaligen Schwalbennestorgel aus dem 13. Jahrhundert.

Die nette Bettlerin, die vor der Kirche hockt, schaut mich inzwischen streng an, wenn ich wieder einmal eine kleine Pause vor dem Portal einlege. Das denke ich mir jedenfalls so. Heute gab ich ihr daher zum griechischen Euro noch einen Kinderschokoladenriegel, den sie „Grazie!“ freundlichdankend annahm und mir einen wunderschönen Feierabend wünschte (das dachte ich mir jedenfalls so).

Beim Weltgeschehen süd/südöstlich wird mir sonstig. Im Grunde bleibt ja nur misanthroper Zynismus. Sollen die doch selber machen und sich meucheln und ihr Ding alleine ausdaddeln über die nächsten 50 Jahre. Resignation über die Endlosschleifen des Schlachtens. Ich wüsste nicht, wo ein Hebel noch ist. Ich weiß nur, dass einem gewaltsamen Toten noch fünf Generationen lang gedacht wird. Die Informationsflut macht es nicht besser. Ich wüsste nicht, wie ich mich verhalten soll. Außer mich herauszuhalten. Welche zynischen Interessen hier und dort hinter großen oder kleinen böhmischen Städten lagern, liegen. Dazu Komplettverrohung in den Mitteln, wie formal. Da würde auch kein Tattoo mit Schießgewehr helfen. Auch kein abgeklärt westintellektuelles Meta-Gebaren mit Mundwinkelgrinsen, was mir in unserer Breite mehr und mehr auf den Senkel geht. (Das ist ein bisschen wie Marcel Duchamp. Dessen Beschwörung geht mir auch, und nicht erst heute, auf den Senkel.)

Anders bei den Whistleblowern. Da wächst mir nun die Hand auf den Zorn, 35 Jahre für den einen, zur Ergreifung des Anderen werden souveräne Flugzeuge zum Landen in souveränen Staaten gezwungen, der souveräne Freund des dritten wird über Stunden illegal verhört und der nochmal andere, der schöne Blonde, sitzt in einer Botschaft fest, in einem Land, wo es stets regnet und welches ja ohnehin selber machen will und auch schon einmal ein gemeinsames Reich des Wohlseins hatte. Das empfinde ich – spätestens seit heute, seit diesen „35 Jahren“ Aburteilung – als einen jetzt unverschämt frechen Krieg, dessen oberster Feldherr zudem den Friedensnobelpreis bereits erhielt. Die Macht des weißen Mannes. Man möchte sich separieren. Ich glaube, das wäre nicht schlecht. Man möchte es den Anderen gleich tun und sich endlich auch tätowieren lassen, sich bewaffnen und in der Wildnis, weit ab, leben und von dort aus Strippen und Fallen ziehen. Seinen Empörungen durch Holzfällen oder dem Essen von Igeln oder Verwandten Luft machen. Man möchte endlich auch: Verrohen.

In zwei Wochen bin ich seit vier Jahren Ferienpapa. Als ich also Ferienpapa wurde, saß Gustl Mollath bereits seit drei Jahren in der Psychiatrie. Rechne ich nach, dann wurde Gustl Mollath just in die Psychiatrie eingewiesen, als meine Exfrau sich sozusagen neu verliebte. In etwa also die Zeit, als ich mein Weblog einrichtete und begann, hinein- und hinauszuschreiben. Das verbindet mich mit Gust Mollath. Ferienpapa bin ich geworden zudem 730 Jahre nach Weihung der Basilika des heiligen Sebaldus. Das verbindet mich mit dem Hl. Sebald. Und mit dem Kirschkern.

einmal im leben briefmarken ablösen.

dtk_2

(DTK, 9.8.2013)

ach geh doch bitte schlafen, du große schöne fliege! /licht ist erloschen, der tag ging. wer rasen sät, muss rasen mähen. war ja schon mal, wiederkehr ewige. die gedanken an das N.-Haus in Sils Maria, woher kommt ihr, himmel, das war welt und schönes rauschen, winter wie sommer und die „unterkunft möglich für geistig und künstlerisch tätige“, für zwölf franken die nacht. warum, keine ahnung hat die fliege, die hingegen will noch einmal im leben briefmarken ablösen. auf einer der rückfahrten wurde helmut schmidt gestürzt am parkplatz an der autobahn im radio hinter der großen selbstmörderbrücke bei horb von helmut kohl. /bei dtkuhn gewesen. im städchen von rottenburg am neckar, das war gestern, ein schönes concert und eine wirklich gute kapelle, keine häme, natürlich alles alter schlag, jedoch flott in die beine hinein, präzise, das publikum in peace und love, ja warum denn auch nicht. sehr professionell alles und besonders auch die worte inzwischen der musik, da steht einer, dem das noch spaß macht und das merkt man. nur größer hätte mich der liebe gott machen sollen oder andere nicht so groß. /in wespenkonkurrenz brombeeren erntete ich, ein riesending heuer, das erste mal im leben selbst marmelade gekocht, schäm dich!, ein bisschen geheime zutaten dazu, die alte dame auf dem rotlackierten brauereistuhl daneben, sie freut sich, wenn was los ist, irgendwas, ganz egal, was. geh bitte schlafen jetzt, du stubenfliege, ich muss noch einmal im leben briefmarken ablösen, dann darf auch ich mich legen und als ein mann sah ich die sonne aufgehn. es ist sommer und ich habe arbeit, mir geht’s gut.

