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wenn die typhus-pillen geschluckt sind, dann könnte man meinen, man hätte Typhus. Wenn dagegen die hepatitisA+B-spritze gelegt wurde, dann ist es nicht so, dass ich meine, ich hätte nun hepatitisA+B. festzustellen bleibt da ein unterschied der wahrnehmung von natürlichem zu sich nehmen und künstlicher eingabe.

Unwesentlich.

„geschnibbelt“ sagt sie immer, die alte dame. Sie hat die oberflächlichen schnibbeleien erneut gut überstanden. Sie lag früher einfach zu lange und zu oft in der prallen sonne. Dazu wollte sie auch immer mich anregen, in Wilhelmshaven oder auf wangerooge, was mir jedoch immer schon nicht gefiel. Außer einmal, als ich endlich das kleine segelschiff beiseite legte und stattdessen die bikinis entdeckte. Als junge entdeckt man die bikinis, wenn man auch anderes entdeckt (zum beispiel lackierte fußnägel anstatt lackierter öltanker). Dann legt man die segelschiffe und die quallenkäscher beiseite und dann wollte ich nicht mehr aufstehen, da am strand, wenn ein bikini in der nähe sich aufhielt. Meine schultern und meine wangenwangen rötelten sich, mein segelschiff verschwand in der nordsee.

Auch unwesentlich.

Eine günstige afrika-teilkarte habe ich gekauft. Afrika-Karten sind wohl deshalb so günstig, weil kaum etwas darauf abgedruckt ist, ausser wäldern und wüsten und ein paar strassen und zwei flugplätzen pro Land. Die Tiefe von Seen scheint unwesentlich und über Satelliten kann man die Vorkommen von Aids und Klitorisbeschneidungen ohnehin nicht ermessen.

Dazu eine Belletristik, einen Schlüssel nachmachen lassen gelassen, Honig, Streusalz. Der Gartenweg ist so beschaffen, dass man, will man die alte dame zum arzt bringen, erst einmal schneeschippen muss und salz streuen, um eine schneise bis zur rechten türe des Kfz unten auf der strasse zu legen. Darüber dann im zweitgang splitt (den die gemeinde kostenfrei zur verfügung stellt. Ja, das gibt es noch.) Sie beteuert, wie wackelig sie sei. Und lacht dabei schüchtern, aber auch ein wenig alterskeck. Das gefällt mir. Im grunde bedeutete einmal hinfallen das Ende. Da würde alles brechen und seinen Gang nehmen. So ist das. Ich tu was ich kann.

Ebenso unwesentlich.

Die kirschkern hat jetzt ihren ERDKÄS (china) vollbracht. Sie schreibt überglücklich, wie sehr sie sich freut, dass sie nun nichts mehr auswendig lernen muss. Es scheint nicht das lernen, es scheint das AUSWENDIG-lernen zu sein, was sie ganz und gar nicht mag. In kunst hat sie eine 1, was mich eher betrübt. Sie soll friseurin machen und dann verdammt was anständiges kaufmännisches draufsetzen, meinetwegen in Oxford.

Ich erinnere mich an meinen Lehrherrn, der, sprach ich von meinen beruflichen Vorhaben, oft zugewandt in väterlicher art mir versichern wollte, ach man könne das alles doch „auch ganz wunderbar nebenher machen“. Sein griff fest an meiner schulter, wie ich es so gar nicht mochte, bis heute. Und immer dann zog er seine grünen Kringelbilder hervor. Einfach grüne (meinetwegen) auratische Kringel. Er war Schüler von Willy Baumeister gewesen, nebenher.

Kann man nicht. Kann man eben nicht, nebenher. Ich bin dann aller Abend froh um fast sämtliche meiner Lebensentscheidungen. Zum beispiel: ich habe mich für renault entschieden. ein mittlerweile sehr unwesentlicher kampf. Und ordentliche Schuhe sind mir wichtiger als irgendwelche unwesentlichen Konzertbesuche.

Und wie gerne würde ich über die P. schreiben, die Professionalität, aber das geht hier nicht.

Daher an bikini:

Und wesentlich deine Pforten
nebenher, ein Pfötchen.
Wesentlich Brosamen, Brötchen
dein Atoll –
Dein Korb am Strand.
Unwesentlich mein Wesen
Wie Salzwiesen.

Ebbe kam,
Flut ging. Komm‘ wieder, alte Tide
wies, Wo war, wo ist
der Hafer im Sand.

#

(In schloss E. wie nebenher eine Restfläche bemalten Altputzes flüssigchemisch restrukturiert. Danach besoffen vom dampf des ethyls/unvergällt. dachboden, ganz Fabelhaft.)

schloss_E

verletzungsfrei

in einem herrensitz im nürnberger land von stadtadeligen mich herumgetrieben, versuchend als teil einer Truppe, die baugeschichte über die oberflächen – wie etwa tapeten, verputzungen, tünchen usf. – zu ermitteln, manchmal sind auch kleine oder große öffnungen erforderlich, um genügend einblicke in die konstruktionen bzw. die abfolge derer zu gewinnen, man nennt das ’sondierung‘, wenn möglich verletzungsfrei. was kaum möglich ist meistens.

So rannten und schlichen wir vermummt durchs gebäude, die grundmauern noch sehr alt und von einer regelrechten burg herrührend, mittelalterlich, dann diese in den markgrafenkriegen von einem ansbacher niedergebrannt und mittig des sechzehnten jahrhunderts wieder auf dem niedergebrannten aufgebaut, die umfriedung und die wehrgänge, wer weiss, wie alt die sind. Der anbau eines treppenturmes datiert in um 1640, man bildet in der regel bauphasen, um die herum man die weiteren sich verdichtenden erkenntnisse chronologisch zu drapieren versucht und querüberprüft, die türfutter waren in diesem fall sehr genau zu betrachten, denn nicht alles, was zunächst gleich ausschaut, ist dann auch gleich, selbst kleine unterschiede im profil können einen auf den leim führen, oder die art der marmorierung ebenjener.

Tür- und fensterbeschläge sind ebenso streng anzusehen, wie maße und Beschaffenheit von Fußbodenleisten oder wie auch die stuckornamentiken und immer wieder trafen wir uns über den verformungsgetreuen plänen der stockwerke, steckten die köpfe zusammen, um diese übereinanderzulegen, welche wand stand und steht wo und wie alt ist sie vor allem, kommt sie vor oder nach einer anderen wand. oder decke. Oder auch dem boden. eine schöne detektivarbeit, jedes objekt ein kriminalfall.

Und vor allem, warum meint man das, was man gerade meint. Man befindet sich dann immer im permanenten begründungszwang, es bildet sich ein netz aus logischen vermutungen, in welches sämtliche informationen, seinen es abfolgen, archivalien, dendrochronologische datierungen oder inschriften, einfließen. In diesem falle zudem auch die erzählungen und das familiäre wissen der lebendigen freifrau, die berichten konnte, welcher vorfahre wann und wie was getan oder veranstaltet hatte und ob dieser reich oder eher arm, glücklich oder eher unglücklich gewesen sei.

Gewürzt mit allerlei privaten geschichten um die alten leute. Der onkel beispielsweise, der in den 1920er jahren mit frau und kindern nackt durch die umliegenden wälder gelaufen war, sehr zur belustigung der dorfbevölkerung. Oder der barocke urahn, der frau und sämtliche kinder verlor und daraufhin eigenartig wurde und über jeder tür einen lateinischen sinnspruch in goldenen lettern anbringen ließ (OVID etc.), dazu eine herrschaftliche stuckdecke in den repräsentativen räumen veranlasste und allerlei anderes. Das ist also ganz unstrittig die bauphase um 1722 gewesen. Für uns. Er heiratete erneut, blieb jedoch kinderlos und verstarb bald, die witwe heiratete ebenso erneut, gebar sodann, und ein kind von ihr heiratete einen der jetzigen patrizierLINIE, weshalb dann dieses anwesen in den besitz der heutigen eigentümer geriet.

Wir stritten vergleichsweise angemessen viel in diesen zwei tagen, ich war dort nicht so gut im kombinieren diesesmal, die kollegin warf richtiges in die runde von uns dreien. Dinge, das ist dann oft so, die plötzlich logisch erscheinen, wenn sie jemand ausspricht endlich, oder erneut behauptet, als these, provokation, wahrheit. Einen tag später. dann fallen manchmal schuppen und man fasst sich an den kopf, weshalb man auf dies und das nicht schon früher gekommen war, schamhaft. Jedoch es dient der sache.

Wir wurden von der freifrau beeindruckend bewirtet (linsensuppe, schweinebraten und knödel, wintergemüse etc.), das habe ich noch selten so erlebt, und auch ihr mitfiebern und das ihres (bürgerlichen) mannes und des sohnes, das interesse, das uns und unserer arbeit entgegengebracht wurde und dem familiären erbe, welches im umfang durchaus eine große last sein kann, auch finanziell, aber nicht nur, das war schön zu erleben hierbei und erfüllte daher auch uns mit sporn und lust.

Immerhin dringt man in fremdes leben, glück und leiden und ungeschützte geschichten ein. Nicht nur auf der hochleiter, balancierend über einem fragilen renaissancetisch mit barockem texil aufgelegt und das Skalpell in der Hand, während der anfertigung eines loches in eine stuckdecke mit rieselnder schüttung (die schüttung älter, 17.Jh.?) oder über kommoden und wertvollen hammerklavieren des 19. Jahrhunderts. Salonware, Berufshaftpflicht. Es ist dort ein schlafend-waches museum und alle stücke verbergen sich nicht etwa in aufbereiteten vitrinen, sondern die dinge und sachen stehen dort und da eben herum, wie sie einst standen oder später von einem möglicherweise verfeindeten onkel oder der gütigen urgroßmutter gestellt und gelegt wurden, ganz im gebrauch und etwas persönlichem verhaftet und dadurch sehr anders belebt und wie selbstverständlich.

Ganz typisch und gängig, das erdgeschoss-rechts hallenartig zur versorgung, dort auch der ehemalige treppenaufgang, links noch kasematten, im ersten stock schon immer die wohnräume, im zweiten stock repräsentativ, im dritten das gesinde, im dach die hornissen. Beheizt heute nur noch die wohnräume, alles andere schonend und denkmalpflegerisch „temperiert“. Wir trafen an 5 grad. Bei diesen muss man dann denken, soll man. Drei Kamine, 2 Abtritte. Küchen?

Ich könnte da jetzt noch stundenlang weiterschreiben. Vor allem war es kalt und ganz passend im funkloch, die gegend gelegen, der ort. Der kollege hatte sekt mitgebracht zu meinem geburtstag, man musste den weniger kühlen, denn wärmen.

Ich könnte da jetzt noch stundenlang weiterschreiben. Dabei waren es nur zwei tage. Jetzt sitze ich im warmen, die kirschkern kam aufgrund des vielen schnees heute mit dem zug, was nicht einfach ist von der tortursiedlung nach hierher. Sie schläft jetzt, ich hingegen trinke noch einen roten auf diese abermals schöne und spannende woche innerhalb meiner gesamtlebenszeit.

168km

336km Schwarzwald, Adventsbasar in Tortursiedlung. Ein wenig mit anderen Eltern sich unterhalten, anderen Elternteilen, derjenigen der Freundinnen. Eine meint, sie würde sich in der letzten Zeit zurückziehen? Wenn Sätze ganz hinten als Frage enden.

Auf der Heimfahrt durch mondbeschienene Schneelandschaften erzählt sie, dass bei ihr immer alles nicht klappen würde, wenn sie sich etwas besonders schön ausgedacht habe. Sie sagt das so. So unbedeutend, lachend, ach wo. Aber dieses „immer“. Ich versuche mich zu erinnern: An mich. An ihre Mutter. Beschreibe ihr in Höhe Titisee/Neustadt das Phänomen der sich selbsterfüllenden Prophezeiung. Nein nein, das sei bei ihr nicht so, protestiert sie. Sie prophezeie sich den Schiefgang nicht vorher – das sei eben einfach so bei ihr! Und wieder lacht sie, fast selbstbewusst.

Wäre das alles auch so, wäre alles anders gekommen? Wäre das alles so, würde auch ich im Alltag mit ihr leben? Mit meiner hervorragenden Einbildungsfähigkeit sehe ich sie schwarz gekleidet in ihrem schwarz gestrichenen Jugendzimmer sitzen, sich in düsteren Foren bewegend und an der Welt zweifelnd und schließlich zerbrechend. Ich habe Angst, einfach unendliche Angst um sie. Die stets ebenso unendlich sich verklärt wegen dieses verdammten Abstandes. 168km.

Es kann aber ja auch alles mal gut gehen und schön enden, nicht? Das flüsterte mir der gütige Mond dann im Nebel bei Rottweil.

P1100365
unsere_gaense
wir_koennen
villah_esslingen

dertextfehlt (x).

