agip

tgbch.; italiener und spanier mit nebenstehend einheimischem unterhalten sich in englisch, neben mir, neben mir ein bier, lauter kunstschaffende, eine eröffnung ist das, sie unterhalten sich über das berliner blau und den zeitpunkt der erfindung in berlin, ich schalte – was ich sonst nie tue – mich ein, grätsche freundlich mitteilsam dazwischen und erkläre, dass es ein wettlauf war zwischen berlin und paris meines wissens, ein künstliches blau erstmals herzustellen, irgendwann anfang des 18.jhs und dass beide chemiker beinahe zeitgleich es gefunden haben, das rezept (miloriblau), und dass es deshalb, dieses blau, auch pariser blau heisst, neben preußischblau und berlinerblau. dass es aber nur drinnen angewendet werden konnte, weil es nicht kalkecht ist, suche nach dem verdammten englischen wort für kalk, es fällt mir ums verrecken nicht ein und der typ neben mir – eher ein bildhauerisch arbeitender, wie er vorher auf die freundliche frage des einheimischen geantwortet hatte und dass er gerade nicht reden wolle über sein werk, maniriert etwas, er sei „so erschöpft“ – schaut mich genervt an, zumindest bilde ich mir das ein, genervt über meine besserwisserei, dabei war es doch nur auskunftsfreude in einem mir gut bekannten terrain. aber die anderen danken artig, wirklich eine nette episode, ich sage immer „chalk“, aber das heisst doch kreide, schließlich, schon auf dem weg hinab vom berg fällts mir ein – „lime“, das ist es, fand ich immer schon komisch, denn leim heisst doch „glue“, das ist ein sprachkreisverkehr, ein komischer. und so weiter. und erst mitte des 19.jhs erfindet BASF near of mannheim, also „in the south of frankfurt“ das synthetische ultramarin, woraufhin alle alles an der wand und im aussenbereich erstmal blau streichen, so toll war das. dass das plötzlich erschwinglich nicht nur für die könige und die kirche war. die einzige zeichnung, die ich hätte kaufen wollen bei dieser ausstellung, ist diejenige, die plötzlich verkauft ist. auch recht, geld gespart, welches ohnehin nicht anwesend.

immer wieder diese blau-geschichte.

heute eine jungsche gesehen auf der strasse, die sich die haare grau gefärbt hatte. mein erstes mal, sowas zu sehen. muss gefärbt gewesen sein. ein paar schritte später hauen mich zwei studentinnen an, sie würden kunst studieren und hätten jetzt so ein project, dass sie passanten ansprechen, um jene um etwas, einen mitgeführten gegenstand oder ähnliches mitsamt dessen geschichte zu bitten. ich gab ihnen meine notstreichhölzer, ein bedrucktes zündholzheftchen von AGIP aus dem jahr 1974, damals waren die alte dame und ich mit einer tante im alten peugeot durch italien gefahren bis hinunter in den golf von neapel. die beiden waren beeindruckt und bedankten sich sehr. mir hat das auch freude gemacht, man muss ja auch weiterreichen die dinge, die schöneren.

analog eben

tageb.; rübergelaufen nach nordosten, mit der grünen jacke seh ich aus wie bolle, wie ein zeitloser opa, über heinrichplatz (remember „rote harfe“!), später lieblingsköfte in der „hierlebtderkoran“-strasse und sanft geglitten in die dresdnerstrasse, wo sich einst die galerie broschwitz befand neben der mauer, die grad gefallen war, und wir jeden abend in den w.-engel am anderen ende der strasse rübersind um alles kleinzukauen (kunst, welt, frauen) mit unseren cowboystiefeletten, grüne jungs, die wir waren, dann den bus nach westen und noch ein wenig u-bahn tuckeln und dann verlaufen in moabit, wo wir vor 6 jahren beim perser mal waren, die kleine kirschkern usw., zusammen mit der kinderladenperle, und irgendwie schon abschied gefeiert haben und wo ich nun, hab ja kein smartphone, die ottostrasse nicht fand, wo einst der liebe ex-neffe wohnte, (immer diese „wo“-reihungen), nur, um eine querstrasse der ottostrasse zu finden, die ich dann aber irgendwann auch fand und wo wir dann wunderschön getrunken haben, die saoirses und ich, es geht eben nichts über langjährig analoge bekanntschaften. oh ja, denn das erst-analoge konnte ich auch schon nachmittags erleben bei einem ebenso sauschönen kaffee und kuchen im lieblichen kreuzberg-süd-ost, wo die stunden im fluge verflogen, mit erzählen, berichten, dem beschreiben von katastrophen, lachen und viel viel herze. dank, liebe chronistin – das machen wir wieder!