Bahndamm/eisenhaus

DER Bahndamm, 30.7.2012, /…oben auf dem alten Viadukt rauscht der nächtliche Güterzug, endlos. Unten rauscht der Bach. In der Mitte rauschte die Moni, hinter der Moni rauschte die Lisa. Die Lisa ist die „Laser-Lisa“, von der anderen Seite des Bahndammes, dort wuchs sie auf. (Ein paar Osteuropäer hatten vom letzten Wagen des Güterzuges das Feuer auf die spielenden Kinder eröffnet und dabei auch ins Obergeschoß der alten Mühle geschossen, die Frau des Arztes lag schwanger im Bett, sie und das Kind wurden getroffen und verstarben.) Auf ihr liegt rauschend die Moni. Oben hinten rauscht der Bach, hinter dem Bach rauscht die Mühlen-Gabi. Die Mühlen-Gabi wuchs zusammen auf mit Laser-Lisa. Diesseits wuchs ich auf. Unser Hund rauschte nachts und nachts rauschte der Bahndamm, wenn ein Güterzug vorbei fuhr. Ein paar herabfallende Kohlen lasen wir Kinder von hie und da der Böschung oft auf, dabei wurden wir von den bewaffneten Bewachern der Güterzüge beschossen. Dabei waren wir doch nur Kinder.

An der nächsten Raststätte rammte ich Mdme. Mühlengabi meine Fangzähne in den Hüftspeck und nahm dort neben Tanksäule 4 einen tiefen Schluck. Meine übliche Rache für’s Drängeln im Seat-Alhambra.

Was kommt eigentlich nach der Weltformel? Der Nebentisch, Belgier mit Bratwurst. Und die Bedienung sagt beim Abräumen immer so freundlich „Und?, haben Sie geschmeckt?“ Ich weiss nicht, ob ich sie überhaupt auf diesen Fehler hinweisen soll. Alte Männer, alte Männer tragen Bermudashorts, ich nicht. Niemals. Was tragen eigentlich alte Frauen?

Wenn einer alte Neonbuchstaben zu einem wahrnehmungspsychologischen Hochzitat (abgesegnet) zusammengewurstelt an die Wand nagelt und den Strom einschaltet, dann sieht das gewiss gut aus. Gute Idee, vintage dazu, Ästhetik der Dämmerung. Der Dämmerung des Abends. So einfach geht Kunst heute (aber auch schon länger).

Mir scheints, die Grünen entdecken die Nischenverbieterei. Gutewelt als Verordnung. Sofern am Hebel, kann man ja ein bisschen nachhelfen. Ich schätze mal, das ist erst ein Anfang, ein Probieren. Etwas daran stört mich maßlos, ich kann es nur noch nicht formulieren. Flaniermeilen für rechtschaffend Rechtschaffendes. Dann doch lieber freitags Fisch essen und mal wieder Testamente lesen, dazu Gitanes-Mais und Hüfte, .

Gewitterregen, kaum gestürzt, schon verdampft er wieder. Noch während seine Geschwistertropfen fallen, macht sich die abgekühlte Verwandtschaft bereits daran, abermals in einen anderen Zustand in Richtung oben übergehen zu wollen. Ruhe? Niemals. Eine Zecke zwischen den Beinen, erstmals dort, heute morgen in der zeckenlosen Stadt, sie muss sich also schon vorgestern an meinen Langhosenbeinen festgesetzt haben, oder an meinen Schuhen. Und dann nachts und in den frühen Morgenstunden, während ich schlief, heraufgewandert sein ins Feuchtgebiet. Hätte ich doch nur eine Bermudashorts getragen.

Guten Freunden, zum Beispiel der Mühlengabi, der Laser-Lisa, der rauschenden Moni, würde ich so etwas – in entsprechender Laune – als „Zecke am Sack!“ berichten, mit einer kokett hochgezogenen Augenbraue und einem unterhüftigen Daumenwackeln, aber etwas hier hält mich zunehmend ab. Der Wunsch nach Anonymität im Beschreiben einerseits. Andererseits könnte und kann man ja auch vieles so schön herausschreiben. Oft muss man den ersteren Wunsch bekämpfen oder ein wenig moderieren, oft das zweitere der sehr wesentlichen Ungelegenheitslust freundlich dämpfen. Das ist wie beim Zeichnen. Mal ist es so, mal ist es so anders. Der Expressionissmus ist etwas für Anfänger. Wenn es anders ist, dann befinde ich weit weg, z.B. an Böschungen uralter Güterzüge.

Vielleicht aber ist auch irgendwann das Ende eines Weblogs erreicht. Wobei ja nie alles gesagt ist, das ist nun wiederum das Schöne, denn es gibt immerhin stets immer wieder etwas neues im Erleben, z.B. eine Zecke frühmorgens zwischen den Beinen auf dem Way zu einem alten Eisenhaus nach Mögeldorf. Ich habe keine Ahnung und das, was wahr sein soll, entschwindet. Ich muss mich nur noch entscheiden, ob das gut oder schlecht ist.

waschbärhodengroß!

Tischtennisballgroß, taubenei-groß (wie groß ist denn eigentlich ein Taubenei?, „wachteleigroß“?), tennisballgroß (!), wie wäre es mit „waschbärhodengroß“ (?), besser noch: „Hagelkörner in Waschbärhodengröße!“ oder doch eher prosaisch „cornelkirschengroß“? („brombeerengroß“, eiskugelgroß…?) /Das Zentrum der Unwetter lag in den Landkreisen Tübingen und Reutlingen. Kein Spaß gestern am Nachmittag, ich hörte zudem auch sehr schadhaft Persönliches. Betroffenes.

Was aber verdammt seltsam anmutet: Ausgerechnet der Flecken H a g e l l o c h – das Waldranddorf kaum 3km vom Hauptschadensgeschehen entfernt – wurde lediglich mit ein paar wenigen Eiswürfelchen von oben her beworfen. Glück gehabt. Mal wieder. Ich weiss, ich hab‘ gut scherzen.