[Winterarbeit. Beim Durchsehen des zu archivierenden Familienmaterials habe ich beschlossen, eine schöne moderne Aluminiumkiste für jeden Toten zu besorgen. Ich will die nun zeitnah verstauen und wegräumen, weghaben, endlich vom Tisch! (Die Verstorbenen mögens mir nachsehen), immerhin kümmere ich mich seit Jahren um deren Verlassenschaften, ordne, bewerte, bewahre, ebenso ja wie die Lieblingscousine, sie selbst haben sich ja auch einfach dann weggemacht zu allen Zeiten, ohne vorher zu fragen. Insofern ist diese Totenwoche doch noch nicht ganz zu Ende, denn mir fielen ein paar bildliche Kleinodien in die Finger, allesamt Schnipsel, schnipselklein und fast zum Übersehen, so klein. /Oben die Aufnahme eines Vogels beim Fliegen (ich finde sehenswert) aus den offenbar mindestens 19zwanziger Jahren zurückgerechnet, darunter Gänse, rückseitig beschriftet „Unsere Gänse“, undatiert (ggf. Odessa 1918, bevor der Urahn mit seiner Gänsezucht vor den Bolschewiki nach Istanbul floh /oder Oberes Donautal, um 1947); darunter zeitgenössisch „Wir können auch anders!“ als Selbst mitSONNENBRILLE (Brille Mallorca), DArunter wiederum der Vorschlag des Grossvaters für eine „Fabrikantenvilla“ im Neckartal bei Esslingen, fast schon Avantgarde, datiert in die 19zwanziger Jahre, eine Studienarbeit, Stuttgarter Schule, (FOTO: Modellfoto.) /Aura und Anmut des kleinen Formates.]

sonntagsewigkeit

beim rennen durch den großen wald, herbst-frühling, 12°, warten auf die stürme. und wieder diese botenstoffe im gehirn durch bewegung. Sehr gesund. Heute wurde ich tödlich vorsätzlich angeschossen mit jagdgewehr in richtung nahtod (d.h. ermordet). Es geschah bei der kurischen nehrung aus dem Hinterhalt. Ein neider (kunstmarkt?) oder nebenbuhler raste im waldgrünen nissan-patrol davon, aufkleber FORST und „die feuerwehr, retten, löschen, bergen, helfen“, im dahinsinken griff ich noch konstruktivkontrolliert nach meiner kleinen sieben jahre alten LUMIX, stellte mit schon verschwommenen augen die funktion -bewegtbild- ein und sprach leise, aber deutlich, sowie ersterbend das kennzeichen in das kleine mikrophon: TÜ-SEX 9000. Diese meine letzte botschaft wurde später von kommissar Zeeb gefunden, ausgewertet und mein demzufolge schnell ermittelter mörder auf dem marktplatz der nahen kleinstadt schaffottiert, besser gevierteilt, unter erregter anteilnahme von 100.000 schaulustigen, davon 25.000 studierenden geisteswissenschaftlern, davon 3.000 erstsemestern, welche allesamt einen mini-countryman zum G8-abitur geschenkt bekommen hatten.

Beim weiterrennen, die steinige steigung. /“flutschi, das gleitmittel der profis!“, als ich diese werbeformel damals etwas schüchtern zur ideenfindung in die lustige runde warf und wie sich dann der A. vor lachen bog, eine halbe stunde lang, als schon alle anderen aufgehört hatten mit dem lachen und sich stumm anschauten, ratlos über die beweggründe des A. für diesen Lachanfall, halb wahnsinnig fast. Die ersten standen auf und gingen nach hause, ich auch. Vorwände.

Oben dann auf der großen schönen schweinelichtung die kirchenglocken AUS der ferne, was soviel heisst, dass gerade das vater-unser gesprochen wird IN der ferne. Es ist schon gut, dass diese „Themenwoche“ nun vorrüber ist mit dem heutigen Ewigkeitssonntag. Die alte dame sagt „TOTENsonntag! Dass sie auch alles umbenennen müssen, man kennt sich ja gar nicht mehr aus…!“ Wir spielen ein Schicanöschen mit dem kleinen vögelchenkartenspiel aus Königsberg und nachher gab es Alblinsen mit Spätzle, unten im dorfkern, die besten der Welt.

ja ja ja
hepatitis A.

schnee schnee schnee
hepatitis B.

gut gut gut
das tolle an der wut.

juppheidi und juppheida,
wünscht charmant die cholera.

bla bla bla,
jaja malaria.

grün blau rot,
fieber (gelb) macht tot.

typhus in der höh`
tut nur halber weh.