heute schnürsenkel kaufen und abends zum gasometer. schon wieder trinken. und eine quatschkarte an die kirschkern.

Odessa

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(Fotographie, 23x29cm, Fundstück Flohmarkt 1997, Bildseite)

Mein Urgroßvater Johann Schneck, Kolonist, Landwirt und Lehrer, war es, der in Odessa ein stattliches Mietshaus für 26 Parteien erbaute, mit erstmals (so wird es stolz erzählt) fliessend Warmwasser und einer Zentralheizung. Das muss um 1910 gewesen sein. 1918 flohen er und seine Familie vor den Bolschewisten, zunächst nach Istanbul und dann zwei Jahre später nach Stuttgart, die Stadt der „Auslandsdeutschen“. Mein Grossvater Rudolf Schneck wurde 1898 in „Südrussland“, also der Ukraine, geboren. Auch er floh nach Stuttgart und heiratete dort meine Großmutter Johanna Schneck, die von der schwäbischen Alb stammte. 1920 wurde mein Vater Harald Alexander Schneck geboren. Den zweiten Namen „Alexander“ gaben seine Eltern ihm für den sehr ersehnten Fall, einst in die gegend um Odessa zurückzukehren. Russisch sprachen sie alle, außer meiner Großmutter, die schwäbisch sprach.

Gerüchte besagten, dass beim Einmarsch der Bolschwisten in Odessa der Hausmeister des Gebäudes liquidiert wurde mitsamt seiner Familie, weil er für den Besitzer des erwähnten Anwesens gehalten wurde.

Urgrossvater übersiedelte ein paar Jahre später nach Pommern und bewirtschaftete fortan dort ein landwirtschaftliches Gut (ich glaube, es hieß Eschenwalde), zusammen mit seiner Frau Katharina, einer geborenen Levi. Mannigfache spätere Ariernachweise seitens meines Großvaters (also ihres Sohnes) belegen seinen Wunsch, diese Herkunft in schwieriger Zeit möglichst unsichtbar zu gestalten. Das Grabmal meiner Urgrossmutter entwarf ihr Witwer selbst, es wurde später offenbar geschändet von der SS wegen des gravierten Namens „Levi“ (so wie es eine Großtante, die in Berlin, Hauptstadt der DDR, ihr Leben verbrachte, mir noch direktmündlich überlieferte nach der Wende, irgendwo in Treptow im Herbst 1999, VH 2. Stock).

Durch den Hinweis eines neuköllnischen Nachnamensvetters bekam ich, ebenfalls 2003, brieflichen Kontakt zu einem sehr alten Herrn, Viktor S., wohnhaft mittlerweile in Dormagen in Westdeutschland und spät übersiedelt aus Kasachstan. Es stellte sich heraus, dass er der Sohn der Schwester meiner Urgroßmutter war. Er bestätigte die Existenz jenes Mietshauses in Odessa bis heute und sandte Fotos, die Bekannte in seinem Auftrag auf meine Anfrage hin davon angefertigt hatten. Diese Fotos würde ich nun gerne hier teilen, aus einer Laune heraus, mitsamt anderen familiären Lichtbildern aus jener Zeit. Jedoch befinden sich diese in Süddeutschland, wo ich mich gerade nicht befinde. Ich werde das ggf. nachholen oder auch nicht.

Ich wollte mir immer schon mal diese ganze väterliche Herkunftsgegend in der südlichen Ukraine ansehen. Auch deshalb. Und in Odessa, der Hafenstadt mit diesem so wohlklingenden Namen, das alte Mietshaus suchen. Danach vielleicht einen Badeurlaub auf der Krim anhängen. Das wird nun aber wohl bis auf weiteres nicht möglich sein. Und ich dachte und hoffte, diese unvernünftigen Zeiten seien vorbei.

