wenn die typhus-pillen geschluckt sind, dann könnte man meinen, man hätte Typhus. Wenn dagegen die hepatitisA+B-spritze gelegt wurde, dann ist es nicht so, dass ich meine, ich hätte nun hepatitisA+B. festzustellen bleibt da ein unterschied der wahrnehmung von natürlichem zu sich nehmen und künstlicher eingabe.

Unwesentlich.

„geschnibbelt“ sagt sie immer, die alte dame. Sie hat die oberflächlichen schnibbeleien erneut gut überstanden. Sie lag früher einfach zu lange und zu oft in der prallen sonne. Dazu wollte sie auch immer mich anregen, in Wilhelmshaven oder auf wangerooge, was mir jedoch immer schon nicht gefiel. Außer einmal, als ich endlich das kleine segelschiff beiseite legte und stattdessen die bikinis entdeckte. Als junge entdeckt man die bikinis, wenn man auch anderes entdeckt (zum beispiel lackierte fußnägel anstatt lackierter öltanker). Dann legt man die segelschiffe und die quallenkäscher beiseite und dann wollte ich nicht mehr aufstehen, da am strand, wenn ein bikini in der nähe sich aufhielt. Meine schultern und meine wangenwangen rötelten sich, mein segelschiff verschwand in der nordsee.

Auch unwesentlich.

Eine günstige afrika-teilkarte habe ich gekauft. Afrika-Karten sind wohl deshalb so günstig, weil kaum etwas darauf abgedruckt ist, ausser wäldern und wüsten und ein paar strassen und zwei flugplätzen pro Land. Die Tiefe von Seen scheint unwesentlich und über Satelliten kann man die Vorkommen von Aids und Klitorisbeschneidungen ohnehin nicht ermessen.

Dazu eine Belletristik, einen Schlüssel nachmachen lassen gelassen, Honig, Streusalz. Der Gartenweg ist so beschaffen, dass man, will man die alte dame zum arzt bringen, erst einmal schneeschippen muss und salz streuen, um eine schneise bis zur rechten türe des Kfz unten auf der strasse zu legen. Darüber dann im zweitgang splitt (den die gemeinde kostenfrei zur verfügung stellt. Ja, das gibt es noch.) Sie beteuert, wie wackelig sie sei. Und lacht dabei schüchtern, aber auch ein wenig alterskeck. Das gefällt mir. Im grunde bedeutete einmal hinfallen das Ende. Da würde alles brechen und seinen Gang nehmen. So ist das. Ich tu was ich kann.

Ebenso unwesentlich.

Die kirschkern hat jetzt ihren ERDKÄS (china) vollbracht. Sie schreibt überglücklich, wie sehr sie sich freut, dass sie nun nichts mehr auswendig lernen muss. Es scheint nicht das lernen, es scheint das AUSWENDIG-lernen zu sein, was sie ganz und gar nicht mag. In kunst hat sie eine 1, was mich eher betrübt. Sie soll friseurin machen und dann verdammt was anständiges kaufmännisches draufsetzen, meinetwegen in Oxford.

Ich erinnere mich an meinen Lehrherrn, der, sprach ich von meinen beruflichen Vorhaben, oft zugewandt in väterlicher art mir versichern wollte, ach man könne das alles doch „auch ganz wunderbar nebenher machen“. Sein griff fest an meiner schulter, wie ich es so gar nicht mochte, bis heute. Und immer dann zog er seine grünen Kringelbilder hervor. Einfach grüne (meinetwegen) auratische Kringel. Er war Schüler von Willy Baumeister gewesen, nebenher.

Kann man nicht. Kann man eben nicht, nebenher. Ich bin dann aller Abend froh um fast sämtliche meiner Lebensentscheidungen. Zum beispiel: ich habe mich für renault entschieden. ein mittlerweile sehr unwesentlicher kampf. Und ordentliche Schuhe sind mir wichtiger als irgendwelche unwesentlichen Konzertbesuche.

Und wie gerne würde ich über die P. schreiben, die Professionalität, aber das geht hier nicht.

Daher an bikini:

Und wesentlich deine Pforten
nebenher, ein Pfötchen.
Wesentlich Brosamen, Brötchen
dein Atoll –
Dein Korb am Strand.
Unwesentlich mein Wesen
Wie Salzwiesen.

Ebbe kam,
Flut ging. Komm‘ wieder, alte Tide
wies, Wo war, wo ist
der Hafer im Sand.

#

(In schloss E. wie nebenher eine Restfläche bemalten Altputzes flüssigchemisch restrukturiert. Danach besoffen vom dampf des ethyls/unvergällt. dachboden, ganz Fabelhaft.)

schloss_E

6 Gedanken zu „…“

  1. An manchen Stellen ist das, als würde ich in meinem eigenen Leben herumlesen.

    Das Schnibbeln bleibt wohl nicht aus. Die Greisin hat keinen Segelturn ausgelassen. Wohnt ja schliesslich an einem See.

