„liebes tagebuch, heute habe ich mir granatenmäßig die rübe am gerüst angehauen.“
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irgendwas mit B
„liebes tagebuch, heute ist keine gerüststange von oben gekommen. Auch der organist hat nicht geübt, sehr zur freude des kollegen. Die ersten beiden pläne der hintergünde sind in reinzeichnung fertiggestellt. Nun kann man die farbigkeiten, die noch zu erkennen sind, einzeichnen. Der kollege hat ein mikroskop mitgebracht und das detektivspiel hat begonnen. So, wie es aussieht, werden wir herausbekommen, wie sich alles in dieser ecke der kirche einmal verhalten hat. Es ist der letzte winkel, der noch niemals untersucht wurde. Mein zweitberuf macht mir spaß. es ist nicht so, dass mir mein zweitberuf keinen spaß macht. Gegen 10.30 uhr kam ein schmetterling in unsere düsternis geflattert, die scheinwerfer hatten ihn angelockt. Ich habe beschlossen, ihn zu retten, was mir auch gelang mit eimerchen und pappe. Ich habe ihn hinausgetragen und fliegen lassen und die pause natürlich genutzt, um schnell eine zigarette zu rauchen. Er ist noch ewig um mich herumgeflogen, ich habe das als kleines dankeschön gewertet. später dann kam eine dicke fliege angeflogen zu den scheinwerfern, aber diese habe ich nicht gerettet. Wer rettet schon wesen, die einem, wenn man kaum fünfzehn minuten tot ist, schon ihre eier in die augen legen? Dann hat der kirschkern angerufen, vom mittelmeer. Wo sie seien, habe ich gefagt. Sie meinte nur „keine ahnung, irgendwas mit B…“. seither bin ich am grübeln. Es sei schlechtes wetter und es gebe tausende von stechmücken. Die bedieneriche bei hildegard im eiscafe wissen immer schon, was ich will, eine handbewegung genügt. Auch der kollege hat heute einen espresso getrunken. Wir haben beschlossen, heute eine stunde früher aufzuhören, wegen des tollen wetters. Wir haben dann eine stunde früher aufgehört, wegen des wetters heute. Ich war dann wieder bei karstadt, aber die kassiererin war nicht dort. Das neue programm für meinen computer könne ich auch herunterladen, dann würde es nicht 29,90 kosten, sondern nur acht euro, da ich meinen computer nach dem dritten juni erworben hätte. Das hat nicht geklappt, weder diese logik noch das praktische daran habe ich verstanden. Ich habe stattdessen ein kleines sommernickerchen gemacht und bin dann noch in ein restaurant gegangen, wo die hübsche tchechische bedienung immer so nett mit mir ist. Dort habe ich einen salat gegessen und ein bier getrunken. Sie sagt immer, sie würde alt. Jetzt sitze ich wieder auf meiner kleinen alten altane und es weht ein wenig wind. Aber es ist ein warmer wind, ich mag das ja sehr. Ich brauche dringend ein wieder rundherum funktionierendes atelier, nicht nur arbeitstische hier und da. Im öl kann man nicht schlafen. Ich solle mir zeit lassen nach dem allen, sagen immer alle. Will ich aber nicht. ich habe keine zeit. Die lager sind voll, die galerie verkauft. Ich aber will neu. Jetzt briest es mächtig auf hier. Soso, der letzte sommertag. Sei das heute. Mützenzeit. Ob wohl der kirschkern beim einschlafen in B. das meer hören kann in seinem patchworkzelt? Große wellen und keine quallen gäbe es.“
plong
