(Mel Ramos und Frau)
durch den wald gerannt, ich muss das wieder täglich machen, wie bis zum letzten sommer, tut so gut und putzt alles durch, vor allem auch das hirn. habe sechs kilo zugenommen, sagte die personenwaage, so viel wog mein gepäck auf dem weg nach norden vor einer woche. eigentlich habe ich mir ganz gut gefallen in den letzten drei jahren, wenigstens das körperliche war geblieben, auch wenn der magen innerlich tiefrot war, kein wunder. und jetzt, ja eigentlich ist es auch ein schönes gefühl, diese kleinen polster ringsrum, wenn man zunimmt, dann frisst nichts an einem, dann ist man ja vielleicht gesund oder wird es wieder. das ist substanz, lebendgewicht! (trotzdem muss das zeug wieder weg.)
beim rennen nur zwei jäger mit büchse und mal wieder das vermummte fräulein, etwa um die dreißig. man fragt sich ja, warum jemand um die dreißig regelmäßig und alleine langweilige spaziergänge durch den wald unternimmt. vielleicht hat sie schon ein jahr lang liebeskummer. oder ihr freund ist von einer brücke gesprungen. oder sie hat ein kind verloren. man weiß das ja nie und soll nicht richten vorschnell. im letzten sommer – es war hitze – näherte ich mich ihr einmal von hinten im schnaubenden galopp, sie hatte nur zwei kleidungsstücke an, so wie ich das wahrnahm, sie, da ganz alleine im tiefen wald. ich mag das ja, nur zwei oder drei kleidungsstücke, bei den damen, ist so. ich versprühte also vorsorglich väterlich ein „ich tu dir nix, keine angst!“, sie grüßte mich freundlich, während ich passierte, und den rest der rennstrecke versüßten mir gedanken an die ewige jugend und wiederkunft, wobei ich auch überlegte, ob sie es vielleicht gewollt hätte, dass ich sie anspringe und so weiter. manchmal werden mir aber gewisse kommunikationen einfach zu viel, sie überfordern mich zunehmend und dann will ich einfach nur laufen, laufen, laufen und das alles hinter mir lassen und verstummen, für immer und ewig. nur noch mein maul halten.
der wettbewerb ist auf den weg gebracht, es gilt nun, die daumen zu drücken. ich war von tegel nach stockholm geflogen. am flughafen empfing mich natascha, meine langjährige freundin vom dienst. nach übergabe der geheimnisse verlebten wir noch eine schöne nacht vor dem kamin auf ihrem selbstgeschossenen bärenfell (natürlich so, wie gott uns verschuf). ihre fellmütze behielt sie auf, wie immer. auch ich behielt meine mütze auf, wie immer. natascha ist doppelagentin, ich hoffe, sie überlebt das noch lange. die vollendeten wettbewerbsunterlagen dann mit dem freund im lieferwagen retour auf dem land- und seewege nach berlin. morgens los, abends da, eine unvergessliche fahrt durch endlose weiten im schnee. der toten am grunde der ostsee gedacht.
und nun also morgen in die stadt, die ich nicht will, in eine wohnung, die mir feindesland scheint und die ich nie wollte, allein deshalb, um vier stunden lang das zehnjährige bestehen des kirschkerns zu feiern, sie hat sich so sehr gewünscht, dass ich zugegen bin. ich habe lange überlegt. aber sie nicht zu sehen, an ihrem jubeltage, das würde mir das herz brechen. sie dort zu sehen, das wird mir dann wohl auch das herz brechen, ich werde einfach nicht nach rechts und nicht nach links schauen, dann wird das schon werden, irgendwie. ich werde einen helm aufsetzen. mit zwei hörnern obenauf. und dann eine schnitzeljagd organisieren, wie sie die welt noch nicht gesehen hat!
zur allgemeinen ablenkung war ich gestern am abend hier. das foto oben ist etwas unscharf, aber trotzdem ganz nett, finde ich. der lieblingsfotographenfreund wird wohl einen portraittermin mit dem meister höchstselbst erhalten. er versprach, mich dann als „spezialassistenten“ mitzunehmen, damit ich mir den hübschen katalog handsignieren lassen kann. legendenbildung. und bibliophil gut für die rente, jedenfalls diejenige dann vom kirschkern. die ausstellung lohnt, auch wenn die hälfte der ausgestellten exponate ausreichen würde, um die intention des künstlers zu erklären. danach jedenfalls waren wir noch in einer alten kelter zu tübingen, die runde der stuttgarter kreativen mitsamt mir. jener fotographenfreund schrieb mir heute, er habe lange nicht meine augen glänzen gesehen sowie auch mal wieder einen weichen zug um meinen mund herum. das freut mich. natascha war auch da.