Ecki

Ecki

transfers beim fußball interressieren mich neuerdings. das hätte ich mir noch vor 2 jahren niemals träumen lassen. die grundsteuer wollen sie erneut vervielfachen, weil sie pleite sind, auch wegen beheizbarer blaugeschnörkelter fahrradbrücken, sowas hätte ich mir niemals träumen lassen. das weltweite großkapital will, dass wir alle noch mehr arbeiten und vor allem bis fünfundsiebzig oder bis zum umfallen und nicht immer jammern, was ich eh nie tat, weil ich ja gerne arbeite. hätte ich mir niemals träumen lassen. wie viele andere.

ich hätte interesse, die resthölzer und die im garten gelagerten häufen mit wertvoll zukünftig baulich-bastelnd verwertbaren dingen und materialien räumen zu lassen, anstatt es selber zu tun. träum weiter. dass ich jemals zweifle an der gutheit und weitsicht der israelischen weisheit, die ich stets bewunderte.

niemals träumen lassen hätte ich mir dies und niemals hätte ich mir träumen lassen und gedacht, dass sich ausgerechnet E., quasi gleichalt als ich, vor drei wochen im keller selbsterhängen würde. dass ich ihm dies beinahe übel nehmen würde – zunächst, letztlich aber doch nicht, warum auch, der E. war sehr aufrecht und selbstbestimmt. auch dies hätte ich niemals mir träumen lassen, es tut nur so allumfänglich weh. dass er nicht mehr, ausgerechnet er, da ist.

weiterhin ferner: alles mögliche hätte ich niemals gedacht, dass ich es je noch gedacht haben würde hätte können, im leben zu lebzeiten meinerseits, noch nicht einmal im traum und dem träumen lassen. träumen und träumen lassen, das klingt wie: leben und leben lassen, kein schlechtes ding in zeiten, in denen einem alles um die ohren fliegt. was sollen denn die leute aus dem CH-dorf im wallis gerade denken? da kommt so ein berg daher, bewegt sich und macht landschaftsarchitektur. völlig ohne planung, monumentalste, auch soziale, plastik. das könnte ja alles von anselm kiefer sein, von der größe her. natürlich nicht von leid und hubschrauberdichte.

der E. war fast immer da bei den seit einigen jahren stattfindenden lockeren kleinen jährlichen klassentreffen. tontechniker bei den öffentlich-rechtlichen lange nicht mehr, da hörsturz, berufsunfähig und dann sein umzug vor ungefähr 5 jahren zurück ins beheizbareblaubrückenstädtchen (BBBS). ein begnadeter mensch, guitarrist, musiker und komponist. mit drei töchtern. arbeitete zuletzt als personenbeförderungsberechtigter und entwarf und baute nebenbei anhänger für lastenfahrräder aus bambusrohren. betrieb zeitweise einen selbst entworfenen mobilen pizza-ofen. fürs geld fuhr er zuletzt als freundlichster busfahrer vorort (BBBS) den bus im weissen hemd beim örtlichen nahverkehr. manchmal, wenn er die sonntäglichen linien an den waldrand im dienstplan hatte, rief er spontan an und fragte, ob wir uns für eine viertelstunde an der endhaltestelle treffen könnten, ein paar wenige gehminuten vom waldrandatelier entfernt. ich kochte spätnachts flink eine thermoskanne mit instantkaffee und wir plauschten dann dort übers aktuelle leben, das weltanschauliche mitsamt politischem. und natürlich die alten schulkamerad/innen. er wusste eigentlich immer alles, wer mit wem, welche mit welchem ein oder zwei posteheliche polyamore schäferstündchen hatte von weit her angereist, und so weiter. es ist einfach schlimm, dass er nicht mehr da ist. morgen ist/war die beerdigung um zehn.

heute/vor fünf tagen war die beerdigung um zehn. bei schönstem sonnenschein. sehr berührende reden eines schwagers, einer schwester, der exfrau und mutter der töchter, eines bruders, eines besonderen langjährigen freundes, den ich sehr schätze, und vor allem auch einer tochter, ich glaube, es war die mittlere? es war so hundsbewegend, weil so verdammt sehr ehrlich. ausgerechnet der E.! schopenhauer und heimito von doderer. schon immer, schon seit langen jahren, habe er gesagt, dass nicht der liebe gott bestimmen würde, wann er einst gehe.

natürlich, die angst der alten weißen männer, wenn sie nicht mehr ganz, wie einst, funktionieren und eigentlich ja nicht mehr gebraucht werden. die hüften, die schultern, die funktionen, die sichtschärfen. das alte, das ggf. unansehnliche, auch für einen selber. manchmal offene oder jene hintertürhäme. von vielerlei mannigfacher seite, stets gebrochen differenziert, natürlich. und die umfängliche großangst, ZU langsam zu vergehen in der auflösung all dessen, was einmal die eigene doch stets scharfsinnige persönlichkeit ausmachte.

sodann zuletzt nicht mehr selber über den zeitpunkt entscheiden zu können, wann man nicht mehr sein will. zu spät. diese angst hatte er wohl. ich kann das gut nachvollziehen. ich kenne diese angst auch. KENNE klingt dabei besser, als HABE.