„liebes tagebuch, heute ist eine gerüststange von oben gekommen. Sie machte „pling plong pling plong“, die ganzen vierundzwanzig meter auf ihrem weg nach unten, während sie mal mit dem einen, mal mit dem anderen ende ihre noch horizontal verkeilten genossinnen touchierte. Gerufen hat niemand von oben, zum beispiel „vorsicht!!!“. Der arme boden zum schluss. Dann habe ich angefangen mit den zeichnungen der aufgemalten hintergründe. Zwischendrin war ich draußen zum pinkeln und zum telefonieren wegen der tortursiedlung, aber im sekretariat ist keiner da gewesen. Dann habe ich bei karstadt ein großes geodreieck gekauft und noch ein bio-müsli, weil mich die eine kassiererin schon ein paar mal angelächelt hat. Ich bin schon schön weit gekommen heute mit den zeichnungen. Ein paar spinnen, die sich schon wieder ansiedeln, habe ich einfach leben lassen. Manchmal hoffe ich, dass im rot an den pfeilern kein zinnoberrot drin ist, wegen dem staub bein reinigen. das Blau ist wohl azurit. Nachmittags habe ich mir ein nusshörnchen gegönnt. Die kleine baustellentoilette stinkt wie die sau. Die zimmerer oder die steinmetzen rauchen… dann auch noch dort. Dafür stehen die fenster zum gegenüberliegenden hörgeräteladen immer sperrangelweit offen und man kann mit den praxisgehilfinnen mit blauen hosen hin und her gucken. Lieber eine brille, als ein hörgerät. Brille ist normal, hörgerät ist behindert. Der guitarrist hat wieder so schön gespielt, ich hab ihm nochmal fünfzig cent gegeben. Mit felix und michael von der antiquariatsbude geplaudert, das ist immer nett. Letzte woche habe ich mir dort einen katalog über otto-herbert hajek gekauft, von 1974. ein schönes buch mit aufgeklebtem siebduck auf metall vorne drauf. Sollte zwölf kosten, michael sagt acht, ich sage zehn. Ich mag den michael, feiner kerl und hat auch keine million zu hause. Mir fällt auf, wie viele leute dick sind und dünn. Alle ziehen sich noch mal sommerlich an, bevor der herbst kommt. Ich bin gespannt, wann ich die lange unterhose wieder auspacke, obwohl es jetzt in der kirche morgens schon spürbar wärmer ist als draußen. Morgens kaufe ich mir immer zwei butterbrezeln beim beck. Dann setze ich mich vor die kirche, bis der mesner kommt und aufschließt. Vorher wird noch eine geraucht mit dem kollegen, der immer an der selben stelle am bauwerk parkt. Jetzt trägt er am morgen schon wieder seine mütze: „mützenzeit“! ich schreibe oft nicht neun stunden auf, sondern acht, weil ich die tage genießen will. Lieber mache ich zusammengenommen eine stunde pause, das ist ja alles lebenszeit. Um viertel vor fünf müssen wir unterbrechen, da um siebzehn uhr die abendandacht ist. Und es lohnt nicht, um halb sechs nochmals die scheinwerfer anzuwerfen, da die kirche auch für uns um achtzehn uhr geschlossen wird. Nach feierabend setze ich mich meistens zu hildegard ins eiscafe und trinke ein bitter-lemon. Morgen möchte ich mir aber noch das snow-leopard-system für den neuen computer kaufen, das kostet 29,90 und der laden hat nur bis sechs auf, wie fast alle läden hier. Jetzt sitze ich auf der kleinen altane der gästewohnung der dombaumeisterin, bei der ich für ein kleines entgeld wohnen kann. Der südturm meiner lieblingskirche ist schön beleuchtet über den dächern nebenan zu sehen, ganz nah. Es geht ein leichtes laues lüftchen, ein schöner abend, weshalb ich dann doch nicht ins kino gegangen bin, das kann man machen, wenn es dann regnet. Das mobiltelefon hat eben geklingelt, aber ich bin nicht dran gegangen. Vielleicht ein fehler, keine ahnung, wer angerufen hat. es war ein schöner tag.“
stuttgarter säureblocker
abends in stuttgart gewesen, über die stadt geblickt, ganz oben sterne, hinten oben der beleuchtete fernsehturm, unten rechts heslach und links der marienplatz. da unten war mal das CASINO und immer, wenn die nationalhymnen gespielt wurden auf der großleinwand, dann ließen sie stattdessen hells-bells von ACDC laufen. alles seltsam lange her, jetzt bin ich schon länger weg, als ich da war. und der kirschkern ist jetzt irgendwo, ich weiß nicht einmal wo, ein dummes spiel ist das, irgendwo am mittelmeer bei den haien. in stuttgart hat mein vater studiert, in stuttgart habe ich studiert, in stuttgart kam mein urgroßvater an nach einer mithin abenteuerlichen flucht von der krim 1918, sie wohnten in der hasenbergsteige, wo auch ich anfangs wohnte ein paar häuser weiter unterm dach und wo mein vater laufen lernte. ich glaube, sogar mein großvater hat in stuttgart studiert, dabei kamen doch alle gar nicht von hier, es waren alle gar keine schwaben und auch die großmütter, urgroßmütter und mütter sind und waren keine, nicht mal ich, alles ein zusammengewürfelter haufen von hugenotten, franken, andersgläubigen und russen und alle konnten russisch. russisch lernen will ich, jetzt, wo ja zeit ist, das habe ich mir fest vorgenommen. und selbst der kirschkern ist kein schwabe, aber immerhin mal dort für anderthalb jahre zur schule gegangen, im vorort von stuttgart. und dann stehe ich da auf dem balkon von ihm, der mir seit jahren mehr als ein guter freund, und glotze über die blinzelnde stadt und denke an die neunziger, die ganz schön weit weg sind, ich weiß ja auch nicht, wieso ich so langsam bin mit ZEIT, mir scheint, ich bin immer hinterher und sollte eigentlich gerade jetzt doch schon so weit vorraus sein. habe eben nur überhaupt keine ahnung, was jetzt kommt. das war noch nie so, ich bin nicht so! und hier am waldrand ruft das käuzchen, vor dem ich mich als kind immer so gefürchtet habe, heute ist es mir dabei sehr heimisch. „der magen, wen wunderts…“ meinte der doc in kirchentellinsfurt. der urgroßvater hatte die wohlwollende wahl zwischen einer fabrik auf der schwäbischen alb oder einem gut in pommern. er hat sich damals für das gut in pommern entschieden, dumm gelaufen, könnte man sagen im nachhinein. weltgeschichtlich wenig später betrieb er dann eine gärtnerei nahe potsdam, denn immerhin konnte er russisch, als die russen dann kamen und immerhin war er es gewesen, jahre zuvor, der das erste mietsgebäude für sechsundzwanzig parteien mit fließend warmwasser und zentralheizung in odessa erstellt hatte. gestorben ist er hoch an tagen in frankfurt am main. ZEIT interessiert mich eben, mitsamt und jeweilig. die liebsten stuttgarter sperrmüllfunde, mitten in der nacht, wenn dann die polen die waschmaschinen abgeräumt hatten, das waren mir alte korrespondenzen oder photographien. in berlin hoffe ich bis heute auf containerfunde, schade, dass die meisten behälter dort zur nacht verriegelt werden. ich bin eben so. ich habe keine ahnung und ich will keine ahnung. ich lese nicht, weil ich sehen will. ich bin eigentlich ein witziger zeitgenosse und glaube zunächst an fast jedes/jenes gute. die tränen beim lachen interessieren mich. möchte mir das auch nach den vergangenen zweieinhalb jahren weiterhin bewahren, immerhin hatte ich eine schöne jugend. und der kirschkern träumt jetzt wahrscheinlich irgendwo in frankreich von haien in stuttgart.
nur wundern.
flirt
nein mein bein.
das sollst du richten,
dein gebein.
die schwäne, die enten,
der kranich, die störche,
sie alle fliegen nach süden.
ohne beine.
die muse im loden
gelassen (melasse): die muße.
in herrlichkeit mit honig und brot,
und mit ewigkeit und heiterkeit,
bereits die muse: sie flößt dem
storch ein bein
bereit.
hubertus. und salz,
gott erhalt’s. /nein:
ein bein.
(die horden etwas nach norden)
kolonne (drahtlos)
nun könnte man ja noch etwas über zwanzig jahre mauerfall schreiben, das aber kann frau kittykoma viel besser und packender und involvierter als jemand, der diese tage aus der süddeutschen provinz heraus erlebt hat, zwar auch gebannt und aufgrund der familiengeschichte nahe dran, aber eben weit weg. ich denke dabei zunächst vor allem an eine rückfahrt von berlin nach ‚westdeutschland‘ eine woche vor dem neunten november, bei der mir die lichtmaschine dieses wagens in höhe leipzig ausfiel und ich bei tempo fünfzig bis zum rettenden westlichen rasthof frankenwald zitterte, auf dass der motor nicht auf ostgebiet versiegen möge. ich könnte ja aber auch über sie schreiben, mit der ich heute einmal wieder einen vertrauten kaffee (auf ostgebiet!) getrunken habe und deren arbeiten mir immer noch und seit jahren gut gefallen. oder über den bruder carl weissenhofer, über dessen ersten sehr zu empfehlenden film hier berichtet wird. zu mir selbst fällt mir nicht viel ein, alles liegt brach und dümpelt einem neuen leben entgegen, von dem ich bislang so recht keinerlei vorstellung habe. diesen zustand auch einmal zu genießen, das fällt derzeit leider noch schwer, so also schüttet man sich noch einen kleinen roten schnitt hinterher und überlegt, was wohl der bevorstehende teilherbstliche aufenthalt hier an neuen wichtigen erkenntnissen fürs leben verbringen mag, abgesehen vielleicht von beobachtungen über schweinegrippe im sehr ländlichen raume sowie dem zu erwartenden rauchverbot in zum zwecke von arbeitsaufenthalten angemieteten ferienwohnungen (kolonne).
die drahtlosen
als ich einmal in die karl-liebknecht-strasse fuhr mit der s-bahn, ausgerüstet mit weißem hemd, einer kamera und einer tasche voller schlechtem gewissen. sie hatte geschrieben ‚ein kleines schwarzes dreieck‘ und nach dem fotographieren wollte sie noch ein wenig küssen zum wein, ohne draht.
es wird für mich wohl das beste sein, ich geh nach hause und schlaf mich aus (.)
die kleine stille kälte, wie sie stets abstößt. und wie sie stets anzieht.
Protokoll mit S., Kreuzb./Treptow
(Foto: S.)
– Aufmerksame Bedienstete, ungewöhnlich für die Gegend!
– Gedenken der Verstorbenen, Gedenken der demnächst Versterbenden;
– ziemlich viel Partypeople unterwegs (wie aus der Berlinerpilsener-Werbung/Abt. Friedrichshain);
– die putzigen Blesshühner sind eigentlich NESTRÄUBER! (Jagdprüfung usw.);
– im Sauerland ists auch schön, Heckenschneiden/Rasenmähen ist auch superschön!;
– jeden Tag sterben soundsoviele Tierarten aus, wieso nicht endlich mal die Wespen?
– Frauen sind schon auch oft schön (v.a. im Sommer).
– Schneck sähe vergleichsweise ’so ganz gut‘ aus (danke, S.! hrhr…);
– S. muss mehr Sport machen (Rasenmähen/Garagendach reparieren usw.);
– Aschenbecher klaut man nicht, man bekommt sie von der Bedienung geschenkt! (Charme usw.);
– es soll heute 37° geben (kein Problem, auch schön, grad recht…);
– unser Treffen ist dieses mal besonders langweilig, aber keiner hat ja was anderes erwartet;
– das nächste Mal treffen wir uns im Sauerland schon so gegen 16.00 Uhr (Alter etc.), damit S. um 22.00 Uhr ins Bett gehen kann;
– waren es drei oder vier Weine/Nase? Wieso hat der Tisch die ganze Zeit so gewackelt?
– um null Uhr ENDLICH mit dem Taxi nach Hause!
– uvm.
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(ach lieber S., es ist einfach sauschade, dass ausgerechnet Du die große Stadt verlassen wirst!…)