(sehr geehrte damen und herren, das jahr fängt gut an, die preise kommen wieder. habe auf dem letzten ‚freitagstexter‘ mit meinem comment das rennen gemacht (vgl.: http://www.virtual-unreality.de ). vielen dank nochmals an herrn faustus hierbei. die schoene regel besagt, dass der gewinner den nächsten ‚freitagstexter‘ auszurichten hat. die regel? der ausrichter soll ein foto herbeieilen, welches kurz/lang oder knapp zu untertiteln ist. möglichst schlau, genau, absurd oder prosaisch, möglich auch: philosophisch, lutherisch oder huterisch, originell oder gegenteilig. der gewinner oder die gewinnerin werden zunächst gekürt und sodann beauftragt mit der einhergehenden nächsten ausrichtung des freitagstexters. dank hier an die frau von stilhaeschen ( http://www.stilhaeschen.de ), die mich, in pein, während der arbeit am hirschen über das rennen informierte. an ihrem/selbigen rechengeraet wird auch am naechsten mittwoch abend der/die gewinner(in) gekührt werden. zum archiv des ‚freitagstexters‘ bittegerne nach: http://wiki.textundblog.de/doku.php?id=freitagstexter. und hier nun also: DER FREITAGSTEXTER. ich erwarte circa einhundert kommentare. voila, das bild zur frage: siehe oben.)
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so sagt man
oben bei der uschi, sagt man, wurde vor vierzig jahren einmal jemand ermordet, im dritten obergeschoss. und oben bei der uschi, so sagt man auch, wurde vor ein paar jahren ein mittvierziger abgestochen und er ist hernach fast verblutet. ein junges drogending, so erzählt man, hatte ihn im rotlicht kennengelernt und ihn mit in ihre wohnung im zweiten stockwerk genommen. dort wartete bereits ihr freund und die beiden wollten dem gast das geld wegnehmen. er hingegen wollte nicht, worauf der freund des mädchens ein messer zog und zustach. der mittvierziger schaffte es noch bis ins erdgeschoss, von wo er durch eine glastüre hindurch auf die gasse stürzte um dort schwerverletzt liegenzubleiben. mein seinerzeit unmittelbar nebenan wohnender kollege beobachtete noch am nächsten tag größere flecken von freiersblut auf den pflastersteinen, wie er mir später erzählte. ich wohne gerne hier oben bei der uschi. ich bin meist alleine im haus, im ersten obergeschoss. die geschichten stören mich nicht, im gegenteil, gerne gehe ich abends noch einmal mit der taschenlampe in die über mir liegenden verlassenen stockwerke. das haus hat eine steinfassade, die konstruktion an sich ist in fachwerk erstellt und ich würde das im gesamten etwa fünf meter breite gebäude in das frühe siebzehnte jahrhundert datieren. das lokal unten, uschis lokal, hat geöffnet von mittwoch bis samstag. ich bin gern hier. wenn ich noch ein bier trinken will, dann gehe ich einfach die enge stiege hinunter und dann links in den kühlraum. ich muss lediglich darauf achten, dass die türe sich nicht hinter mir schließt. ich führe eine liste über meinen verzehr und meine nächte, welche ich dann bei abreise mit der uschi unten abrechne. im gewölbekeller war ich noch nie, es stinkt dort und er soll öfters überflutet sein. das zimmer zur gasse hin, welches ich bewohne (es ist eigentlich eine kleine wohnung), ist angenehm sparsam eingerichtet. zwei lange holztische stehen an den brandmauern zu den nachbargebäuden, ein stuhl und schöne holzdielen. die fenster nach vorne hinaus sind verdeckt durch lange helle vorhänge. im flurbereich schlafe ich auf einer schmalen am boden liegenden alten matratze. überall auf den dielen stehen kleine chemische mausefallen aus pappe verstreut, man soll sich ihnen nicht zu sehr nähern und sie niemals berühren. seit einiger zeit gönne ich es mir, einen bettbezug und ein laken mit hierher zu nehmen. ein kleines bad steht mir zur verfügung, man duscht in der badewanne, ohne schützenden duschvorhang, jedoch mit durchlauferhitzer. dieser spendet auch das mäßig heisse wasser für den allmorgentlichen kaffee. das WC der wohnung ist seit jahren ausser betrieb, da verstopft. zu diesem zweck muss ich mich die stiege hinunter in das gaststätten-WC begeben. oft verstellt die asiatische köchin die enge treppe mit allerlei unnützen dingen, so dass ich schon mehrfach auf dem dunklen wege nach unten in nicht ungefährlicher weise gestolpert bin, zumal es kein licht gibt ausserhalb der öffnungszeiten des lokals, mit ausnahme des ersten obergeschosses. und überall in der stadt hängen jetzt diese scheußlichen plakate „KNUT WAR GESTERN!“. ich bin zwar wohl kein ganz nativer berliner, aber das, was zuviel ist, ist zuviel. daher habe ich nun beschlossen, zu beten für einen sieben jahre lang währenden abstieg des 1.FC nürnberg, das bin ich knut schuldig. und noch heute, nachher, werde ich mir einmal den keller ansehen, so erzählt man sich.
nachschrift
die ideale handlung (freundlich)
sinngemäß
damals, in der akazienstraße, da dachte ich noch im warmen juniwind sinngemäß. ein kuss, ein griff. jeder kuss ein eingriff. auf dem spielplatz nun jede art von müttern, jene art von müttern. leute mit hau, drei jahre zu spät. er starrt nach osten, sie starrt nach westen, das kind schaukelt, leise, dazwischen. aber damals, in der akazienstraße, als plötzlich dein alleiniges kleidungsstück ein schönes sommerkleid war. verehrlicht verschlanken und dabei die arroganz nicht vergessen, immerhin war ich es, der dir dieses kleid geschenkt. die devise also nun ohne devisen, jedoch mit weitem blick über den hegau, die berge, und hinter den bergen die stiefel mit rom, alles vulkane, alt, aber dafür ungefährlich und aber vor allem eines: schön/schön. schön auch, wenn anna (7) sagt: kirschkern, du hast aber einen sinngemäß tollen papà! die schale aus glas aber über jedem, man sieht sich, ohne sich zu berühren. man liegt nebeneinander, selbst nackt, jedoch sehnt sich danach, miteinander telefonieren zu dürfen. die schaukel quietscht sinngemäß und die zeit verrinnt. es mag sein, der engel.
FA
steuerbescheid killt sofort sämtliche erotischen regungen.
der ideale brief
„Im Sonnenhof. 8901 Batzenhofen, am 12. März 1964 / Lieber Herr Harald und liebe Frau Inge, Ihr so lieber und ausführlicher Dezemberbrief war mir eine rechte Freude! Danksagung dafür und Widerhall sind lange schon ein frohes Vorhaben, doch, – man sollte es nicht meinen – schrittweise erlaubt mir nur das Leben den magischen Ring der Freundschaft wieder zu schliessen, die Verbundenheit mit Menschen, die man liebt, zu erneuern, und diesem lieben Gedanken möge nun mein heutiger Brief an Sie dienen. Vor allem, wie innigst ich mich mitfreue an den wohlverdienten Geschenken des Lebens, die Ihnen jetzt zu Teil werden! Dazu gehören vor/allen Dingen bei Menschen wie Sie es sind Ihre lieben Kinder, die, zu meinem Entzücken, zusammen einen ganzen Opa ergeben! Mein Gott, welche wunderbaren Verwandlungen zu entdecken, schenkt das unerhörte Leben so en passent den Eltern! Sie beiden in dieser Rolle stelle ich mir entzückend vor! Liebe liebe Frau Inge! Wie viel Glück ist in Ihre