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schweinf. grün

was wär ich ohne meine meinemelancolia, lieber benjamin biolay. du alter fickymusikmusiker. langer atem, große glocken, regen und der nebel des grauens, der unter den ritzen der alten holzhütte reinströmt, weil der ofen eben zieht, wie ein ofen eben ziehen muss und kein stumpfes messer mehr ist, was es war. grau ist eine gute farbe, mir viel lieber, als. /weil. („weil…!“ – so würde mit nachdruck die kirschkern sagen, wenn sie nichts, garnichts, begründen will.) bouteilles und radiergummis, tusche und absinthersatz für gedrillte schwärze im gleichschritt. und im schritt, sowieso. man muss nur schweinfurter grün denken, schon fallen die fliegen von der wand. es bleibt dabei: ich verehre das gültige fragment, mehr ist nicht, und ich flüchte stets in rückenlage am liebsten. kein hund würde das verstehen beim abschütteln oder totschütteln von hasen. oder geschichten. sowieso, die lebenden können nicht trost spenden, allerhöchstens diejenigen, die schon gegangen sind. man sollte nie so tun, als ob man ein schweinfurter grün überleben würde können.

kornelk.

Die Hornissen fliegen nun spätabends ins beleuchtete Atelier, die merken wohl, dass es bald soweit ist. Das sind wahrscheinlich irgendwelche übermotivierten Spätheimkehrer, Hornissenstreber, die sich bei der Königin einschmeicheln wollen und dann den Weg nicht mehr finden. Ganz typisch. Oder sie klopfen mit ihren Beißwerkzeugen von außen an die Fenster und übernachten dann irgendwann dort, wenn sie die Elstern oder die superverspielten Nachbarskatzen im Morgengrauen nicht wegfischen. Überhaupt diese Insekten gerade. Auch die ebenerdigen. Es gibt Schaben, den Kakerlaken sehr ähnlich, die im Garten leben, sich aber auch für meinen Drucker von innen interessieren oder meine Steuerunterlagen oder die Klebebandsammlung beim Passwortbüchlein. Oder Grillen, die sich hinter der Musik versteckt haben (passend). Auch Schnecken kriechen hier manchmal hinein und danken mir immer, wenn ich sie wieder pleinair setze. Man ist umgeben von schnellem Leben. Von den Spinnen und ihrem „Stress“, den Verhaltensforscher neuerdings entdecken, mag ich gar nicht reden. Ich denke da eher an den Stress der Spinnenopfer und mache mir gerne einen Spaß mit Spinnenerschrecken. Bei den Stechmücken kann ich die Weibchen von den Männchen auf zehn Meter unterscheiden. Die Flugbewegungen und der Sound der Männchen, die ja nicht stechen, sind mir vertrauter. Die Weibchen würden jetzt argumentieren, dass sie ja die Kinder kriegen und daher saugen (müssen). Und mich um Verzeihung bitten für Schicksal. Ich aber kenne da kein Pardon! Die Nachtfalter/innen werden jetzt auch weniger, überhaupt gab es in diesem Jahr nicht so viele (warum?), ebensowenig wie Kirschen. Dafür Brombeeren (ich schrieb) und nun wieder die Kornelkirschen, bei deren Auflesung ich immer unserer Urzeitmenschen gedenke, die sammelten und jagten und sich sicherlich beim Lesen fragten, was wohl ein Gewitter zu bedeuten habe. Überhaupt: Jeder Pilz, den wir heute essen, jedes Kraut, was wir verspeisen, es verbindet uns doch mit diesen Lucys und Lukes, denn irgendein Altvorderer gab vor langer Zeit sein Leben für das Wissen der Nachgeborenen. Also für uns. Das sollten wir nie vergessen, wenn wir Fliegenpilze essen.

