hüttnzauber, Fall I

der kirschkern ist genervt vom „packen-müssen“. sie sagt, sie habe keine lust, UMzupacken. zu den jeweilig geplanten unternehmungen ferienseits, die anstehen. der kleine praktische wanderrucksack nervt sie sowieso auch, „weil der immer umkippt, wenn man den hinstellt!“. mein einwurf, dass rucksäcke gerne umkippen und dass man sie deshalb am besten hin-LEGEN sollte, wird unwirsch abgetan. und mit dem alten kleinen grauen nähmaschinenholzkoffer auf die hütte sei ja „irgendwie auch blöd, oder?“. ich biete ihr also meinen größeren rucksack an und weise sie aber umgehend vorsorglich darauf hin, dass auch dieser umkippen würde, wenn man versuche, ihn hinzustellen. sie meint, „siehst du! und dann muss ich ja ausserdem auch alles wieder UMPACKEN, wenn ich dann bei dir bin!“. ich sage schließlich zu ihr, nach ein paar verschachtelten lösungsansätzen, die alle ihrerseits sogleich (genervt) widerlegt werden, in wohlwollender hilflosigkeit, „hm, da kann ich dir dann irgendwie heute auch nicht weiterhelfen…“, woraufhin sie (laut) stöhnend das telefonat beendet. nicht ohne vorher noch (genervt) anzumerken, dass sie jetzt übrigens doch bitte endlich auch „so einen rollkoffer“ bräuchte. /da ist sie jetzt wohl, die pubertät. rock’n roll, ich freu mich drauf!

hundersingen

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und dann immer abends rüber nach emerkingen ins cafe ohne zum trinken, war praktisch, man konnte die paar meter heim dann auch besoffen autofahren. im winter viel schnee, im haus in hundersingen saukalt. einmal hatte h. einen heissen stein zum bettvorwärmen da reingelegt, als wir dann zurückkamen rauchte das ganze haus, die schaumstoffmatratze war angekokelt, gottseidank brannte grad noch nix und mogli jagte jaulend ins freie und schnappte nach sauerstoffluft. das war knapp, haben mit wasser gelöscht und sind dann mitten in der nacht in schlangenlinien rüber nach rechtenstein gefahren zu den eltern von s., die haben sich vielleicht gefreut, drei verrauchte und beschwipste und ein hund, die um 3.00 uhr nachts ins haus poltern. aber sonst wären wir ja erfroren.

mit demselben gelben golf von h. mal nachts über die alb bei tigerfeld, auch winter, man hat die strasse wegen des schneesturmes nicht mehr gesehen, nur die stöcke rechts und links so in etwa, es wurde einem richtig schwindelig. auf dem rückweg natürlich noch ins cafe ohne. die strecke über tigerfeld nach zwiefalten und munderkingen und so weiter ist mir die liebste. mit demselben golf und dem h. mal nachts durch berlin, entlang der mauernischen. zum schluss ins pinox in der oranienstrasse mit den trash-wänden und flaschenbier. er wohnte in der cuvrystrasse mit talking heads, nick cave und dergleichen.

drei jahre lang hatte ich das halbe hundersinger haus gemietet, für fünfzig mark im monat. ich bin oft von stuttgart aus dorthin gefahren, zu sylvester oder ostern oder einfach so zu zweit mit netter begleitung fürs wochenende. mogli lebt schon lange nicht mehr und h. und s. wohnen ebenfalls schon recht lange wieder im süden. ihr größerer besucht gerade mit freunden für ein paar tage berlin und übernachtet mit denen in meinem atelier in neukölln. das gefällt mir, dieser lange und große kreis. der h. ist einer meiner ältesten freunde, ich mag ihn und die s. sehr. und niemand sollte gestorben sein, ohne jemals einen schneesturm auf der schwäbischen alb erlebt zu haben.

KW 32

Am Dienstag nach der Schnapsprobe eine Sternschnuppe gesehen, dann noch eine. Hätte eigentlich viel lieber nur eine gesehen (anstatt zwei). Früh-/Mittel-/Spätschnuppen. Spätglucken. Nachdenken über Gendermissbrauch während supervisorischem Meteoritenabganges. Kalkutta kalkuliert. Die zweite Schnuppe sollte mir schnuppe sein in Bezug auf die erste. Ewiger Wortwitz. Wortwitz ist wie Kunsthandwerk. Früher habe ich manchmal wenigstens noch forsch ausgerufen: „Titten auf den Tisch!“ /Marder sollten in die UNESCO-Liste der zu vernichtenden Tierarten aufgenommen werden: Zecken, Wespen, Mosquitos und Marder.

Habe am End‘ ggf. doch alles unrichtig gemacht. Diese fünf Jahre der Begleitung einer Tochter in die zuletzt südbadische Pubertät. Was war das für ein Aufwand. Ein äusserlicher, vor allem aber ein emotionaler. Ich hätte ggf. doch von Anfang an in B. bleiben sollen. Ich wollte da ja nie weg. Anstatt selbst zu tanzen – bis heute – hätte ich die ganze Story vorbeitanzen lassen sollen. Ich bin die Maus am Faden. Einer jetzt schleichenden Entfremdung kann man nichts entgegensetzen, ausser, man hat etwas entgegenzusetzen, wenn man nichts entgegenzusetzen hat. Ich konnte eben nicht anders. War schon richtig alles so. Das war die zweite Sternschnuppe.

Der walisische Kollege Schmidt holte uns beiden einen Kaffee aus der Bäckerei auf meine zugesagte Kasse hin und freute sich riesig, als ich am Becherboden angelangt ein 1-Cent-Stück entdeckte. Es sei ihm hineingefallen sagt er kichernd, und auf Nachfrage dann doch, er habe den Kaffee mit dem 1-Cent-Stück als den seinigen ohne Zucker markieren wollen, den er aber nun leider verwechselt habe (er habe sich schon gewundert, warum seiner so gut geschmeckt habe!). Er mahnt aber freudig den Glanz der Münze an, „vorher sei das Geldstück ganz angelaufen und matt gewesen, nun glänzt es, nachdem es in deinem Kaffee lag die ganze Zeit, während du den Kaffee getrunken hast, haha!“ Auch seine Augen glänzen jetzt und ich kann seine Zähne sehen. Irgendetwas daran findet er witzig. /Als ich ihn etwas später fragte, ob er mich eigentlich verarschen wolle, verstand er die deutsche Sprache nicht und jetzt ist er beleidigt.

Gestern den Weltenrichter retouchiert, habe mir viel Mühe gegeben. Schwert und Lilie. Komischer Sommer bisher.