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Amsel und Muschi

Der N sagt immer „Muschi“, es gibt da wohl eine e- und i- und o- und u-Verschiebung im Farsi. „Ich jetz gehe zu Muschi…“, und ich nehm ihn beiseite und erkläre unter Männern, große Augen wir beide und …uiuiui. Dann kommt Bus und er fährt zur Moschee zum Fastenbrechen ab Halbzehn.

„Ich liebe“ und „ich lebe“. Auch so ein Ding öfters.

Die Köchin ist nun ja die „Frau Mullah“. Überhaupt auch vieleviele Sprechen über Politik und Religion und Sitten und Gebräuche. Der N sagt, vor 40 Jahren Afghanistan war eine normale Land, verstehst Du? So wie… hier, fast, Europa. /Man könnte ja noch vieleviele mehr kleine Geschichten erzählen und eigentlich immer ein bisschen auch mal rumheulen, als Synonym fürs Bewegtsein, (dann später alleine), die Frau Mullah und ich, über so viel subjektiviertes Schicksal im Hause und objektivierte Weltpolitik außerhaus, aber das mit dem mal bisschen Mitweinen muss man sich schleunigst abgewöhnen, schon geschehen.

(…)

„ich kann dir immer so schön von rechts schräg hinter dir durch deinen armausschnitt (im sommer) in dein dekolltee von schräghinten reinschauen, dann wirds ganz warm so überall und mein verliebter klitzekleiner wettbewerb ist es dann, vielleicht einen moment lang etwas mehr zu erhaschen, oder auch nicht, man weiss es nicht, das ist immer aufs neue ein so schönes kleines schwanzorientiertes alltagsgeschehnis.“

oder Mundart: „Ach, Deine Moschee, die ist so schee.“

Beim Brechen denk ich immer ans Brechen, aber was will man schon brechen, wenn man den ganzen Tag nüscht gegessen? Sie sind so jung und sie müssen so viel Geduld haben gerade bei gleichzeitig so viel Ungewissheit, wie alles Sein weitergeht, in eigentlich einem Lebensalter einer unverflochtenen Ungestühmtheit. Und so viele Pläne und Vorstellungen und Träume für besseres Leben und daheim die verbliebenen oder aktiv verstorbenen Lieben. Wie sie es schaffen, eine Nervosität über so viele Ungewissheiten wegzustecken und dennoch den Alltag mit allem Neuen zu meistern. Das bewundere ich, sehr. Neue Sprache, neue Schrift, neue Sitten, neue Regeln, alles ist neu, jeden Tag, seit Monaten. Was zählt, das ist allein der Glaube an so etwas wie milde fragende und tragende Zukunft.

Der N kokettiert nach wie vor mit „Zahnarzt“, B lacht etwas verschämt und gesamtreflektiert (sowie selbstreflektiert) über seine Zukunft als „Baggerfahrer“. Alles ein einziger großer Resilienzcontest. Und wir, wir werden nicht müde zu beschwören: Jungs, alles wird gut.

Wird es auch.

(…)

Draussen pfiepen die Amseln trunken vom Sex nachts um halbvier, ich mich freue über meine neuen Weisswandreifen an der knallroten Vespa und falle sinkend gleicherzeit ins Bett fremdhändisch reflektiert neben ebenso knallrot lackierten Fingerspitzen, es gibt eine Vorfreude auf eine Reise und James Joyce, auf eine Mullahhochzeit in Muschi (kufar) am Waldrand und so weiter und Nachtzüge im Mondschein mit seufzenden Amseln.

/und zuletzt nebenbei mehr als sehr schön, als zeichen einer derzeit fast schon altmodisch anmutenden völkerfreundschaft, dass der italienische chef des nicht ganz unedlen restaurants des geburtstagsmenues der frau mullah am heutigen abend, als er völlig eigenverantwortlich realisierte, ohne dass dies vorher thema gewesen wäre, dass die beiden Buben aus afghanistan geflohen seien, der gesamtrechnung einfach mal so zehn euro weltsolidarisch nachgelassen hat, und dies, ohne dass darüber größeres werbliches aufhebens oder erwähnung gemacht worden wäre. einfach so mit augenzwinkern.

da und das sind sie, die kleinen großen kleinen dinge.

bumbum-zisch

warum fällt mir gerade heute ein die waldfete mit großgrill in handgestrickten pullis der dreizehnten Klasse, bei der wir einen schweinekopf mit zigarette im maul uns vors gesicht gehalten hatten, um witzige schwarzweiss fotos zu machen und bei der einer dabei war, der jetzt pressesprecher geworden ist. ich kann auf einem bein stehen, minutenlang, andere in meinem alter können das schon lange nicht mehr. es ist alles so anders heute.

„bumm-bumm-zisch“ heisst gewitter, jalla-jalla heisst dawai-dawai und „rhabarberrhabarber“ ist, wenn jemand endlos quatscht. das ist jetzt in den afghanischen wortschatz übergegangen, denn rhabarber wächst dort und wird, mindestens in der provinz takhar, geschätzt, geerntet und verzehrt. „daftar“ heisst büro und bedeutet, ich muss arbeiten und will meine ruhe. „Gáwellement“ bedeutet „Regierung“ oder Amt, halal heißt halal und haram sagt haram. Wobei das keine Riesenrolle spielt. der B macht halbe-halbe ramasan, einen tag ramasan und einen tag keinen ramasan. das ist eine schöne lösung, finde ich, für einen sechzehnjährigen, wo alles doch so neu und spagat ist.

an den nicht-ramasan-tagen geht er ins sportstudio, das ist sein ding. ich sprach von der möglichkeit des facebook-fastens oder vom fleischlos, aber das haben sie nicht wirklich verstanden oder nachvollziehen können oder wollen. der N jedenfalls kann nicht fasten dieses jahr, er sagt, er muss zu viel nachdenken. auch das kann ich gut verstehen, denn ich glaube ja seit jeher an einen nicht strafenden gott. ganz wichtig ist WLAN.

gestern liefen wir zu dritt nach dem STARKregen in die stadt, haben dort eine heisse schokolade getrunken und sind danach wieder zurückgelaufen im abermaligen STARKregen. das waren zwölf schöne kilometer, die idee von der kirschkern. später noch russland vs. england, während die schuhe sich mühe gaben, zu trocknen, was ihnen nicht gelang. vormittags hatte ich für ein angedachtes photographisches metaprojekt Lingerie in recherche (shape wear und catsuit), später berieten mich N und die kirschkern in kirchlicher hochzeitskleidung, nachdem N im garten eine vielzahl von weinbergschnecken auf den kraft nunmehr wochenlangen regens bislang unbenutzten gartentisch drapiert hatte, um ihnen bei ihrer Reaktion darauf zuzusehen.

adaptieren und – in erweiterter form – aktives gestalten von realität in vergleichender ggf. interkultureller wahrnehmung (blabla, der N ist insgeheim ein künstler, kommt es mir manchmal vor). vielleicht wollte er auch lediglich das fluchtverhalten von schnecken studieren und damit die relativität von geschwindigkeiten. immerhin, das bewerben auf professuren kann ich mir jetzt langsam schenken, bin zu alt nun für bildung anderer in beamtung, „endlich!“ (denke ich), das sollte dann wohl nicht sein und es geht mir gut dabei, es war sowieso immer anstrengend und die atelierzeit raubend, diese bewerbungen. wäre vielleicht ein guter lehrer studierender gewesen, aber muss ja auch nicht. andere sind jetzt pressesprecher, ich hingegen recherchiere viel lieber Lingerie für Photoprojekte oder beobachte den N dabei, wie er schnecken beobachtet.

und: ich kann mir sogar die schnürsenkel binden, wenn ich minutenlang auf einem bein stehe.

gestatten

zuerst ist man „geduldet“, dann ist man „gestattet“. schöne worte. „gestatten“ ist das schönere wort.

B erzählt von den mafia-wegen in den bergen. nachts laufen, tags schlafen. irgendwann allein gelassen in den bergen bulgariens, nichts zu essen, kein schlepper dabei, wölfe und drei tage bis zur nächsten straße. die flucht hat ihn sein erbe gekostet (zehntausend dollar), normalerweise würde er jetzt ans heiraten denken zuhause. eine tochter würde verheiratet für circa 6000 dollar an den tochtervater, das klingt ein wenig nach viehzucht, aber das war bei uns früher ja auch so. ich muss das der kirschkern erzählen (das mit den sechstausend dollar) und dass ich mir für sie einen traktor kaufen könnte und ein gebrauchtes auto dazu.

endlich wird geimpft. bisher gab es wohl noch nicht mal einen tetanusschutz, gottseidank ist das jetzt begonnen. begonnen auch ein vollrausch – und ein guter freund, ebenso flüchtling, der den vollrausch fürsorglich nach hause brachte. der busfahrer hat das sich-übergeben nicht bemerkt. junge menschen eben. auf diese art werde ich auf meine alten tage nochmal jungsvater, jedenfalls so ein bisschen. im iran hat man sie in ein haus gesperrt ungefähr zwölf tage lang, jeden tag kam einmal einer (mafia) vorbei und hat brot gebracht. bevor es dann irgendwann durch die berge nach dem osmanischen reich ging.

eine liebe alte gute bekannte hat werke nach salzburg gekauft, aus heiterem himmel. nicht nur das geld freut mich, auch vor allem die tatsache. des ferneren bin ich auch in diesem jahr zweitberuflich kirchenmaler, erst gestern habe ich eine alte schöne türe aus der barockzeit angleichend maseriert und es hat sehr gut funktioniert. die tage davor einen marmor gemalt in öl auf neue fussleisten, auf dass diese älter aussehen. wenn also jemand sein badezimmer oder sein lotterbett einmal marmoriert oder maseriert haben wollte, ich könnte das gerne übernehmen. sie könnten auch bilder und collagen kaufen, auf meiner webseite kann man stöbern unter menuepunkt „oeuvre“. oder sie kommen vorbei im atelier zum kaffee. ich mache auch guten preis, selbstverständlich. mein künstlerischer CV ist eins-A, übrigens.

das linke auge der alten dame sieht jetzt endgültig aus wie bei edgar wallace oder wie in „Wenn die Gondeln Trauer tragen“. sehr archaischer anblick, zeit- und epochenlos, entgrenzt. sie isst den ganzen tag ungesalzene erdnüsse. wie kette rauchen. es ist jedoch alles stabil zur zeit, aber es ist einfach sehr traurig, ganz hinten an der gedankenpinnwand. heute vor einem jahr ist sie nachts auf dem weg zur toilette gestürzt, und alles jetzige begann seinen dauerlauf.

die amtspersonen mit vormundschaften (die jungs sagen „Groß-Betreuer“, im gegensatz zum normalen „Betreuer“, das klingt immer ein bisschen wie „Großmufti“) waren bei der kontoeröffnung dabei. ein weiterer schritt ins normale leben. und sie, die großbetreuer, werfen erstmals das wörtchen „traumatisiert“ ein, mit fragezeichen, als es um die ausübung von kampfsportarten geht. ich frage mich, was der N wohl erlebt hat unterwegs, dass er das jetzt lernen will. der N ist sehr zierlich und erzählt eigentlich kaum etwas von seiner flucht. wer weiss schon, was geschah oder nicht.

die amtspersonen von landratsämtern und jugendämtern machen eine sehr engagierte arbeit hier im landkreis. das ist wirklich sehr anerkennenswert. / und ich plane, heute das regal eines supermarktes mit vier grossbuchstaben für ungesalzene erdnüsse leerzukaufen und den immensen betrag der angehobenen einkommsteuervorauszahlung fristgerecht zu überweisen. früher blieb ein wenig geld hängen, heute tut es das nicht mehr. schon länger ja, warum eigentlich. es ist wie verhext, so würde man naiv sagen. und dann das daumendrücken für die heutige auktion bei grisebach in der fasanenstraße ab elf uhr MESZ. also in einer stunde.

die Buben <3

nasim_baqi

„Von Peter Struck generiert sich der Satz aus dem Jahr 2002, genauer, am 4.12.2002 hat er gesagt „Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt.“ Ich mochte Peter Struck Zeit seines Lebens immer, war er mir doch vertraut mit seinem Schnauzer und seiner, aus heutiger Sicht, noch wohltuend altmodischen sozialdemokratischen Geborgenheitsvermittlung in schnodderiger Art.

Er verstarb im Jahr 2012, leider, denn gerne würde ich ihn heute einmal zum grünen Tee einladen an den Waldrand. Zu einem Gespräch mit B. und N. aus Afghanistan. Nicht einmal wäre damit gemeint ein Vorwurf, er sollte nur einfach dabeisein im Beisein zweier Verlierer. Oder am Ende Gewinner? Wie auch immer man das beleuchten mag, aus einer Nachschau, die noch nicht zu Ende geschrieben ist im Heute.

Und ich bin mir auch fast sicher, es würde ein schöner und wohlwollend angenehmer grüner Tee sein zu fünft, ein Beleuchten der Zustände der Welt und auch der Sicherheitspolitiken, die ja selten so ganz nach vorne schauen. Man kann es auch so sagen: Der B. und der N. sind letztlich weltpolitische Früchte, auch, dieser damaligen Äußerung seitens eines bundesdeutschen Verteidigungsministers. Sie sitzen nun hier, bangen um die Zukunft ihrer Hoffnungen, haben Träume, die Sechzehnjährige eben gottlob haben, in einem süddeutschen Dorf im beschaulichen Waldrandpfarrhaus.