Hand gegeben! Vom ersten Augenblick unseres Kennenlernens an habe ich Sie so lieb gewonnen, und wenn es Gott gefiele, mich zu erhören, in allem was ich Ihnen und Harald Gutes wünsche, nach so vielen kriegs- und nachkriegsbedingten Irrfahrten,- die unvermeidlich Ihre Jugend mit den besten Jahren anzutasten vermochten, so vermeine ich, schenkt uns das Leben noch das vertiefte Glück der Reife, so ist diese Frucht die süssere… Möge es so sein! Haus und Heim. Wie mögen sie strahlen; ausstrahlen den hochkünstlerischen Sinn des Hausherrn, und die Herzenskultur der Hausfrau. Aus Ihrem „Biographischen“ habe ich zu meiner grossen Freude auch die „Wandlungen“ abgelesen, die ein Geistiger seiner Zeit durchlaufen muss, ehe er seinen Grund findet. Ach Harald, dem unvergesslich grossen Menschen und Künstler, der vor einem Jahr von uns gegangen ist, dem Vater gleichzukommen, wäre des höchsten Strebens wert, falls es des Ansporns noch bedürfte. Wird das junge Leben zu Ostern schon in das neue Heim einziehen? Wie dem auch sei, ich wünsche Ihnen unendlich alles Gute dazu! Auch Ihre liebe Frau Mutter wird verwinden. Was ich kann, täte ich dazu! Wir haben Briefe getauscht. Mir geht es hier sehr gut. Die Augen ordentlich. Häusle in Rechtenstein, bleibt Stammsitz. Ist geschlossen zur Zeit. Behalten Sie lieb, Ihre/Ihnen immer getreue Freundin Hade Unger.“
zu ostern der frau gaga, dem django reinhardt sowie dem dr. schein (u.a.)
kratzer
lou, der baustellenälteste, sagt jetzt „kratzer“ zu mir. wenn er etwas will, dann brüllt er aus dem erdgeschoss hoch zum hirsch: „eyhh! grazza! bist no lenga do?…“. sein gehilfe ist zimmermann. der zimmermann schaut sich meine arbeit geringschätzend an. also schau ich mir die arbeit vom zimmermann auch geringschätzend an, worte würden da stören. die maurer im erdgeschoss mauern nur, wenn sie einen kasten bier bekommen, sagt peter, einer der drei spezial-putzer. peter sagt auch, sie selbst trinken seit ein paar jahren auf baustelle nur noch alkoholfreies bier, meistens jedenfalls. peter hat gelbe augen, fränkys englisches cabriolet steht um die ecke und thomas, der ohnehin nur noch ein auge hat, erzählt mir von seiner verschleppten lungenentzündung im letzten jahr. irgendwann hat er schwarzrot gehustet und jetzt ist ein flügel weg. thomas ist achtunddreissig, und sein blick, freundlich zwar, aber böse, ist ende fünfzig. und er lacht. der sächsische elektriker lacht noch arbeiter- und bauernfreundlich, seine art gefällt mir. seinem berliner helfer hingegen ist alles soziale schon lange egal. der zimmermann hat seine kreissäge neben dem hirsch aufgebaut und jedes mal, wenn er sie anschaltet, grinst er mich an. nicht ich sollte schief laufen, sondern er. und es würde ja auch nichts bewirken, wenn alle auf der baustelle jetzt das sinologische olympia boykottieren. dagegen sollte man eher chinesische kreissägen boykottieren, oder wenn nicht das, dann ebenjene geräuschlich weiterentwickeln, vielleicht in tibet, burma oder auf sonst einem dach der welt. später ist feierabend, und ich gehe zum pinkeln in den pinkelcontainer. an der kleinen pissrinne steht lou. als ich mich neben ihn stelle, dreht er sich unverrichteter dinge weg, packt ein und geht. ich habe gewonnen, irgendetwas, aber das wollte ich doch gar nicht.
ruhe rein.
ich liebe lösungen, wie diese hier oben. nichts zerdenken, nichts zerreden. und ich liebe es auch, im dichten grenznahen autobahnverkehr genüsslich in der nase zu bohren.