Das alles ist Europa. Nicht das alte und nicht das neue, sondern das, was es ist. In seiner ganzen Verwobenheit. Es scheint kaum, dass die Verantwortlichen aus Übersee darüber irgendeine Empathie haben. Insbesondere nicht diejenigen, die sich nun weltpolitisch forsch, konfliktorientiert und kriegsbereit geben. Ich würde ja auch nie auf die Idee kommen, Kalifornien den Spaniern zurückzugeben oder den Irokesen Waffen liefern.

Genausowenig allerdings auch, wie ich derzeit eine Militärparade ausgerechnet auf der Krim abzuhalten planen wollen würde.

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(Fotographie, 23x29cm, Fundstück Flohmarkt 1997, Rückseite)

püster

Jahrelang habe ich mir also aluminium unter die arbeitsam und schweissgebadeten armachseln geschmiert. Nur, weil ich die pflegelinie von NIVEA unterstützen wollte und mir das firmeneigene logo, zeitlos wie es ist, so gefällt. Und ich vordem dem bruttosozialprodukt beipflichten wollte, indem ich mich gut riechbar zu machen meinte gegenüber vermutlich partnersuchenden vermehrungsgewillten weibchen, allein wegen der volkswirtschaftlichen geburtenrate, mithin demzufolge der rentenkasse und dem nichtaussterben meiner schicksalshaften volksgruppe. Will sagen: altes europa.

Ich habe nach zwölfstundentagen meine hände angespuckt (wie oft), um sie danach mit – ausgerechnet – plastikkügelchen reinzuwaschen. Wie ich jetzt erst erfuhr. Und nun das.

Das aluminium unter dem arm könnte demenz und diabetes verursachen nach jahrhundertelangem gebrauch einerseits.

und die plastikkügelchen im duschgel und in der zahnpasta, andererseits, könnten sich in meinen körperteilen angereichert haben, um ungeahnte folgen zu verursachen, von denen noch keiner weiss. Wieso sind eigentlich plastikkügelchen in der zahnpaste, wieso nun anzunehmend in meinem hüftgelenken, ellenbogen, bauchlichen weichteilen und drüsen? Und wieso ist überhaupt aluminium im deodorant?

/Uncool im besonderen sind ja auch die auszuschalten nach dem grossen regen vergessenen heckscheibenwischer im oma-intervall bei sogar den mich während lasterüberholend wegpusten wollenden audi-kackern mit ihren breitschlappen (abermals aluminium) auf der A6 hinter dinkelsbühl oder ilshofen-wolpertshausen. Freut mich jedesmal heimlich. Das ist wie offene schnürsenkel bei schwiegereltern oder mayonnaisefleck auf hose beim CEO-plustern auf irgendeiner hybrid-hauptversammlung im süddeutschen. Und dann versagt zahnpaste.

/Bezeichne jeher wärmende raumlüfter als „Püster“. Worüber sich die köchin und die kirschkern köstlich amüsierten. Das wort kommt von der alten dame und ich trage dieses gerne und voll stolz trotzig weiterfort, eingedenk ostpreussischer vorfahren, im haff versunken. Kutscher und unternehmer mit fisch, bau und bernstein. Auch sogar hanseatisch, später. Ohlsdorf, Püster.

Glück.

Eine dezent schwarzglitzerne unterwäsche für männer habe ich mir im selbstversuch gegönnt, die war heruntergesetzt hälftig immerhin im fränkischen karstadt. Einen boxerslip. Endlich gibt’s auch besonderes und form für männer wie mich. Wusste ich gar nicht. Es geht ums halten und den Sitz, soll keine was sagen. Ich wuchs auf mit feinripp. Um selbstbewusstes, wenn denn schon alle schlüsselpositionen feminin besetzt sind. Um körper und um dreh. Suche jetzt noch silberne turnschuhe und niemand soll mir was erzählen, wenn je ein senkel offen.

Aber lachen musste ich schon.

/Iker caTHillaTH. Der torhüter, den alle affin spanierliebenden so unerfüllt spanierlieben. Das ist ein guter typ, und wenn man das spanische TH sprechen kann, dann funktioniert das alles auch in einer sportsbar in nürnberg beim hefeweiTHen. Die armen mündchener. Die armen frauen. Es gibt sehr glückliche momente in meiner heterosexualität.

Meine erwebungen in diesem jahr sind jetzt also abgeschlossen: ein analoger plattenspieler aus london, 4 paar socken, zwei neue brillen vom hermannplatz (sonne/mond) und eine RX 100 digitalbildkamera im angebot. Quälend schön, seit gestern und wie sehr ich mich darauf freue. Möglicherweise im herbst noch jene silbernen turnschuhe, die mir dann vielleicht das nächste jahr pekuniär erklären. Hat noch zeit.

Mit der RX 100 (ah, aluminium!) kann ich nun endlich und wirklich detailscharfe bilder liefern. Aluminium war eigentlich immer etwas gutes für mich.

/Heute nun rasenmähen, welch spießige angelegenheit. Der garten ist so schön und nass. Ich werde die frechsten sprieße schneiden, immer aber eingedenk, ICH könnte das sein. Aufpassen und nicht übers kabel fahren. Sie haben ja keine ahnung. Die messer müssen geschliffen werden, das kabel lange genug und niemals brüchig angesichts Feuchte und immer wachsam. Die Margeriteninseln werd ich stehen lassen, auf wunsch der alten dame, wie seit jahrhunderten. Das sind jetzt ihre letzten wünsche, aber es gibt so viele margeriten und so viele schöne wünsche.

Und unten im dorf stehen bereits die ersten russischen panzer und haben einen wichtigen checkpoint besetzt. (Das werde ich der alten Dame aber lieber nicht erzählen.)

Besuch in Mündchen

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(schönes M.)

Schöne Osterferien im Ateliermündchen. War alles dabei, Mischgetränke aus aller Welt, Anflug Thomasstraße über Theresienwiese, Kies statt Kiez, ein echter Tatort mit Leiche aus Ohlau wegen Dusche (29) und ein knappes Bikini-Boddin (ein Schnäuzchen?) bei hochpubertierender Hohlweltsonne. Sowie pflückreife Hipster. So soll’s sein.

ich, ich und meine sünden

Oh Welt, sieh‘ hier dein Leben. EG 84

„(…) Ich, ich und meine Sünden,
die sich wie Körnlein finden… (…)“

/am karfreitag, die köchin war großartig in ihrem dienst. vieles, und vor allem auch tacheles. es gibt da ja ein beinahe alleinstellungsmerkmal des C., so scheint mir, das motiv der vergebung. meines wissens gibts das sonst nirgendwo, aber ich bin ja kein theologe. moderner klänge vielleicht ‚des vergebens‘. es ist nicht die „sühne“, also irgendein preis oder ähnliches oder eine „strafe“ oder ein „opfer“ oder eine personenspende, nein, das vergeben überantwortet die sühne allein dem gewissen des „täters“, des tuenden. mit der qualität, unleidvolle spiralen zu durchbrechen. das ist ein sehr reifer gedanke, der der eigenerkenntnis seltsam höchsten wert zumisst. immer wieder und mehr als tausend jahre vor der aufklärung. das haben einst kluge und weise menschen in die welt aufgeschrieben. man muss ja nur schauen, was wieder so passiert gerade überall. die historiker sagen, ein krieg von fünf jahren dauert fünf generationen mit allem drum und dran. die schwerste aller menschlichen entscheidungen ist wahrscheinlich nicht das heiraten oder töten, sondern das vergeben.

was dann über die jahrhunderte daraus gemacht wurde, steht auf einem anderen stein.

/der chor (unser chor), also der kirchenchor, bewältigte den Hugo Distler mit bravour und angemessener demut vor stimmlichen menschlichkeiten. wir haben das unseren möglichkeiten entsprechend höchstrübergebracht. ferner, im bass konnten wir uns steten proustens nicht erwehren während des singens oben zitierter zeilen. der atheist, [ehemals max planck, der, der herausgefunden hat (fruchtfliegen), warum mohrrüben gut fürs auge sind und damit uralte bauernregeln endlich wissenschaftlich bestätigte], er steht immer links von mir, bei den proben immer rechts, er also und ich waren uns abermals einig im metahumor, gleichzeitig spürend an irgendwas, so vermute ich. und ich glaube wohl, ich kenne kein einziges tier, welches einem artgenossen ein so ausgiebig quälendes verenden (und so kann man das ja nennen, eine kreuzigung) zumutet. verhöhnung, noch im sterben lassen, auch dies ja ganz flott aktuell.

die ganze zeit betrachtete ich also von der empore aus die fast lebensgroße schnitzerei eines christus am kreuz aus dem wahrscheinlich späten 18. Jh. rechts des altars und aller scheiss der menschenwelt kam kurz über mich und meine zornigen sinnesenden. das ist natürlich naiv. ich bin eben so. später am abend dann haben wir mit den kids auf dem sofa indiana jones – der letzte kreuzzug angesehen, und die köchin und ich schätzten zuletzt beruhigt ein: ein semiwahrer karfreitagsfilm ab FSK 11,5 über den heiligen gral, das böse und das gute. ganz einfach klipp und ganz superherrlich klar.

/mir dämmert nochmal auf andere art, ein dämmerzustand, ich wusste das ja alles schon, ich bin ja nicht blöd, und symbole, zumal ganz alte, fand ich immer schon spannend und konfliktwürdig. dazu mein leben, die landschaft und das anderer in zeichen. und meine naivität werde ich notfalls mit waffen verteidigen. /ach, wie schön. wünsche allen sehr herzlich frohe ostern!

karfreitagtanzverbot

Heidelberg, Diese stadtspatzen und wie sie widerhallten ohne autos am samstagmorgen. Erinnerte demzufolge kurz auch einen anderen morgen, einen Sonntagmorgen, helmut schmidt war gerade gestürzt.

Seit langem ist sie beim rundfunk. War mir immer eine gute freundin. Manchmal hör ich sie zufällig noch im radio ab und an, dann denk ich an sie und wie es ihr wohl geht. Dort hatte ich mir angesichts bevorstehend einer kleinen gemeinsamen parisreise elton johns „goodbye yellow brick road“ gekauft, ein für eine zugreise wahrhaft sinnloses doppelvinyl, dafür aber fürs spätere leben, dazu eine schmucke hose auf ihre erfahrene empfehlung hin, nach unten eng zulaufend modegemäß und in einem braun, welches nun Opel wiederentdeckt hat, wie mir gestern auffiel beim ausschritt aus der kirche.

Ich trug rötlichen doppelschnauzer und las umgehend „Du fährst zu oft nach Heidelberg“. Das erste mal seit meiner mutter hatte ich neben einem weiblichen menschen in einem gemeinsamen bett geschlafen und kein auge zugetan. Ich hatte für mich keine augen zugetan. Ich konnte noch nie ganz nah neben irgend jemandem anderen schlafen. Dann war klassik zum frühstück von kassette, wie in allen geisteshaushalten mit anspruch, und eben jene stadtspatzen. Man wird so oft alleine gelassen mit sich, aber das ist ja oft auch richtig so.

Die nachschau.

Auch die saarschleife bei mettlach und das erste mal schnecken zu essen. Das einzige mal bis heute. Nach den schnecken wollte ich rauchen und wusste nicht, ob dies zwischen zwei gängen der etikette nach in solch einem edlen restaurant erlaubt sei. Ihr vater gab mir feinsinnig zugewandt und sehr weise (leise) auf den weg, daß zunächst unvorbehaltlich erlaubt sei, was ich mir erlaube. Selbst hier. Das hatte mich sehr beeindruckt.

Ich war immerhin ein junger vaterloser mensch. Wir rauchten dann jeder einen seiner cigarillos und ich eine meiner zigaretten schnell dazu. Dabei hatte ich mir morgens beim rasieren vor aufregung dieses saarlandes in die kottelette geschnitten. Wie mir das immer passierte, wenn es jemals drauf ankommt, bis heute. Ein gutes zeichen und schönes bild allemale.