Mit Pflegeeltern, die die 50 schon erreicht bzw. überschritten haben. Schon beim ersten Kennenlernen in der Unterkunft, in der sie bis dahin gelebt hatten, konnten sie staunend hiesige Familiärzustände kennenlernen. Auf ihre Frage nach den Eckdaten erklärten wir ihnen ebenjene, nämlich dass jedes Pflegeelternteil schon einmal verheiratet gewesen war, dann geschieden, dass es eine Tochter aus erster Ehe gäbe, die jedoch nicht am Orte lebe, sondern bei ihrer Mutter und daher nur alle 3 Wochen einmal für ein Wochenende und in den Ferien anwesend sein würde. Nein, eigene Kinder gäbe es leider nicht, dafür aber eine alte Oma, die allerdings in einem anderen Haus lebe und von einer lieben Frau, die nicht der Familie angehöre, betreut würde. Der „Vater“ wäre oft beruflicherseits abwesend, die „Mutter“ eine Pfarrerin, ein weiblicher christlicher Mullah sozusagen. Und so weiter. Willkommen in Europa.

Die Kirschkern sprach schnell und zutreffend von zwei unterschiedlichen Strategien, die die beiden sich wahrscheinlich in Fluchtzuständen zugelegt hätten, ganz gemäß ihrer Persönlichkeiten. Der N. lacht immer, der B. hilft gerne tatkräftig. Was nicht bedeutet, dass der N. nicht gerne tatkräftig helfen würde und der B. nicht lachen würde. So ist es. Auch Glam berichtete mir ja von den „Kriegsrealitäten“ seiner Gäste, die die wahrhaften Realitäten verschieben können, gelinde gesagt.

Mittlerweile sind acht Wochen vergangen. Und beide sind ans Herz gewachsen, so unterschiedlich sie sein mögen, in ihrer Prägung, ihren Herkunften, ihren erkennbaren Problemen und Problematiken, ihren Träumen und Wünschen, ihren manchmal Alpträumen und ihren heimlichen Tränen, ihrem Heimweh und ihrer Zuversicht bei allem, und ihrem jugendlichen Alltag. Im Pfarrhaus am Waldrand.

Ich habe mal alles zusammengeschrieben, was ich verstanden habe, was ich ahne mittlerweile, es mag sein, manches habe ich nicht richtig verstanden und von manchem habe ich mir ein Bild zusammengestückelt, was ich heraushören konnte aus vielen kleinen Berichtfetzen, Tönen und Blicken und Körpersprachen. (…)“

./.

usw.

so habe ich wieder allzu kompliziert angefangen zu schreiben und das wird aber einfach zu lang und außerdem müsste man ja täglich aktualisieren. ich komme kaum hinterher und schliesslich hat man ja auch noch ein eigenes leben.

mit den schlimmen geschichten vor allem des B möchte ich auch nicht kokettieren. und wieviel kraft es für ihn bedurfte, nicht erst hier, sondern schon dort, diesen realitäten bewusst lebewohl zu sagen. um überhaupt überleben zu können. mit sechzehn. das ist ziemlich stark von ihm, auch wenn man immer wieder seinen inneren kampf beobachten kann zwischen hie und dort. und sein wissen um die verführungen und anfälligkeiten westlicher lebensweise, bier und rauchen beispielsweise. er ist sehr reflektiert, gesamtpolitisch. das ist schön und sicherlich ziemlich ungewöhnlich. in diesem alter und nach einem jahr fluchtgeschichten und immerhin sieben jahren schule. sein vater war polizist.

ganz anders der N, der – so scheint es – fast behütet aufgewachsen sein könnte in seiner familie. allein: er gehört einer schiitischen minderheit an, die seit einhundertzwanzig jahren immer wieder zur zielscheibe von massakrierungen wird und die bekannt ist für viel kultur und bunte kopftücher und musik. er ist ein lachender naseweis mit tiefgang und einem angeborenen verständnis für kommunikative doppelbrechungen, der seiner jugend – so scheint es abermals – bisher nicht in dem maße des B beraubt wurde. die stärke, die daraus resultiert, fühlt man.

der B wirft dem N immer wieder vor, eine familie zu haben, wo doch er, der B, keine mehr habe (weil sie von den taliban vernichtet wurde). der N will („vielleicht?“) schauspieler werden. er wäre ein guter. oder vielleicht zahnarzt? dann lacht er und sagt „Ich habe alles unter Kontrolle!“, das hat er gestern mitgebracht vom sprachkurs. N kann nicht schwimmen und ist auf lesbos angekommen. ob ihm klar ist, dass er leicht hätte ertrinken können, weiss ich nicht. er ist ja nicht ertrunken, das zählt. auch er war fünf jahre in der schule. bildung – so wird täglich klar – kann die welt retten. sein vater ist tagelöhner.