früher sagte man noch HÄTTE.

ich war parallelklasse beginnend gymnasium, um 1972. humanistisch weiterführend, latein ab der fünften, ab der siebten englisch, ab der neunten französisch oder griechisch. damals, boomerzeit, gab es die klassen a, die b und die c. die a war undefiniert, die b (zu der ich gehörte) langweilig, da nur sieben mädchen und diese alle sowieso eher mehr superschlau, als verführend. damals jedenfalls, die mädchen hatten immer alle einsen.

die c hingegen war immer aufregend und für die a und die b, insgeheim. weil da ging immer irgendwas ab.

so gerne wäre ich in der c gewesen, fast von anfang an. das hat man ja auch als junger mensch gleich geahnt, wo sich künftige welten für die kommenden sechs jahre am bäldesten vielleicht eröffnen. der E. war in der c. er habe auch griechisch in der elften gewählt, das sagte heute vor ein paar tagen ein redner beim beerdigen der asche vom E.. ich kann mich nicht erinnern daran. auch gibt es keine inneren bilder vom austausch der griechischklasse mit dem entsprechenden jahrgang der deutschen schule in athen, von 1979. da war griechenland noch nicht verschuldet, später entschuldet, noch überhaupt gab es solche europäischen dinge, wie es sie heute gibt. es war ja auch erst 1979.

ich kann mich nicht an den E. erinnern im griechisch, seltsam. auch die fotos, die ich habe und kenne, können es nicht. vielleicht ist er ja in belgrad nachts ausgestiegen damals aus dem zug. oder in zagreb. das würde zu ihm passen, hätte zu ihm gepasst haben können.

ich kenne und kannte ihn doch eigentlich gar nicht, den E.. und ich dachte seit fünf jahren, es ist mir unergründlich schön, dass er wieder hier ist, ganz egal ob a, b oder c. er wohnte anfangs im waldrandhaus immer mal wieder, als er seinen umzug nach dem zurück organisierte. ich dachte, da wäre schöne neue zeit. auch, wenn ich vom baumarkt her kommend sehr nah an seiner neuen bleibe, hier im BBBS, vorbeifuhr. wollte oft stoppen auf einen kaffee und links kurz abbiegen, aber man hat ja immer etwas zu tun in eile und verschiebt dann. also das nächste mal. denkt man sich. da ist ja ZEIT.

von wegen.

man sollte nicht verschieben. /er war früh ein basketballer. über ihn habe ich erst erfahren, dass es sowas wie basketball überhaupt gibt. das war im jahr 1974, die ersten weissen turnschuhe kamen auf den markt. für waldrandhalbwaisen ohnehin unbezahlbar. währenddessen trug ich die gebrauchten unterhosen von thomas daiber auf, gebügelt und geflickt zuvor von meiner mutter, da das haus am waldrand halbfrisch verwitwet noch an allen enden abbezahlt werden musste. musste gespart werden. dazu der papa tot und ohne reputation daher im BBBS. der E. war aber immer feste größe, auch wenn größen ja variabel, wie man über die vielen jahre lernt. der E. war eine das leben mit allem dit und dat ausquetschend zunehmend superfeste angenehm-größe. eine säule und hoffnung in meinem weltbild, für mich jedenfalls. aufbrechend und scharf, erlebend, ggf. zurückkehrend und dann weise. und gemäß meinem humor und reflektion.

da ist dann schon die große frage: wieso erhängt man sich im eigenen keller? und wie funktioniert überhaupt erhängen?

ach Ecki!

jetzt sind es doch ECKI-gedanken geworden. ich wollte das doch vermeiden, da ich doch nie dein superkumpel war in historie, das waren andere. was hätte noch werden und sein können. wie froh war ich über ahnung von verbundenheiten nach jahren, als du wieder hier irgenwo in der nähe warst. und heute/vor 6 tagen an deiner urne: deine drei töchter. und alle aus weitem kreis, die da und anwesend waren. unerfahren in beerdigungen und solcherlei ritualen. jetzt bist du einfach nicht mehr da, weil du es so wolltest. du habest einfach die KRAFT nicht mehr gehabt, wohl OHNE verzweiflung, wie einem abschiedsbrief an den R. offenbar zu entnehmen. aber was ist schon keine verzweiflung ohne keine kraft mehr?

ausgerechnet du, ECKI. ich glaube es immer noch nicht. nach wie vor könnt ich nur weinen um dich. und tu es auch nach 6 tagen noch, himmel ausgerechnet du. lebe wohl. habe auch nicht quergelesen redigiert, viel zu emotional, es ist mir egal, ich lass es jetzt einfach so stehen, mit sehr großer zuneigung ewiglich.

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Ein Gedanke zu „Ecki“

  1. Ach, ist das furchtbar.

    Ich nehme mir das „man sollte nicht verschieben“ zu Herzen. Auch was Besuche angeht, die auch hier gerne auf morgen, morgen geschoben werden.

    Danke für den trotz allem tiefschönen Text.

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