    Die Idee, ich könnte meine eigenen Sachen nach Feierabend machen, als ich im ersten Restaurierungsatelier hingerissen vor den Pigmentfläschchen stand. Und dann abends keinen Pinsel mehr in die Hand nehmen mochte.

    Und ordentliche Schuhe sind mir wichtiger als irgendwelche unwesentlichen Konzertbesuche.

    Das mit den Lebensentscheidungen. Naja. Wie gut, wenn man das von sich sagen kann.

  2. Das Schnibbeln kenn ich auch. Von meiner Greisin. Da wurde viel geschnibbelt – was sich angesammelt und wütend materialisiert hatte, weil die Energien fehlgeleitet waren und Ausdruck suchten. Rebellion der Metastasen, oder wie auch immer. Vielleicht hätten wir besser ehrlicher miteinander geredet. Aber wie soll man das… in diesem Geflecht von Erwartungen, in diesem Kokon von vererbten Verletzungen und in diesem Luftschiff voll Hoffnung. Wenn man noch so jung und nackig ist und trotzig mit den Träumen fuchtelt. Jetzt, Jahre später, würde ich Vieles anders machen.

    Chemie ist eine Herausforderung an Geist und Seele. Mir hat der ganze verdammte chemische Mist die Wahrnehmung derart verdreht, dass ich mir zuweilen fremder, denn vertraut wurde. Beste Besserung und Abwehr wünsche ich daher…

    …und was die vererbte künstlerische Begabung anbelangt…. und die Engmaschigkeit verziehender Ratschlagskorsetter… so, oder so kann es verkehrt sein. Mir untersagten die Eltern den künstlerischen Weg. Eben „nebenher“ solle es geschehen, was mich nur zu anhaltender, verbockter Anarchie herausforderte und dazu einen erst recht idiotischen Ausbildungsweg einzuschlagen. Um das halbwegs wieder ins Lot zu bringen, kippte ich später das Ruder jäh in die entgegengesetzte Richtung… und JETZT versuche ich mich zu erinnern, und das natAshenputtel in mir wach-zu-küssen und überhaupt… glaube ich, mittlerweile – in meiner optimistischen Verzweiflungs-Philosophie – dass evtl so mancher Abweg verkannt und zuweilen Hauptweg ist. Deswegen wird der Kirschkern hoffentlich genau das werden und entfalten, was er ist, Dank Ihrer liebe-vollen Unterstützung. Die ist ja nun mehr wert als 10.000 Pläne und Wirtschaftsprognosen und überhaupt der bester Zins, der wuchern kann und wird.

    Wollte ich was gesagt haben? Ja. Schönen Gruß!

  3. Habe eben noch den Baumeister bei Wikipedia gelesen. Manchmal denke ich ja, dass ich auf dem Teil der Afrika-Karte wohne, der bei Ihnen nicht abgebildet ist.
    Im Übrigen stellt es für mich auch einen Unterschied dar, ob ein Rennfahrer im Auto stirbt oder ein Künstler mit dem Pinsel in der Hand. Das ist jetzt kein Unterschied von künstlicher Eingabe oder natürlichem Zusichnehmen, ist aber für mich mindestens genauso unwesentlich.

  4. Ein wunderbar schöner Kommentar, lieber Herr Shh, dessen Beantwortung unwesentlich wäre, da dessen hermetischer Charakter sich wehrhaft wie ein heller Stern jeglichen Bezügen gegenüber aufstellen würde. Nur eines: Das Wichtigste beim Ableben – ganz gleich ob vor Staffelei oder im Boliden – ist wahrscheinlich, dass eine Muse irgendwo in der Ecke daneben steht.

  5. @herumlesen: Jaja, das geht mir da bei Ihnen drüben oft sehr ähnlich. /Und jetzt, wo Sie grad ‚Pigment‘ sagen, ich muss unbedingt mal wieder echtes Lapislazuli/einfache Qualität und Gummi Arabicum bestellen, zum Wurschteln nach Feierabend…

  6. Weite tieffurchige Winterfelder, liebe Falkin, die Sie da anreissen und skizzieren! /Mir wurde gottlob alles erlaubt und mitgemacht, kopfschüttelnd zwar, aber immerhin. Ob ich nicht vielleicht „auf Lehramt“ wollte, das ginge doch auch? Aber nein, ich wollte bocken und Klarheit und durfte. Andere sitzen im Büro und haben Rente und hoffen, dass die Arbeitswoche schnell vorrübergeht, ich sitze nicht im Büro, habe keine Rente und noch selten gehofft, dass die Woche schnell vorrübergeht. Genau dies will ich selbstverständlich dem Kirschkern vermitteln, das da oben war natürlich ein wenig geflunkert. Schönen Gruß ebenso! ;)

Schreibe einen Kommentar zu schneck Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert