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die winterreifen sind seit 7 wochen schon aufgezogen, sprachlos. das kostet jetzt 35 anstatt 25. andere leistungen und deren menschen kosten 85 anstatt 45, so wie ich. die pneus für die schweiz, genauer graubünden, vor zwei monaten für drei tage und nächte. der einigungstag, damals tagesschau, zusammen mit der aufgeregten alten dame auf einem der beiden schaukelstühle, die nun bei den kleinanzeigen keiner will seit einem mehr als halben jahr. obwohl mid century nordisches design von gemla 1959. keine hirsche also in CH, kein schnee, leider und sprachlos die ganze zeit, dennoch. dort möchte ich eigentlich endgültig gerne wohnen, auf eintausendachthundert metern und den lärchen sprachlos beim vergilben zusehen im herbst und im frühjahr dann dem schnee beim schmelzen. und nochmal skifahren, ein mal wenigstens, unbedingt.
wir waren noch einen jahresmoment zu früh dran, vieles noch lichtgrün, wahlweise rötlich. immerhin frost war da schon und reif am morgen, aber vielleicht im nächsten jahr dann. die vignette vom 1. januar für 45 hat sich wenigstens in diesem jahr wirklich sehr gelohnt, zwei mal beim grenzwertigen übertritt bereits diese ohnehin schon an der scheibe gehabt, wie schön. eigentlich ein grund, um im dezember vielleicht nochmals schnell nach zürich oder winterthur zu fahren, um rolex, bircher, gold oder RAGUSA einzukaufen. die halbe rückfahrt wär dann schon finanziert. oder nach südfrankreich über geneve fürs weihnachten oder kurz danach.
an den beiden AFGHANEN im auto jedenfalls störten sich keinerlei grenzbeamte, was sehr schön war und gutes hoffen und lieben und glauben lässt in diesen zeiten. ich war sprachlos. immerhin besitzen beide mittlerweile eine kompletteuropäische reiseerlaubnis. und die CH-geforderten schneeketten hatten wir sogar auch dabei. insofern war der gänzlich unbeachtete grenzübertritt, sowohl hin wie retour, fast schon eine enttäuschung.
ich wünsche mir zu weihnachten eine weitere insektenlebendfalle. damit kann man am waldrand im schönen hause allerlei spinnen, nachtfalter, grashüpfer oder raupen einfangen und dann in den garten, den wir seit diesem jahr nur noch als DAS GELÄNDE bezeichnen, befördern. sowie nichteinschnürende arbeitssocken aus fernost. oder 2 karten für den VfB, die rückrunde.weiterhin ein set von kleinen sieben aus edelstahl und nach millimeter-stärken geordnet, durch die man sandige zuschlagstoffe für die mörtelbeigabe rieseln lassen kann. und ein wertiges und funktionierendes klammergerät fürs büro, mit dem sich ohne ärger papiere zusammentackern lassen. bin boomer, ich drucke noch aus.
in meiner derzeit künstlerischen arbeit herrschen vor ein quantum rückbesinnung, hie und da aufkommende wertschätzung des vermeintlich unwertigen oder lange verworfenem (gleichwohl seinerzeit gottlob NICHT weggeworfenem) eigenen einst HINgeworfenem (ideen und blätter), sezierungen allzu geschmäcklerisch getupftem und damit immer wieder eine schöne große und selbsterfrischende dekonstruktion. die mir stets vermochte, mir meine seele einzuhauchen, auch wenn verloren geglaubt, all die nun ja schon langen und etlichen jahre im atelier. trocken und ehrlich und manchmal auch ROTZ. das gefällt mir. vielleicht nun endlich eine art final befreiendes alterswerk mit großen kreisen und allerlei binsenweisheiten.
bis es aber soweit ist, muss ich auf KUREN und REHAs verzichten. anders, als viele andere. wie ich es so höre und mitbekomme aus dem gleichaltrigenumkreis. über erschöpfung mag ich nicht urteilen, und über die kräfte und abgründe der psyche mag ich sowieso weder richten noch rechtsprechen. im gegenteil: ich mag ja das sprachlose.
MEINE kur hingegen scheint arbeit, meine reha auch. so haben es liebe götter wohl beschlossen. ich arbeite eben, damit werde ich offenbar geheilt. ich will mich nicht beklagen, im gegenteil, zuletzt bin ich sogar dankbar und voller demut darüber. aber in manchen mir zu ohr gekommenen fällen denke ich schon auch hie und da: he! vier wochen reha wegen einer tempoär beruflich schwierigen situation. und das bei voller lohnfortzahlung. wahrscheinlich jedoch bin ich nur neidisch auf festanstellungen und jene netze. weil, ich DARF ja gar nicht krank werden. weder oben noch unten. weil ich dann nichts verdiene. so einfach (und sprachlos) ist das.
der herbst hieß mir viel hubsteiger in einer mit wandmalereien ausgestatteten 1950er-jahre-kirche. es ist immer wieder schön, das gondeln in 12 oder mehr metern höhe. es musste viel retuschiert werden dort oben. und der herbst bedeutete auch, eine wunderbare ausstellung mit ebensolchen werken von joseph beuys aufzubauen. was bereits geschehen ist. eine für mich berührende reise zurück in die zeit vor bald vierzig jahren, als alle sich abarbeiteten an jenem mythenkünstler. so auch ich auf diese oder jene weise. und nun, beim aufhängen und berühren der werke und beim betrachten fallen mir mannigfache meiner gedanken von damals ein. oft postpostmodern, dann ironisch brechend, vielleicht noch ohne den wahren gehalt seiner arbeit verstanden zu haben. vielleicht habe ich das bis heute nicht vollständig. es ist vieles wie aus einer anderen welt. einer meiner bezüge aber ist die tatsache, dass beuys der jahrgang meines vaters war. das interesse daran, wie jene, die die katastrophe am eigenen leib miterlebten, hernach damit umgingen und verarbeiteten. bis sie selbst zuletzt den preis dafür am eigenen leib tragen mussten.
die kirschkern hat ihren ersten job. nach dem master im sommer. frau mullah beginnt in einer für sie neuen leitungsposition. bahram hat noch ein halbes jahr ausbildung vor sich, danach wird er ITler sein. seine familie ist nun in vorläufiger sicherheit – auch dank IHRER spenden im sommer. alles ziemlich schön. ich bin ohne sprache.
kommende interessante brotarbeit kündigt sich an, aber ich bin noch vorsichtig. nun kommt erst einmal der dezember mit alljährlicher zahnarztdurchsicht (bonus-checkheft), kfz- und elementarschädenversicherung, dem heranschaffen von streugut (splitt), der meldung des vorraussichtlichen jahreseinkommens in 2026 mitsamt zuordnung zu den kunstbereichen, die BI-grundsteuer wird sich treffen, die berufshaftpflicht, frau mullah wird feierlich eingesetzt werden, ein paar ausstellungseröffnungen, ein dörfliches gansessen, ein MRT an der schulter und dann ist es weihnachten. vorher aber noch das zeug zusammenräumen auf den baustellen und deshalb lange entschleunigte fahrten mit einem wunderbaren kollegen und seinem riesigen anhänger mit tempo 80 oder einhundert in der weite winterlicher süddeutscher autobahnen.
währenddessen sprachlose gespräche über den zustand der welt.
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