der erste elternabend, zweite klasse. vier kommen zu spät. anwesend vor allem frauen. drei neue eltern. die stellen sich kurz vor. da ist die mutter von johanna aus bayern, vor drei wochen zugezogen. in bayern haben sie schon in der ersten klasse schreibschrift gelernt. johanna sei stolz, dass sie das schon kann, im gegensatz zu den anderen schülern hier, sie sei aber traurig, dass das kleine „z“ in bayern anders geschrieben wird als jetzt in der neuen schule. achselzucken im hubertuslook mit hornknöpfen über die bildungshoheit der länder. sie, die mutter, spricht bürgerlich-gebildetes hochdeutsch. ihr engagement könnte auch ein adliges sein. ich überlege, nein, nicht münchen, eher deggendorf, straubing oder regensburg? später, auf dem rückweg zum auto, sehe ich sie in einen großen kombi mit dem kennzeichen „EBE“ einsteigen. ich werde mal nachschauen, wo das liegt, aufgefallen ist mir „EBE“ schon öfter. ich freue mich, dass es nicht „TÖL“ ist, denn bad tölzer wollte ich hier, so weit weg von bad tölz, eigentlich nie mehr sehen (das war damals mit ein grund, weshalb ich hierher gezogen bin). diese johanna-mutter, sie führt bestimmt ein sehr anderes leben als ich, aber ich mag irgendetwas an ihr. vielleicht muß ich ihr einmal vertraut bedeuten, dass sie die hornknöpfe weglassen soll, in dieser stadt. und olga, meine tochter, mag johanna, wie sie mir heute abend, auf nachfrage, mitteilte.
die nächste ist misses martens mit beinahe akzentfreiem deutsch. sie war eine der zu spät gekommenen gewesen, hatte sich neben mich gesetzt, ohne auch nur einen blick mir zuzuwerfen, geschweige denn kurz zu grüßen, wie es sich gehört hätte. misses martens also, im kleinen schwarzen kleid neben mir, mit einer top-figur, zurückhaltend sichtbar angeschminkt, blond und mit verschiedenartig eingefärbten schlangenleder-pömms. sie zückt einen mont-blanc-füller und macht sich blaue notizen auf einem hellgrau karierten A4-block. auch sie stellt sich vor: caroline, ihre tochter, sei die vorletzte von fünf kindern, und jetzt neu in der klasse. man fühlt ihren stolz, der ja ganz ohne zweifel auch berechtigt ist, über ihre (hoppla überraschung) fünf kinder. ein solcher körper, ganz anders als der der johanna-mutter, und misses martens wirft dies natürlich auch in die runde, immerhin sind einige verheiratete männer da, und die anderen frauen sollen ja auch wissen, dass sie ein alpha-weibchen ist. misses martens ist business, gutaussehend, hat fünf kinder und wahrscheinlich einen geländewagen draußen vor der schule stehen jetzt, und ihr mann sieht wahrscheinlich auch gut aus, und er ist sehr erfolgreich im job. sie seien kürzlich vom norden der stadt hierher gezogen. sie erklärt, auf die frage der lehrerin, ob sich denn nun caroline englisch oder deutsch aussprechen würde, dass ihr mann und sie von vornherein für alle fünf kinder namen gewählt hätten, die sich sowohl englisch als auch deutsch aussprechen lassen würden. und daß es die entscheidung der kinder wäre, wie diese sich am liebsten rufen lassen würden, dabei natürlich ihr hinweis auf das zweisprachige aufwachsen der kinder, und die frage nach den sport-ag`s. ich habe mich dann nur noch gefragt, ob sie auch untenherum rasiert ist und welcher religion sie angehört. vielleicht ist sie doch engländerin? (olga jedenfalls, sie mag caroline, wie sie mir heute abend, auf nachfrage, mitteilte).
die dritten neuen eltern waren beide anwesend. sie, die frau, hat das amt der elternsprecherin angenommen, welches zur neuwahl stand, und ihr sohn heisst konrad und er hat noch eine kleine schwester. auf nachfrage berichtete mir olga, dass sie konrad nett findet. aber auch, dass konrad schon einmal, möglicherweise aus versehen, emilia einen stift ins gesicht gehauen hätte. ich denke spät, es scheint, ein bier kann ich am ehesten mit den konrad-eltern trinken. aber wieso muß man überhaupt mit anderen schulischen eltern ein bier trinken gehen? und ich frage mich, wie alt denn nun johanna-mutter und misses martens und die konrad-eltern eigentlich sind. ich bin mir sicher, sie sind jünger als ich. sind sie alle glücklich? das wünsche ich allen, sogar frau martens, obwohl sie vergaß, mich zu begrüßen. die johanna-mutter wird mich grüßen zukünftig, so professionell scheint sie. aber ich sollte mich vielleicht auch nicht mehr fragen, wer und wie untenherum rasiert sein mag oder nicht. quasi schulisch. das wichtigste für die zukunft sollte sein: würden sie mir bilder abkaufen, oder nicht, mit ihrem vielen geld.