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./. der ostpreußische Humor der alten Dame [r.i.p.] in Bezug auf die Lagerung div. Kleindinge, die man vielleicht irgendwann noch einmal brauchen könnte („Mit Männern kann man nicht sparen!“). Ich habe beschlossen, diesen kleinen Karton unbedingt aufzuheben.
./. seit Wochen bin ich am Räumen. Am Ausräumen, behutsam, eines nur unwesentlich jüngeren Hauses, als ich es bin, welches, ähnlich einer Menschengesamtheit, über Jahre angefüllt wurde mit Sinnvollem und mit Mist. Das Haus aber hatte nie Schlaf und Traum, so wie unsereiner das hat. Insofern wünsche ich allen Häusern viel Schlaf und Traum. Ich kenne solche ausgeschlafenen Häuser, zweitberuflicherseits.
./. dazu auch meine, oft leider, vorhandene Lust und Neugier an allen – ja, wirklich fast allen – Dingen und dem ihrigen Eigenleben. Ich jedenfalls lebe und zehre schließlich zu einem guten Stück auch von den Erzählungen der Dinge. Nicht zuvorderst WIR, sondern die Dinge sollen leben. Wir vergehen, aber die Dinge können weiterleben. Man muss sie ja gar nicht besitzen. Aber man kann sich kümmern, damit sie nicht zerstampft werden, von unseren angeblich Entsorgungs- und Wertstoffstrategien. Die dann im Meer vor Malaysia schwimmen und Seepferdchen ärgern. Es ist wichtig, sich um die Insekten zu kümmern beispielsweise, aber es ist ebensowichtig, die Dinge zu beherzigen. Die Sachen. Alles mögliche eben, und sei es ein Eierbecher aus buntem Plastik oder eine kleine Pappschachtel, in der sich schmerzstillende Medikamente im Angesicht vom Tod aus 1966 befinden. Oder eine äthiopisch beschriftete Colaflasche von 2013.
./. dennoch TRÄUME ich manchmal wild und machtvoll von übergroßen Mischmüllcontainern, in die man einfach alles hineinknallen kann. So wie früher. Wenn die Stunde für die Dinge schlüge, na dann hätten sie eben Pech gehabt. Dann sind sie weg und man überlässt das Bewahren Anderen, endlich. Oder das Verdampfen. Eher letzteres. So geschehen vor einer Woche mit dem unterirdischen Werk eines ewigen Halbkünstlers, einem „Kühlschrank, eine Treppe hinabschreitend“. Die Treppe zum Altmetall, der angesägte Kühlschrank zum Elektroschrott. Seit 1998 hatte ich das aufbewahrt, letztlich auch für ihn. Weil wir auch mal befreundet gewesen waren, in anderen Zeiten, bis er mir später nur noch ohne Begründung schaden wollte. Oder einem Gebetsbänkchen, seinerzeit dem Sperrmüll der Abtei Zwiefalten um 1984 freudig entrissen, zusammen mit einem Holzstuhl aus ca. 1910, auf dem ich noch heute sitze am Ateliertisch. Auch der Doppelsitz an bunt gepolsterten Kinoklappsitzen ist nun vergangen. Oder der alte Biedermeierstuhl vom Opa, mit dem ich nie warm wurde, dem Stuhl.
./. also Räumen und Räumen, alles dann doch noch mal durch Hand und Geist rinnen lassen. Sämtliche Geschichten fliegen nochmals vorbei. Welch Fundus. Was wird aus der Ostpreußen-Bibliothek der alten Dame? Bald schon will ich nur noch meins verwalten. Bin ja Kriegsenkel, aber irgendwann ist auch mal Schluss mit Nachtrag und Verantwortung. Noch eine altmodische Zigarette. Die Kirschkern hat Erasmus in Paris. Aus Kindern werden Leute. Unglaublich, seinerzeit, vor 20 Jahren, wohnten wir dort für sechs Monate an der Cité Internationale des Arts und die Kirschkern passte zum Baden noch in einen Normaleimer. Es war heiß. Die Tricolore-Düsenjäger jagten am Himmel mit Farbstreifen zum Feiertag. Es war ein warmer Sommer 2001. Ich möchte in diesem Herbst vielleicht einmal Eis-Essen gehen auf der Île Saint-Louis, mit der Kirschkern. Und ihr den Spielplatz zeigen, wo wir damals rauf und runter, rauf und runter usf. die Vor- und Nachmittage verbracht haben. Oft zogen wir los durchs Marais und ich nahm in der Kinderkarre, unten im Einkaufsnetz, jedes schöne Stück gefundenes Holz mit, um darauf zu malen und zu schreiben, wenn es denn Nacht wurde und Zeit war dafür. Die Kirschkern zeigte mir, wenn sie etwas passendes sah. Da war sie erst anderthalb Jahre alt. Was für eine reiche schöne Zeit, das Dach von Notre Dame war noch da und die Türme in NY standen noch, zumindest bis September.