Rocken, zocken, flocken
Meningo mitsamt kokken.

Statt brechen sind mir sehr viel lieber
maßnahmen gegens dengue-fieber.

[Klasse klasse klasse
Zahlen nix tut kasse.]

Zum schluss:
tetanus.

Reschke

schluessel

(Türe, heute Dachboden.)

Die alte Dame erzählt von Irmchen Köster mit den Zahnlücken, eine der Hauswartstöchter, welche sich mit der alten Dame Schwesterchen Rosemarie angefreundet hatte. Man selbst wohnte im zweiten Stock mit Damenzimmer und Herrenzimmer und auch sonstigen weitläufigen Räumlichkeiten. Die Kösters hingegen im Parterre. Und wie sie, die Kinder im Haus, oft den Moment abpassten, wenn die Pforte (Frau Köster) aufgrund regelmäßigem Toilettenganges für ein paar Minuten nicht besetzt war und die ganze Bande dann schnell mit Rollschuhen über den schönen Hausflurteppich hinauf für einen Kakao in den zweiten Stock schlüpften, was Frau Köster schlimm getadelt hätte, hätte sie nicht auf dem Klo das Ihrige verhockt.

Die Kirschkern isst ihr Muesli im selbstgenähten Schlafanzug und hört der alten Dame aufmerksam zu. Und schmunzeltiert. Auch von denen, die im Keller wohnten, ist die Rede, damals wohnten ja auch Leute im Keller. Die Kirschkern isst ihr Müsli und hört voller Schmunz, weiter, zu. Ein netter älterer Mann war auch Kellerbewohner, von Beruf Teppichklopfer und den ganzen Tag auf Arbeit, die alte Dame hat den Namen vergessen. Und dann die Schraders mit vier Kindern, alles Töchter (die Kirschkern horcht auf!). Frau Schrader verstand sich mit der Mutter der alten Dame recht gut, und immer, wenn es Fragen bezüglich des Nachwuchses gab, dann zog Frau Schrader gerne auch den Rat aus dem zweiten Stock hinzu. Das war nicht normal, weil es damals nicht üblich war, dass Leute aus dem zweiten Stock zu denen im Keller einen Kontakt pflegten. Die Kirschkern ist fertig mit dem Müsli und mümmelt nun die halbmondigen Apfelscheiben aus dem Garten (Brettacher), die ihre Oma nebenbei zum Apfelteller auf Zwiebelmuster verarbeitet hat.

Diese Verarbeitung ist stets auch eine wertvolle Gymnastik für die immer unbeweglicheren Hände und Finger der alten Dame. Und sie, die Kirschkernerin, hört auch beim Apfelhalbmondmümmeln weiter aufmerksam zu und honoriert damit liebevoll die großmütterliche Gymnastik.

Auch an jenem Nachmittag, als Frau Schrader aufgeregt anrief und die Uroma des Kirschkerns fahrig und voller Aufregung bat, sehr schnell doch herbei zu eilen. Die zweitjüngste Schradertochter nämlich, sie hatte gerade mit dem Laufen begonnen und war ein süßer Fratz, sie lag im Bett und krümmte sich mit Schaum vor dem Mund und verstarb Minuten später, in ebenjenen minutes. Es stellte sich später heraus, dass das Kind Gift gegessen hatte, welches zwar unbekannte, jedoch vermutete Nachbarn des Mietshauses zur Vernichtung von Ratten oder unliebsamen Haustieren oder Kindern herkunftslos und unsigniert im Terrain des Hinterhofes und Kellers ausgelegt hatten.

Die Kirschkern aß nach kurzem Innehalten weiter die Mondsicheln aus Apfel, betrachtete diese nun aber sehr ernst. /„Ach ja, Totenkopf!…“, „…so hieß das doch damals bei uns, bei euch ja jetzt Seepferdchen, hm?“ – so die alte Dame weiter, weil sie eine schnelle Überleitung gefunden hatte. Der Kirschkern lächelte, wieder. Ich moderiere (weil ich gerne moderiere, jedenfalls wenn der Kirschkern und die alte Dame sich gegenüber sitzen und beiderseits erzählen, auch, weil die alte Dame manche Informationen, die nötig wären zum Verständnis ihrer Erzählungen, ab und zu weglässt, ebenso übrigens wie die Kirschkern, und weil ich das mag, dass sich die alte Dame und der Kirschkern ÜBERHAUPT noch gegenübersitzen, dieses Jahrhundert, so ganz zusammengenommen, ganz gleich welches.)

Ich erläuterte also den Frei-, Jugend- und Fahrtenschwimmer mitsamt der zugehörigen Badehosenaufnäher. Danach der Rettungs-Schwimmer. „Ja, euer Rettungsschwimmer, der war unser „Totenkopf!“ ruft die alte Dame fröhlich mit leuchtenden Augen. Und die Kirschkern zwinkert mir jetzt zu. –Sie zwinkert mir oft zu bei diesen Gesprächen mit Oma, denn wir haben sie beide lieb. Die Kirschkern schon immer, ich mittlerweile schon länger, wieder. (alter Scheiß).

Während nun wiederum die alte Frau nach einem weiteren Apfelhalbmond greift (man sieht, wie schwerer ihr das jetzt manchmal fällt), erzähle ich dem Kirschkerne erklärend zugewandt, dass dieses Rattengifthaus aufgrund seiner unmittelbaren Nähe zur heutigen S-Bahnlinie 25 später einen englischen Volltreffer aus der Luft verpasst kam und somit alle Puppen sowie das gesamte ostpreussische Erbe (vgl. Oma Mika, Pillau) der alten Dame verbrannten.

-Jedoch sich diese Gegend im Bogen zum JETZT einen Steinwurf vom Stadtbad Lankwitz befände, wo (erinnerst du dich?) der Kinderladen komplett (und wir beide oft!) zum Schwimmen hinsind. „Auch noch mit Mama, alle, wir, sogar.“ -Die Kirschkern zuckt Achseln, wie sie das immer bei diesem Thema macht. Ich zuckte auch Achseln. (alter Scheiß). /„Und übrigens, zum Fachhandel-Süd führt der Weg dort auch direkt vorbei.“ –sagte ich, fügte hinzu, ganz unverlegen. (gestisch).

/da nun ist es dann mittlerweile nacht und dunkel am waldrand, die ersten Wölfe heulen vom Friedwald her. Die alte dame zieht sich zurück, ich sag’ noch ZÄHNEPUTZEN und gebe einen neuerdings ungeliebten gutenachtkuss, aber ich mach das trotzdem immer wieder. So aus dem bauch heraus. Man muss als eltern ja auch die möglichkeit der abgrenzung geben zu gleichzeitigen andeutungen von möglichkeiten der nähe. Wie sie`s dann später selber machen, ach das weiß man ja eh nicht. Denkt man zu sehr mit in fürs kind gefühlter vorleistung, dann ist’s ja auch wieder nichts. Übermacht der Pädagogik? Quatsch, Kind muss -selber.

Wozu ist man da?

/..habe gestern ein kleines stückchen…, ein fragment einer restlichen dünnen verputzung, kaum 3x2cm groß (ein fitzelchen…) entdeckt im ersten Stockwerk unter 10cm dicken jüngeren putzbeständen sowie weiteren darübergeklatschten kaschierungen, deren filetierende abnahme ordentlich zeit inanspruchnahm. Man muss da ja auch die richtigen Stellen finden. Ahnen. Zufall. Dieses stückchen jedenfalls könnte aus der zeit um 1200 stammen und war vormals möglicherweise Teil des Fassadenputzes eines (vermutlich) ältesten Bauteiles. Mittelalterlicher Wohnturm? Weil da der Anbau, von dem ich aus agierte, nämlich noch nicht erstellt war. Ich war begeistert über mich. he, Wozu ist man da!

Und heute nun begab ich mich nochmals in jene Wohnung mit den zwei alleinerziehenden Katzen, wir hatten den Termin gestern vereinbart. Die Mieterin nicht zu Hause. Auf ihrem Bett hatte sie einen schönen BH 1a-prominent liegenlassen, natürlich vollkommen unbeabsichtigt. Na klar.

Die Wölfe lungern JETZT bereits im Garten und beschnüffeln neugierig die neuen Mülltonnen, die so gearbeitet sind, dass es die Müllmänner nie mehr ins Kreuz kriegen. Designwölfe. Spät abends rief die alte Dame dann noch einmal die Treppe hinunter, ich fragte besorgt WAS IST?, sie sagt erleichtert, jetzt sei ihr der Name des Teppichklopfers doch noch wieder eingefallen:

Reschke. Er hiess Reschke!