4
SEP
2006

schuhe

nuernberg

ich bin wieder zu hause. und man kann ja durchaus die in 2005 gekauften badeschuhe (9,–) auch als hausschuhe benutzen, wenn man nicht barfuss den weg von der wohnung ins benachbarte atelier überwinden will. ich habe zwei mal in den letzten sechs wochen ein paar schuhe in einen öffentlichen mülleimer entsorgt, direkt in einen behälter vor der kirche, ich hoffe, das wird einem auch angesichts der reglementwut, verbunden mit privatisierung von öffentlichen details (z.b. ampeln!) auch weiterhin ungestraft nachgesehen. ich habe diese zwei paar schuhe weggeworfen, nicht weil ich über zu viel fußschweiss verfüge, sondern weil diese zwei paare aus falscher zeit am falschen ort sich befanden. die schuld trägt allein das wetter. falsche schuhe, am falschen ort zur falschen zeit, wer denkt im august an feste schuhe, und wer rechnet mit plötzlicher wärme in nürnberg im beginnenden september mit festen schuhen, zu deren mitnahme nach nürnberg das schlechte wetter ende august seinen beitrag gab. die mitgenommenen schuhe haben sich also überkreuzt, und mich erleichtert um sicherlich 130,– euro. gottlob verdiene ich in nürnberg genug, um mir neue schuhe für nächstes jahr zuzulegen. in nürnberg, weit weg von daheim, scheine ich auch über genügend zeit für den schuhkauf zu verfügen, nach 18.00 uhr, und da ich in nürnberg auch genügend geld für schuhkäufe verdiene (anders als zuhause!), bin ich diesbezüglich sehr zuversichtlich. und man soll wirklich an und bei schuhen niemals sparen.
schneck06 – 4. Sep, 01:47
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Jockel06 – 4. Sep, 17:32
Nassforsch
Nicht vergessen: Badeschuhe ist nicht gleich Bademeister …
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http://schneck06.twoday.net/stories/2620402/

tgv

„Schon auch seltsam, wenn man nachts auf FB die verschlungenen beine pariser klamottengaleristinnen sieht, die man überhaupt nicht kennt, obwohl man mit ihnen befreundet ist. Die werden auch älter, dachte ich. Aber ich kenne die ja gar nicht. Und kaufen werden die nie was. Schöne beine kaufen ja nicht zwangsläufig.

Fällt mir ein agnes b. und ihre wohnung am endspurt der tour de france, wo ich auf dem schmalen balkon des 5. OG einem komischen nachmittagskünstlerfest beiwohnte, als sich die gedopten in die letzte kurve lehnten. Das war schnell vorbei, auch der rosafarbene jan ullrich. Leider hatte ich da beginnend – und durch die sommerhitze, das schwitzen und die diesem nachfolgende verdunstungskühle an den nieren begünstigt – eine art versteckten bandscheibenvorfall oder einen anderen mist im rücken, der mich 6 tage zum liegen im atelier und zu komischen übungen zwang. Ich war bewegungslos. Was wahrscheinlich gut war. Gut deshalb, weil die kirschkern mit mutter im vorharz verwandte besuchte und ich MEIN paris sechs tage lang allein genießen wollte. Das war psycho, ich bin mir sicher. Ich wollte nicht der erste sein. Ich schaffte nicht mal mehr den weg zum zigarettenhändler in diesen tagen und war auf freundliche mitstipendiaten aus der pfalz, wien und dem maghreb angewiesen, die mir von ihren tollen erlebnissen im sommerlichen paris erzählten, meine händchen hielten und sandwich gegen vorkasse brachten.

Es gibt einen film und interviews aus dieser zeit. Da sitze ich mit schnupfen am pariser arbeitstisch und antworte auf die übergroße frage „Was würdest du heute anders machen?“ voller pathos und meta: „Wir hätten nicht nach neukölln ziehen sollen. Eher nach mitte oder noch besser kreuzberg.“

Ebenso im interview meine antwort auf die frage nach dem „verlust der mitte“. Rusmann war sich später nicht zu schade, mein holpern im internet zu zitieren, bis heute hat er es nicht herausgenommen, und immer noch ist es versteckt bei Reinhard Döhl, er muss schon sehr gekränkt gewesen sein seinerzeit. Dieses „da gibt es einen walter… äh hans?… sedlmayr…“. Ich weiss noch, es war ein anstrengender ausstellungsaufbau gewesen, ich hatte mir abends ein bier aufgemacht und wenig gegessen, es war die rixdorfer braunschweiger strasse nahe dem bahnhof neukölln, der kirschkern war noch im bauch und alle ohne kinder hatten sowieso keine ahnung, wie das ist, kunst machen mit säuglingen. Ich selber hatte auch noch keine ahnung. Es war dann aber eine ganz wunderbare ausstellung, eine der besten des Deutschen Handwerks, dieses „Verlust der Mitte“ in der Galerie Wieland in der Ackerstrasse. Die es leider auch nicht mehr gibt.

