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Kinderstubenlose Musiker kaum über zwanzig, die ihren Open-Air-Festival-Rausch ausschlafen und die Bude zurücklassen, wie nach einem Bosnienkrieg, inklusive der Bäder, das ganze Gebäude ward durchströmt vom Geruch von Generationen ungeduschter Jugendlicher, eine Art Turnbeutelduftwolke im Fallout, die sich in Wände, Möblierung und den Linoleumboden eingefressen hat, unlöschbar. Dazu die Tatsache, dass wir uns im Spitalviertel des Städtchens befanden, in dem seit Jahrhunderten, wenn nicht sogar seit 1000 Jahren, die Kranken, Siechenden, Alten und geistig Verwirrten untergebracht waren. Man hatte also die ganze Zeit das dringende Gefühl, umgehend die Hände waschen zu müssen, sogar unmittelbar nach dem Händewaschen. Dazu gesellt sich die Tatsache, dass sich keine nennenswerten Befunde aufspüren liessen. Wer schmückt schon Gebäude für diese Gruppe von Klienten. Und doch war es eine merkwürdig gute Atmosphäre im allgemeinen Feng Shui des alten Großgebäudes, vielleicht die freundliche Geduld spürbar gegenüber den Nachwachsenden, ein große Menschenliebe im Angesicht der kleinen Mallheurs, die sich schon irgendwann auswachsen werden.
Am warmen Abend unter den Linden im Tal. Erinnerungen an vergangene Arbeitsjahre ebendort. Das Flüsslein gluckst, die Mücken kommen, wenn die Wespen heimgehn. Im Sommerdunkel sieht man nicht, was im Bier schwimmt. Ich mag dieses Städtchen, trotz aller Kulissen.
Zu Hause ein Kampf der Energien der Generationen. Es ist nicht leicht. Eine Komplettverantwortung, auch wenn Teile nun ausgelagert sind. Auch die Auslagerungen jedoch müssen supervisiert werden. Vorerst ist vieles wieder in Bahnen. Das waren meine letzten fünf Monate, überwiegend. Bisschen erschöpft darf ich sein und so seh ich wohl auch aus. Einfach mal gar nichts mehr tun, das wäre schön, und trotzdem im Nichtstun ein Feierabendgefühl entwickeln können. Die Scheunen für den Winter müssen jedoch gefüllt werden, auf dass wir uns dann an langen Abenden die ganzen besonderen und schönen Geschichten erzählen können, ohne zu hungern. Zum Beispiel die Geschichten von einer Hochzeit und die einer Reise, die noch kommt. Sowieso kommt noch vieles. Auf das ich mich schon freue.
Wahrscheinlich liegt das alles an meiner Kinderstube. Anders als Andere fand ich es auf Klassenfahrten nie witzig, in einen Mülleimer zu pinkeln, den dann die südosteuropäischen Reinigungskräfte leeren hätten müssen. Ich bin dankbar für den Erhalt meiner Vorfreuden. Wahrscheinlich bin ich ein großes supernaives Kind, bis ich irgendwann umfalle.
Abb. oben: Mein erstes Handybild.
U.a. wegen Texte wie diesem, musste ich Sie leider nominieren für den „Liebster Award“.
Greetz Ro
Ohh großes Danke, Frau Ro! Ich will zusehen, wie und ob ich die sich daraus ergebenden Folgeverpflichtungen derzeit erfüllen kann… Herzlich, sehr, Schneck
Eine gute Kinderstube ist doch was angenehmes.
Aber halt selten, und nicht übertragbar.
Ganz anders als der Schnupfen eben.
Stimmt, nicht übertragbar. Schönes Doppelbildnis („mit Schnupfen“), liebe Frau Croco : )