./. je leerer aber alles nun wird am Waldrand, umso leichter und befreiter läuft auch der Schall durchs Haus und eckt nicht immer an irgendwelchen alten oder uralten Dramen und Tragiken an. Es ist nun kein Mausoleum mehr. Es hallt anders, fast wie gefastet. Das Haus hat eine nie geahnte Leichtigkeit, die es nach der Renovierung zu bewahren gilt. Das ist wirklich sehr schön. Der große Garten eignet sich hervorragend, um Wertstofftrennung zu betreiben, ein Haufen da -beim Apfelbaum, einer dort -beim Buchs. Dennoch achte ich darauf, dass die Dinge dann auch zügig verschwinden und aus den Augen sind. Der größte innere Berg allerdings steht noch unmittelbar bevor – der künstlerische Nachlass meines Vaters. Dutzende Dutzend von oft großformatigen expressiven Aquarellen und Kisten und Schubladen voller Grafik, Zeichnung, Monotypie und sonstigen Blättern. Sie ist schon auch etwas belastend, diese Verantwortung. Es soll ja Leute geben, die solche Nachlässe an Bildern komplett zum Altpapier geben. Das ist noch schlimmer als Bücherverbrennen, finde ich. Es ist und wäre: Auslöschen.
./. Dann doch lieber auf die Straße stellen, wenn es mal nicht regnet.
./. die Garage ist jetzt beinahe voll.
./. ganz so, wie der alten Dame Pappschachtel für „Alles Mögliche“ – übrigens ursprünglich eine Verpackung der „MONA Strumpf- und Wirkwarenfabrik GmbH 7500 Karlsruhe“ – habe ich nun eine ganze Kiste voller schöner und origineller Geburtstagsgeschenke gerettet. Sei es eine Packung Blättergelatine aus 1967, div. Strumpfhalter, Buntwaschmittel in der Originalpackung von 1971 für DM 2,49, etliche Insel-Bücherei-Bändchen und Metalldöschen aus den letzten 80 Jahren (z.B. „Cenovis Klare Brühe“), Zimtstangen im Glas und Muskatnüsse aus den 1950ern, wunderschöne beschriftete Holzbügel („Hotel Terminus Baden-Baden“), sowie etliche matallene Lufthansa-Löffelchen mit Prägung. Oder auch Rattengift von ca. 1966, noch mit Totenkopf-Aufdruck. Und weiß Gott was alles noch. Aber ich werde das alles im Sinne des Bewahrens von Alltagskultur schon an den Mann und die Frau bringen.
./. der Heizungsbauer ist nun seit gestern beauftragt. Das bedeutet, dieses Abenteuer des Umbaus und der Sanierung kann beginnen. Vorfreude mischt sich mit manchmal Muffensausen, aber Freude und Zuversicht überwiegen. Ich freue mich schon auf die „Eigenleistung“ und Salman und Bahram haben auch ihre Hilfe zugesagt. Wie viele andere. Am Ende des Oktobers soll alles beginnen. Das Heizöl im Gartentank könnte noch reichen bis Dezember. Das Dach soll neu werden im März. Die Angebote für die Ersetzung der noch zweiadrigen Gesamtelektrik sind in die Wege geleitet und die Erneuerung der Fenster ist bereits angeboten. Ich dachte oft, irgendwann lege ich die Füße mal hoch. Aber dann fällt ja der Kopf hinten runter und landet im nebelfeuchten Schoß von Frau Müller, die einen spitzen Gutenachtkuss gibt, allein deshalb, weil es ihr so beigebracht wurde.
./. Überlege noch, ggf. ein Bautagebuch zu verfassen. Aber mit Tagebüchern kann man mich jagen mittlerweile, so viele gibts hier, in irgendwelchen Kisten. Wer soll das alles jemals lesen.
„Ja genau!“ möchte man ausrufen, jemand der das versteht, die lebendigen Dinge, die oft so unausgeschlafen, weil immer wieder am Ruhen, Reifen, Sein gehindert, von unermüdlichen Verbesserern.
Das mit dem Interesse und dem „alles Mögliche“ ist hier ähnlich. Der Liebste sammelt quasi alles. Ich habe zwischenzeitlich Anfälle von „Balast abwerfen“. Diesbezüglich aber auch schon einiges bereut.
Künstlerischer Nachlass ist schwer und schwierig. Auch die Frage, ob alles zusammen bleiben muss.
Natürlich wollen wir ein Tagebilderbuch.
Ja, erstmal noch muss alles zusammenbleiben. Aber natürlich auch zu sehen sein, nach Jahrzehnten der Schubladen. / Und ein Tagebilderbuch, sicherlich immer wieder gibts das… ;-)
Au ja, ein Bautagebuch! Gleich hier, bitte. Dann liegt’s in keiner Kiste rum und gelesen wird dann ja sozusagen von selbst.
Und auch die Geburtsagsgeschenkkistenidee ist super. Die hätte ich mal haben sollen. (24. März, übrigens… ;-) )
Ah! Gut zu wissen… ;-)