Erste Arbeit als Vollw.

diese tage dümpeln wie überall in richtung wärmer und frühling, das geschehen mitsamt seinen peripherien verschwimmt und immer, wenn geschehnisse schwimmen, dann meint man ja, alles wäre schon drei monate her, aber es sind erst drei wochen und ein paar zerquetschte tage. die rechnungen kommen jetzt und aber die generalvollmacht „über den tod hinaus“ beeindruckt die bank nicht, alle überweisungen machen sie doch bitte jetzt mit uns zusammen, man kommt sich da ja kurz vor wie ein übler nachlassräuber. aber das alles hat bestimmt seinen höheren sinn, das denk ich. es war schon alles sicher richtig in diesen jahren zuletzt, das ist viel wichtiger. in der wäscherei vom pflegeheim ist noch ein poncho aufgetaucht, sie rufen mich liebevoll extra deswegen an und was sie denn damit machen sollen oder ob ich den noch abholen will, nein sage ich, ach geben sie ihn zu den alten kleidern, worauf sie sagen „oder wir können den ja auch noch jemandem anderen geben?“, worüber ich mich freue, ja, das wäre bestimmt in ihrem, der alten dame, sinne gewesen. aber auch das leben geht ja weiter und der große frieden macht sich am horizont zu bemerken, es ist alles schon ok so und gut, wie es denn eben war. „denk‘ nur an die zeit vor einem jahr, himmel, was da alles war…“ flüstert mir die zeit von vor einem jahr ins ohr. nun gibt’s ein grab zu versorgen, ich schaue mir die vielen frischen gräber an bezüglich grabpflege, zu der ich mich vertraglich ja verpflichtet habe. also blumen besorgen oder die grabpflege an eine gärtnerei übertragen, das will ich aber nicht, also erst mal bepflanzte schalen besorgen, besser noch: sie selber bepflanzen, am besten mit blumen aus dem garten, aber wann bitte wirft man den beerdigungsgrabschmuck weg? und wohin, ohne pietätlosigkeit? die rosen des sargschmucks sehen, nach meinem geschmack, noch gut aus. sie haben sich gut gehalten wegen der feuchten kälte in den letzten zwei wochen. ich bin ja visuell angelegt und habe daher meine eigenen vorstellungen von blumen und verträglichkeit von vergänglichkeit. und was man sehen darf und was nicht. derweil ich mich durchwühle durch die archivierungsmanie der verstorbenen und dort, in kisten, folien, kladden und schränken und antiken QUELLE-pappkartons mit noch vierstelligen adresskoordinaten aus der zeit vor dem internet, allerlei entdecke, als ebenso neugieriger erstmal nichtwegwerfer. alles geschichte und geschichten. als verstorbene/verstorbener hat man ja das recht, den nachfolgenden eier ins nest zu legen. kichernde verantwortungen zu übertragen. auf dass sie grübeln und sich erinnern. und entscheiden. und manches mal auch lachen müssen und gedenken im gedenken. im großen grunde aber ja auch ein privileg: nichts ist da heutzutage fremdentschieden und so wie noch bei den altvorderen gelegentlich einfach verbrannt. wahrscheinlich – nein, eher sicher – daher diese ungezügelte bewahrungswut der vom bombenhagel geprägten alten damen und herrschaften. der treuen fusspflegerin konnte ich noch echte kernseife am stück vor die tür legen, aus tiefer dankbarkeit. die gäbe es nicht mehr heute, das meinte sie schon vor drei jahren. und diese sei so wichtig für ihre arbeit. und drei päckchen mit ggf. relevanten erinnerungen habe ich versendet mittlerweile. eines sogar nach übersee. wertvolle tonaufnahmen, sechzig jahre alt. zwischenhinen allerdings überprüft es mich und meine von mir mir gedacht zugedachte aufgabe seitens des herrgottes: sollte ich besser einfach 2 mischcontainer bestellen und alles ungesehen hineinwerfen? alt genug wäre ich ja. ich überlege noch und kenne natürlich meine antwort. und immer, wenn ich dort bin, zünde ich ein kerzchen im garten im glas an. gerade heute, heute ist vollmond, und so sehr hell. da hat sie immer die vorhänge aufgezogen gehabt wollen im schlafzimmer, damit sie ihn vom bett aus sehen konnte. „schau mal, wie schön der mond – und so hell!“. gestern abend stand ich dort, wo ihr pflegebett stand, und dachte an die unzähligen dramen da und las und sortierte ebenso-unzählige briefe, die einst an sie geschrieben worden waren. das nachtlicht über der gegend hat immer geholfen und besänftigt. vor hundert jahren hat solches licht sicherlich auch schon geholfen und besänftigt. ich muss das alles noch zu ende bringen, da mittendrin. keine wahl hab‘ ich. immerhin habe ich eine erste schnelle malerei angefertigt vor ein paar tagen mit laut musik und offener türe zum milden garten, abends. der reflektierte titel: „Erste Arbeit als Vollwaise“, oma hätte gelacht, ich tu das auch, die kirschkern würde vermutlich trocken grinsen und auf die spinnen in den waldrandecken schielen. seit ich denken und erinnern kann, war ich immer ein „Halbwaise“. insofern dieser biografische wortwitz. kauft sowieso niemand, ist mir aber egal. demnächst dann wieder so wichtige bildthemen wie „frau“ oder „mann vor abreise“, „korrektur“ oder landschaft oder auto oder „was ich jemals lernte“ und dergleichen, ganz abseits des subjektes. mit natürlich ölfarben auf pappe, auratisch beigemischt vielleicht die reste der uralten ungefähr 1962 hergestellten tuben aus aluminium, meist erdtöne. und bald will ich endlich wieder mit dem sport beginnen jenseits der handwerklichen alltagsbewegungen, man muss diese ganzen geschichten ja auch einfach irgendwann wegrennen und damit erneut und höchstendlich transformieren, und zwar am allerbesten durch den mir immerdar zu allen zeiten so wohlgesonnenen WALD. der mich schon so oft begleitet und gut beraten hat bei allerlei, in lust wie leid und allen wettern. ein jedes hat seine bühne zur richtigen zeit, [nicht-wahr?], und nun nimmt er schon wieder ab, der mond zum fasten.

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