Den dokumentarischen film von 2002 habe ich gestern einmal wieder angesehen, zusammen mit der alten dame und der kirschkern. Die alte dame freut sich über diese zeit, war’s doch eine, in der sie noch mobil war und familie kommt auch vor, zuhauf. Die kirschkern durchaus interessiert, das hatte ich nicht erwartet. Wollten wir doch eigentlich zu dritt am vorgestrigen Freitag den TGV nach paris nehmen und abends dann zurück, so eine kleine verrückte idee. Wir verwarfen. Wir wollen mal mehrere tage, lieber, dahin und dann in ruhe auf allerlei pfaden sämtliches ansehen. Anstattdessen sind wir gepaddelt auf dem oberen neckar und haben manche stromschnelle genommen, mit bravour. Das war wunderschön. Vorne im ausguck die köchin mit weißem Hut, völlig unerschrocken, mittig die kirschkern auf ihrem weg in eine parallele hochpubertät, ab und an taucht sie auf aus ihren tiefen, hinten am lenker eben ich. Ich bin dann auch am meisten nass geworden. Mein schicksal, meine aufgabe. Meine stromschnellen, mein arsch.

Morgen sind die vaterferien vorbei und die kirschkern reist ab.

Manchmal bleibe ich nachts nur deshalb wach, um wach zu sein. Manchmal bleib ich einfach wach, um zu sein. Dies ewige verweigern. Es ist so anstrengend, aber so wichtig. Für wen, für was, für mich. Am End.“

Das geht schon.

Bier für Franky. Pflücken irgendwas, bevor es verfault. Dampfnudelblues und Türkisch für Anfänger, das geht schon. Therapiebericht zu einem Fußgelenk, Wurstsalat nur draußen, draußen nur: Wurstsalat. Den Kühlschrank endlich abtauen und dort Bohrungen zur Wasserqualität von vor 30 Jahren, Wohnstätten und Heimatorte als Situationsbeschreibung für das Kleinhirn und große Muskelspiele, den Rand davon, den Rand voll. Eispopelrinde, geschliffen, kühl gelegt. Das geht schon. Früher alte Fotos in Kisten, heute auf Festplatten und beim Anschalten dann pfeift es immer noch, vergraben im Wald, der nichts übelnimmt in seiner Milde und seinem gütigen Mulch. Wichtig sind die Kanten, die gefrorenen Waldkanten, denn schaust Du dann nach oben, dann sind da Scherenschnitte voller Laub, alles milde Sorte, langer Atem, sogar die Jahrsiebte werden zu zickigen Dekaden (in der Dämmerung, die Quartale freut’s). So ein gelbes Tape, das geht schon, wer mag heute noch umknicken. /Bier (Wulle) für den bärtigen Franky und seine Hütte, sobald sie fertig, fast schon ein Schwarzbau.

Aber das geht schon.

….

(Alexanderplatz, 4einhalb Jahre, nachdem einer tot dalag.)

WIR haben jetzt herausbekommen, wie das früher wohl aussah, zuerst waren nur die Rundstäbe an den Fenstern im Gewölbebereich, die kleinen runden Säulchen in der oberen Kämpferzone – übrigens allesamt hohl – sowie die Rundsäulen an den Triphorien der Obergadenwände und die Schlusssteine im Gewölbe in „rheinischem Schiefergrau“ (vgl. Hofmann, 1903-06) gefasst. Möglicherweise dazu die oberen Kapitelle in Weiß. Wahrscheinlich schon kurze Zeit später – um 1293 – wurde alles in hellem Grau gestrichen und ein Fugennetz aufgemalt. Teils wurde diese Raumfassung weiß grundiert, in anderen Bereichen, unterhalb der Fenster, wurde das Grau direkt auf den Stein gestrichen. Die Unterschiede in der handwerklichen Arbeitsweise lassen sich nur durch Unterschiede in der Auffassung handwerklicher Arbeitsweise (um 1290) erklären. Die Kapitelle der oberen Kämpferzone dazu in leuchtendem Rot, ebenso eine schmale Hinterschneidung der Untersicht des Hauptgesimses oberhalb der im Mittelschiff aufgestellten Figuren. Allgemein lassen sich in allen Gebäudebereichen ca. sieben Raumfassungen bis zur letzten Maßnahme um 1830 feststellen. In dieser Zeit wurden auch die Emporen entfernt.

