genossenschaftsvormacherei

kirschkernkneipp

also die weihnachtsfeier der genossenschaft. eine farbige runde. zugegen drei kollegen des zweitberufes, eine gattin im pflegewerk, ein kunstgeschichtler mit praktischer veranlagung, wenn es darum geht, beispielsweise ein werk von ida kerkovius meistbietend zu veräußern. ein weiterer denkmalpfleger, eine wunderbare architektin sowie deren mann, mein doc. der doc ist der beste, den ich kenne. er schaut einem in die augen, prüft die fingernägel und weiß dann meist schon, woran man zu leiden meint. und dann noch der zimmerermeister, den ich zwar lange nicht gesehen habe, ihn jedoch seit grundschultagen kenne. er war der erste gewesen, der weiße turnschuhe trug beim sitzfußball. da sind gerade viele solcher aufgreifungen, die mir alles wie eine große familie erscheinen lassen. es tut mir jedenfalls wohl. turnusgemäß am patchwork wird der kirschkern die diesjährigen weihnachten mit ihrem vater verbringen, am waldrand, zusammen mit der alten dame. sehr gerne hätte ich noch mehr menschen dabei, aber wie immer ist es entweder zu spät, oder die meist übliche abschottung noch irgendwie funktionierender familien zeichnet verantwortlich. kriegen wir aber auch hin, ohne! die wunschzettel wurden ja schließlich ordnungsgemäß überbracht vom nikolaus. der weihnachtsmann hat sodann die einkäufe diesmal vor allem bei karstadtamhermannplatz getätigt. und da sitzt du dann abends im kleinen neuköllner liebesnestchen, der kohleofen brummt und dein du oder dein ich verpackt die geschenke fürs kind, die alte dame und: für dich selbst. zu achten ist darauf, dass sich geschenkpapier und band der geschenke des wunschzettels, also der präsente des weihnachtsmannes, von denen der persönlich zugewiesenen praeziosen unterscheiden. am besten auch noch das format des klebebandes, denn sie ist ja eine detektivin. sie will es so, die kirschkernerin, und sie macht sich einen spaß daraus. sie will dieses spiel. sie weiß genau, aber sie will es so und sie schmunzelt und leuchtet dabei und das mitspielen bereitet mir das größte vergnügen! auch noch, als ich irgendwann denke, wieso sitze ich hier eigentlich alleine. wieso verpacke ich mir jetzt schon selber den mir für mich gekauften whisky und ein bund von berufssocken, die ich auf den wunschzettel schrieb, damit auch für mich etwas unterm baum liegt. und dann lief dazu auch noch steve reich im radio. im radio, das muss man sich mal vorstellen! ich walte doch kein radio, um steve reich zu hören, in so einer stimmung! dazu noch, während mir die alte dame, ganz leise, zunehmend sorgen bereitet, ganz leise. ihr gehen wird ihr immer anstrengender. und wenn ihr kopf bisher, bei all den anderen gebrechen, ein steter und stets klarer stern war, so bemerke ich zunehmend müdigkeit. sie ist erschöpft, sie darf das ja auch. kleine ausfälle in der erinnerung an eben besprochenes nehmen zu. gedankensprünge, unverständlich trotz wissen und bestem willen. nachlässigkeit gegenüber möglichem stolpern im alltag, sie lacht dann nur, obwohl sie weiß, dass das stolpern ein ende bedeuten kann. jetzt soll nicht auch sie noch schlappmachen. wenn da keiner mehr ist, was mach ich denn dann? aber das sind ja so die üblichen gedanken um diese kitzelige zeit herum. stattdessen also ausgiebiges schlittenfahren, kältegenuss und chicanößchen mit der tochter, mit den kleinen spielkarten von vordemkrieg im etui der „lederwarenfabrik rudolph dietrich“, ehemals berlin, ritterstraße 71, ein altedame-onkel wohnhaft zehlendorf, ursprung thüringen. und dann seit langem einmal wieder backen, eine new-york-cheese-cake. /steht oben, morgen anstich; ich muss aber unbedingt für den nächsten versuch das rezept von barcomi’s rauskriegen, herausbekommen, recherchieren, klauen!/ und heute sehe ich in einem elektroladen so eine kleine musicalische kompaktanlage von yamaha, mit mittelblau lackiertem aluminiumchassis für ungefähr dreihundert. ich befrage den kirschkern „hmmm?“, kirschkern meint gelangweilt „nö, blöde farbe!“. versteh einer die weiber, mittelblau ist ihre lieblingsfarbe! habe aber so eine ahnung, dass das wird mein künftiger klang werden können in der neuen produktionsstätte, schon einfach wegen des blaus – und dies, obwohl ich noch ehemals teure alte großgeräte verstaut habe, vollfunktionierend, wie unvernünftig auch finanziell! sie hingegen überlegt, wie sie mir endlich ein navigationssystem für den wagen schenken kann, ohne über eine möglichkeit zu verfügen, alleine (!) in die stadt fahren zu können. das rührt recht schwer! es rührt auch (und beruhigt, leicht), dass der doc beim weihnachtlichen genossenschaftsabend erzählte, ungefähr 43% aller arzneimittelwirkungen seien reine placebo-wirkungen, und er würde daher jedem empfehlen, einfach irgendetwas einzunehmen gegen irgendetwas, allein schon wegen der wirkung, irgendeiner positiven! es können auch 37% gewesen sein, wer weiß das schon. was ich hingegen weiß, das ist, dass ich froh bin, dass dieses jahr bald vorrüber gegangen sein wird (wie man ja so überflüssigerweise sagt). was ich aber auch weiß, ist, dass jedes jahr mit fug und recht sein dasein einfordern darf von den altvorderen. und besonders weiß ich, dass mir jegliche lust auf kneipp’sches schneetreten zwar bisher abhanden gekommen war, ich mich mitsamt meiner meinung aber dahingehend möglicherweise verändern werde angesichts der vormacherei des kirschkerns, wie oben auf der fotographie zu sehen (füße: kirschkern/ bier: schneck).

großeblinksause

der vorwurf ist ja schließlich der schwager der begierde. wobei, so sicher bin ich mir da nicht. sich unvermittelt dem defekt zuwendende nagelneue hochpreisige klappcomputer können mich ebenso im negativen sinne beschäftigen, wie die ganz besonders blöden frontscheinwerfer von horch-fahrzeugen, die nun neuerdings mit einem jeweils zornigen mangaesken augenbrauenaufstrich über der eigentlichen beleuchtungselipse versehen sind und mich rücklings bedrängen auf den großen fernstraßen meines lebens. wie eine armegegend-balkonbeleuchtung sieht das aus, im advent. ein kleines böses lichterkettchen. und dann ihr, liebe FA-chemiker, ihr verkauft mir ein duschgelprodukt for men, da steht drauf „extreme cool“. sieht bisschen aus wie niveazeug, ihr schlingel! wenn man sich dann aber auch untenherum damit einseift, dann hat man bereits nach wenigen umdrehungen das gefühl, als hätte man das seinige komplettgemächte in eine starke und große tasse lauwarmen norddeutschen pfefferminztees gehängt und die coolheit, jene will dann gar nicht mehr verschwinden! denkt um vieles später noch immer an einen sex mit brennesseln und kaugummi und an kastraten auf dem weg zu den weihnachtsmanneinkäufen, die im übrigen sehr zufriedenstellend verliefen, ebenso wie die inbetriebnahme der neuen produktionsstätten sowie der gemeinschaftlich abendliche umgang mit alten und schon fast verloren geglaubten freunden und auch der erwerb einer gebrauchten waschmaschine, der letztendlich doch noch erfolgreich und vielversprechend sich gestaltete, er läßt derzeit – wobei ich ja nicht mehr als bestechlich mich betrachten möchte – alles recht nass glitzern.

steve mc queen

joedante

da stehen sie nun, verpackt. einen großen leeren raum mit weißem klavier darin würde ich gerne einmal wieder. große fenster nach stadt, land, himmel. natürlich mondlicht, oder wintertag hell mit weißem schnee, oder heu und stroh und märz. oder kohlengeruch. warum sind immer alles fetzen. wieso gelingt es nicht, einen film daraus zu gestalten, mir. vielleicht ist einfach zu viel geschehen. der wunsch nach pausenloser fabrikation. ich wünsche röntgenassistenten. ich würde klimpern. natürlich im molligen, aber nichts wie das moll verweist aufs dur. und morgens geht dann die sonne auf und gut geschlafen. einen film machen, den letzten film, nur noch einen. alles gesagt, gehört, gefühlt. diesen dann immer wieder anhalten. zurückspulen, am besten mit der hand. sprechen nur noch mit geste und auge und kleidung. blind werden und hände und eine gute geige. ordnen und archivieren, eine große kiste aus aluminium, alles hinein. im spiegel sich anlachen und endlich einen ring kaufen, für mich.

dicrocoelium dendriticum

der tierarztjugendkumpel, seit langem erklärter atheist, wickelt sich eine zum wochenenddienstfeierabend, nimmt einen großen schluck aus seiner geliebten oettinger05 und berichtet:

„stell dir vor, schneck, da gibt’s so ein viech, so einen parasiten, der wohnt friedlich im schaf und auch in anderen viechern, kühe, pferde und so weiter. im magen und in der leber oder in der galle, irgendwie so halt. und jetzt geht alles los: also, das schaf kackt auf die wiese. auf der wiese liegt dann der schafsdreck herum mit den eierchen des parasiten. über den wiederum machen sich dann die zufällig vorbeikommenden schnecken her, lecker schafscheiße. also dann: die parasitenlarven in der schnecke, ich glaub zuerst besiedeln im magen, dann generell schneckenverdauung. der schnecke macht das nix aus. dann aber verändern sich die miniviecher und wandern wundersam in die atemorgane der schnecke, da wollen die nämlich hin! denn das gefällt der schnecke nicht so wirklich und sie produziert deshalb in folge eiweißhaltige schaumbällchen, die diese fremdkörper da in der schneckenlunge umschließen sollen und diese bollen aus eiweiß sondert sie dann ab. wohin? in’s gras natürlich. macht der schnecke übrigens alles nichts aus, aber die parasitenviecher, die wollen das so! weil? na, weil dann die ameisen auf futtersuche vorbeikommen, lecker eiweiß. also fressen die ameisen diese schmacken schneckeneiweißbällchen, natürlich mitsamt den parasitenviecherchen. diese nisten sich dann im, ich glaube, magen der ameisen an. und das macht den ameisen auch erstmal gar nichts aus. dann aber, irgendwann, dann verständigen sich die parasitenviecher irgendwie untereinander, und zwar so, dass nur EIN mini parasitengeschwisterchen sich auf den weg ins zentrale gangliondingens, also ins hirn der ameise, bewegt! wie? keine ahnung. und vor allem, nur EINES von den parasitenscheißerchen! stell dir das mal vor! man hat keine ahnung, wie das funktioniert, ich meine, die müssen ja irgendwie untereinander quatschen oder so. ungefähr „he leute, also wir machen jetzt mal flaschendrehen und einer von uns haut uns da alle raus! ok, ich bin’s, ich tu’s für euch, vergesst mich bitte nie!“. oder eben so ähnlich. auf jeden fall, jetzt kommt’s, dieses EINE vieh da im hirn der ameise, das bewirkt dann, auch keine ahnung wie, eine verhaltensänderung der ameise. die klettern normalerweise niemals bis in die grashalmspitzen, weil viel zu gefährlich! aber diese EINE parasit-im-hirn-ameise, die macht das dann, klettert wie von geisterhand und völlig gaga in die grashalmspitze! und genau dort, du ahnst es, schneck, genau dort wird sie dann, wenn alles gut geht aus parasitensicht, wiederum vom schaf: aufgefressen! und dann geht die ganze scheiße wieder von vorne los. die ameisenmagenparasiten sind am ziel, ihr brüderchen im ameisenhirn geht wahrscheinlich flöten. wahnsinn! und eigentlich unglaublich, oder? klingt ja irgendwie fast so, als hätte sich das jemand ausgedacht. kann aber nicht sein, ist reiner zufall, positive mutation und so, kennste ja. das MUSS zufall sein! (…)“.

beim nächsten oettinger geht’s dann noch über zwischenwirte, geld, seilschaften, kinder, liebe, den ganzen mist eben, politik, klima, titten und gott und katzen und auch über’s einschläfern.

(denn sie wissen nicht, was sie tun)

das waren sie jetzt also, diese 274 stunden im hopfenland. schönes kleines altes kirchlein. die baustelle zusammenpacken ein paar stunden früher als geplant. brot und wein für zwei monate und den winter. fast ein wenig wehmut ob der seltenen so überaus freundlichen bewirtung. ein wenig auch zugenommen, ein kleines bäuchelchen hat sich mir gebildet unter der pumpe, seitdem es regelmäßiges mittagessen gab am großfamiliären küchentische („steht dir gut, schneck!“ meint die bäuerin lachend). hausmannskost, täglich suppe gerührt, ausschließlich eigenes aus birnen, schweinen, puten, möhren, hühnern, roten rüben, makrelen und kraut und kirschen, „ihr wissts scho gell, fei alles bio!“. und nicht oft habe ich stets so fröhliche und gut gelaunte menschen erlebt. und so zufrieden herzlich.

dabei werden ja auch dort die päckchen ausgetragen. der großvater, eigentlich ein schelm, fragt, ob denn schon der zweiundzwanzigste november gewesen sei, das sei doch sein verwundungstag und normalerweise könne er da seit fünfundsechzig jahren nicht schlafen in der nacht. oder er müsse plötzlich heulen die ganze nacht lang, habe alpträume und würde fürchterlich schwitzen. aber es habe ihm ja sein leben gerettet, letztendlich. die oma nickt still. auf vorsichtige nachfrage verrät er mir zugewandt, es seien die beine gewesen. sein kamerad direkt vor ihm habe hingegen etwas „in den kopf abbekommen“ und dann winkt er ab und ich will gewiss nicht weiter fragen und das ist auch gut so. sein sohn von vis-a-vis am tische merkt nur noch an, „vadder, des is a drauma. dei drauma! drauma nennens des heit!“ und schon steht der nachtisch vor mir, kirschen unter vanillepudding im stilgläschen. ich bin ja eigentlich kein nachtischtyp, aber hier? und dann diese kutschenfahrt, zu der uns der mesner (woanders sagt man: der küster) eingeladen hatte, vom nachbarhof. auch er lacht eigentlich den ganzen tag entlang und wir können theoretisch ja bis nachts um zehn uhr arbeiten, wenn wir denn wollen, also sagt man nicht nein zu einer solchen schwerblütigen einladung, dazu an einem wunderschönen spätherbsttage mit decken um die städternierchen. auf dem rückweg in den flecken dann passieren wir ein kreuz am wege und leiser und ein bisschen wie plötzlich nebenbei bemerkt der alte mann, dass dort sein sohn ums leben kam, mit vierundzwanzig jahren an heiligdreikönig und er war „grad 100 tag verheiradt‘!“. der sohn und seine frau waren wohl bei dunkelheit vorschriftsmäßig am straßenrand, aus dem städchen kommend, nach hause in richtung des dorfes gelaufen, als ein auto ein anderes überholte und den sohn übersah dabei. auf dem kreuz, gerahmt von zwei mittlerweile stattlichen buchsbüschen, steht in kleiner inschrift „vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“. die witwe wohnt bis heute auf dem schwiegerelterlichen hofe. man erfährt, dass es vielleicht ein glück gewesen sei, dass das junge paar nicht eng umarmt gelaufen war im moment des unglückes, sonst würde auch sie, die frau, vielleicht nicht mehr leben.

der großvater ist sich ganz (!) sicher, dass es diese komische schweinegrippe auf gar keinen fall bis in den kleinen ort schaffen wird! aber ich verspreche beim verabschieden, dass ich es auf jeden fall (!) einmal wieder hierher schaffen werde. und dann berlin, „ja…, berlin!“. der enkel sei ja erst dort gewesen, geselle heizung/sanitär, im sommer. seine mutter, die bäuerin, flüstert mir später zu „…zur pornomesse!“. rollt mit den augen und dann lacht sie wieder so herzlich.

Viktor Vaudeville & Les 3Roberts: „Dich“

Eine ganz außergewöhnliche Spenden-Aktion des ganz außergewöhnlichen Herrn Erdgeschoss/Rechts (–>) finden Sie hier:

Ein Lied geht um die Welt:

Wir wollen helfen, helfen Sie mit. Und zwar dem Kinder-Hospiz Sternenbrücke in Hamburg. Das hilft Kindern und Jugendlichen mit begrenzter Lebenserwartung, ein würdevolles Leben bis zu ihrem Tod führen zu können. Spenden Sie bei der anerkannten Spendenplattform betterplace, die unser Projekt Ein Lied geht um die Welt unterstützt und dafür sorgt, dass jeder Cent dem Kinder-Hospiz zukommt.

Dafür gibt es “Dich”, eines der schönsten Chansons, das Viktor Vaudeville je zu Gehör brachte. Der Clou: nicht nur in einer, sondern in vielen Versionen. Hören, spenden und herunterladen können Sie im Studio Vaudeville, Viktors nagelneuer Boutique.

Voila: The Midnight ShakeBoobs Benefiz Remix avec Viktor Vaudeville & Les Trois Roberts (by schneck09)

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Machen Sie mit!
Und: Danke, Herr Schoss!