Ich trug also rötliches pflaster und rötlichen schnauzer in einem kleinen feinen saarländischen restaurant mit dem namen „l’escargot“. Der koch war dick und zündelte schwitzend irgendetwas am tisch. Ich empfand seine ausstrahlung obgleich seiner immensen körperfülle als sehr sinnlich, er war eins mit seiner geübten flambiererei und trug funkelnde schweissperlen auf der stirn, die merkwürdigerweise auf nichts heruntertropften. Ein überaus runder mensch eben, ganz und gar im Eros seines gegebenen selbst. Auch das habe ich mir dann äußerst fürs leben gemerkt, für meine werkseinstellungen.

Seit jahr nun wieder einmal in heidelberg, ich war angetan und wohlfühlend. Auch von den gastgebern. Ein richtiger strom ist der neckar dort, kurz bevor er aufgesogen wird, geschlürft wie schnecken. Denn auch die köchin hatte einst dinge und sachen in heidelberg. Eine lebensform, die derzeit außer interesse und damit auch konkurrenz. Hat sie mir vieles gezeigt und erzählt.

Die zeiten sollten vielleicht magerer werden, um sich dessen zu erinnern. Es ist alles rand am topf. Jeder tropfen, der überquillt, verdampft oder verbrennt. Oder bestenfalls verdunstet. Vor allem: Es ist nichts mehr übrig an VORSTELLUNG. Jeder gedanke ist bereits gewusst, immer und überall. So kommt mir das vor. Viel mehr noch, als nichtmal geteilt.

/Genauso ÜBRIGENS die kontextuale bildende kunst. Was für eine lehrende balz. Was für eitelkeiten. Das Übrigens als kurve. Bestenfalls werden gute ideen zu kunst umformuliert. Mir gefällt nicht mehr, wer sich da alles tummelt und/oder mittlerweile die drängelnden koordinaten vorgibt. Das ist mir alles zu lesbar geworden. Lesbar noch von den letzten zwar vielleicht klugen, jedoch visuell Minderbegabten. Bildnerisches geheimnis und sprache sind unerwünscht, da nicht verstehbar, sie werden schlicht nicht mehr wahrgenommen und damit dann auch nicht mehr gezeigt. Ganz selten vielleicht. Oder zu spät mit viel tamtam, dann.

Nach Tod vermittelbar. Geheimnissen. Klänge blöde, Kinderkram und doch.

Im grunde gibt es ja kaum noch eigentliche „Bildwerke“, sondern lediglich gerade noch gelegt hochprofessionell kreditproduzierte gedankenvorgänge in groß, deren verdrahtung stets mitgeliefert wird oder selbsterklärend ist. Oder aufgrund einer modern sinnfreien abstraktion nicht mehr erklärt werden muss, für diesen fall wird die weisse blase eines ungeübten nihilismus dann nebst sonnenbrille mitgeliefert. Informationsreihungen, -produkte. Fein. An die visionslosigkeit wurde sich ja schon gewöhnt, nur diese kann man erst haben, hatte man einst welche.

Der erwerb der fähigkeit zur VORSTELLUNG nimmt ab. In meiner beschränktheit.

Vorstellungen sind wie gute frische sonntagsbrötchen aus weissmehl mit dick kaltbutter und (ggf. selbergemachter) brombeermarmelade. Dazu die stadtspatzen. Und etwas vielleicht, was sich lohnt, es zu erzählen oder zu bebildern, da es gelebt. Wenigstens: vorgestellt.

Zeichen. Wir lachen aufgeklärt über Zeichen. Zeichen sind etwas für völker der natur, grenzenlose Milde.

In heidelberg könnte ich mir sogar irgendein leben vorstellen. Mannheim und ludwigshafen sind nicht weit. Der wilde odenwald (angeblich eine hölle) auf der anderen seite in geographie. Das würde sogar die existenz einer altehrwürdigen universität lindern. Das doppelalbum goodbye yellow brick road ist eines meiner gehüteten klassiker. Insbesondere der titel „Bennie and the Jets“ passt mir immer noch braune unten enge hosen an. Ich bin in meiner Vorstellung auf der suche nach silbernen turnschuhen dazu.

Morgen ist karfreitag und alle reden übers tanzverbot, welch’ Luxus.