Auch wenn es kaum interessieren mag, es ist alles hochspannend, ebenso weitere Erkenntnisse zur Baugeschichte, die sich allein durch augenscheinliche Beobachtungen am Bestand und anschließend kollektivem Nachdenken ergeben. Zum Beispiel im Bereich der vermutlich ehemaligen Schwalbennestorgel aus dem 13. Jahrhundert.

Die nette Bettlerin, die vor der Kirche hockt, schaut mich inzwischen streng an, wenn ich wieder einmal eine kleine Pause vor dem Portal einlege. Das denke ich mir jedenfalls so. Heute gab ich ihr daher zum griechischen Euro noch einen Kinderschokoladenriegel, den sie „Grazie!“ freundlichdankend annahm und mir einen wunderschönen Feierabend wünschte (das dachte ich mir jedenfalls so).

Beim Weltgeschehen süd/südöstlich wird mir sonstig. Im Grunde bleibt ja nur misanthroper Zynismus. Sollen die doch selber machen und sich meucheln und ihr Ding alleine ausdaddeln über die nächsten 50 Jahre. Resignation über die Endlosschleifen des Schlachtens. Ich wüsste nicht, wo ein Hebel noch ist. Ich weiß nur, dass einem gewaltsamen Toten noch fünf Generationen lang gedacht wird. Die Informationsflut macht es nicht besser. Ich wüsste nicht, wie ich mich verhalten soll. Außer mich herauszuhalten. Welche zynischen Interessen hier und dort hinter großen oder kleinen böhmischen Städten lagern, liegen. Dazu Komplettverrohung in den Mitteln, wie formal. Da würde auch kein Tattoo mit Schießgewehr helfen. Auch kein abgeklärt westintellektuelles Meta-Gebaren mit Mundwinkelgrinsen, was mir in unserer Breite mehr und mehr auf den Senkel geht. (Das ist ein bisschen wie Marcel Duchamp. Dessen Beschwörung geht mir auch, und nicht erst heute, auf den Senkel.)

Anders bei den Whistleblowern. Da wächst mir nun die Hand auf den Zorn, 35 Jahre für den einen, zur Ergreifung des Anderen werden souveräne Flugzeuge zum Landen in souveränen Staaten gezwungen, der souveräne Freund des dritten wird über Stunden illegal verhört und der nochmal andere, der schöne Blonde, sitzt in einer Botschaft fest, in einem Land, wo es stets regnet und welches ja ohnehin selber machen will und auch schon einmal ein gemeinsames Reich des Wohlseins hatte. Das empfinde ich – spätestens seit heute, seit diesen „35 Jahren“ Aburteilung – als einen jetzt unverschämt frechen Krieg, dessen oberster Feldherr zudem den Friedensnobelpreis bereits erhielt. Die Macht des weißen Mannes. Man möchte sich separieren. Ich glaube, das wäre nicht schlecht. Man möchte es den Anderen gleich tun und sich endlich auch tätowieren lassen, sich bewaffnen und in der Wildnis, weit ab, leben und von dort aus Strippen und Fallen ziehen. Seinen Empörungen durch Holzfällen oder dem Essen von Igeln oder Verwandten Luft machen. Man möchte endlich auch: Verrohen.

In zwei Wochen bin ich seit vier Jahren Ferienpapa. Als ich also Ferienpapa wurde, saß Gustl Mollath bereits seit drei Jahren in der Psychiatrie. Rechne ich nach, dann wurde Gustl Mollath just in die Psychiatrie eingewiesen, als meine Exfrau sich sozusagen neu verliebte. In etwa also die Zeit, als ich mein Weblog einrichtete und begann, hinein- und hinauszuschreiben. Das verbindet mich mit Gust Mollath. Ferienpapa bin ich geworden zudem 730 Jahre nach Weihung der Basilika des heiligen Sebaldus. Das verbindet mich mit dem Hl. Sebald. Und mit dem Kirschkern.