beide sind unterschiedlicher, wie sie nicht unterschiedlicher sein könnten. und die kirschkern, als gleichaltriges europäisches blondes junges fräulein ohne kopftuch, sie steht dabei und mittendrin und freut sich über die „zwei brüder, die sie sich immer gewünscht habe.“ na prima. die köchin ist jetzt die „Muttär“ und ich bin der „Vattär“. am waldrand. der B besteht auf dieser formulierung.

gestern hat B erzählt, man mache lieber keine fotos von frauen (auf die nachfrage, ob er denn kein foto seiner mutter auf dem mobil habe, oder von seiner vor drei monaten offenbar grundlos ermordeten älteren schwester). wenn man ein mädchen oder eine junge frau fotografiere, dann könnte es sein, sie könne nicht mehr verheiratet werden. der N hingegen bringt der kirschkern bei, wie man bunte kopftücher um die haare legt. danach wird mensch-ärgere-dich-nicht gespielt. auf dem land in den bergen, so der B, tragen alle frauen diese dunkelgrüne burka.

ja, sie sind mittlerweile ans herz gewachsen und nun sehen wir mal, wie alles weitergeht. das wichtigste ist die deutsche sprache. letzte woche, in den bergen, da nahmen beide gerne mal ein fernglas in die hand und schauten in die weite der allgäuer alpen. dann sagten sie beide „ohlala, da hinten… ich sehe afghanistan…“ und zogen die augenbrauen dabei hoch und lachten (oder weinten) leise.

wie gerne – so ein rührend naiver impuls von mir – würde ich mit ihnen mal dort hin fahren, jetzt, wo ich doch täglich dinge erfahre über dies land und die leute. aber das geht natürlich nicht, wie ich nicht allein den lesenswerten reisewarnungen des auswärtigen amtes entnehme. dann fällt mir peter struck wieder ein und die hohe politik. sie sollte man auch mal einladen zum tee, dann könnten N und B geschichten erzählen, auch über sichere herkunftsländer.

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Nun aber, liebes Tagebuch, muss ich schließen, da es Neuigkeiten gibt in der Whatsapp Gruppe ‚Deutsch lernen‘. Die Buben sind aufgewacht.

formerly known as Prince

22.23 Uhr, – Möchte man 2 sachen gleichzeitig sagen, erstens TEASER (photographisch) für eine Allegorie über Phänomene einer Problematik von Fragestellungen zu Kriegsenkeln, und dazu Sign O‘ The Times als Zeichen der Zeit und dieses unsägliche „sorry for crossposting“ als Zeichen der Vorzeichen, eine Art Allegorie über gekreuzte Zeitlosigkeiten belangloser Problematiken von Phänomenen Gekreuzigter.

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wenn diese leute dann zu jung sterben, dann kommt einem das leben immer gleich nochmal so kurz vor, speziell, wenn sie so früh sterben in ihrer jungheit, doch dabei ist es doch eigentlich so lang, das leben, wenn man mal ehrlich ist, wenn es mindestens wenigstens so lang ist und sein möge, in meinem ersten eigenen zimmer unterm dach mit 9 quadratmetern in einer komischen WG mit überwiegend bekloppten hörte ich die maxisingle PURPLE RAIN rauf und herunter und wieder herauf, speziell den gesangsriff vor dem anschließenden chaotischen klangsaal (Weltformel) des afterglow 5 minuten, den sie im radio immer irgendwann ausblendeten, die akademie ein paar jahre später startete in der GRUNDklasse mit sign o‘ the times aus kassettenrekordern während des aktzeichnens und der grundierung von leinwänden mit billigster dispersionsfarbe seitens der handwerkslosen intelligenzfrüchtchen, und in WIEN im winterlich verschneiten souterrain und mannigfachen zweikörpererfahrungen ungeahnten ausmaßes in fremden düsteren uralten badewannen kam wieder licht hinein in die grundprägung meiner ureigentlich glücklichen STREUOBSTJUGEND durch diese platte mit dem irgendwie goldenen zeichen und mit DAMN U und diesen sachen, nachts in großer lautstärke in der kaunitzgasse und den fetten schwarzen ölkreiden, deren schmierer am nächsten morgen überall zu finden waren, später dann auf geliehener vespa im frühen stuttgart und frankfurt/main der neunziger war „money don’t matter tonight“ mit sexy MFbeifahrerin im sommerkleid bekleckert und noch heute, als alter mann, juckt es mich im bizeps, wenn während mischkompilationen ausgerechnet AUDIfahrer mir was erzählen wollen von soul, gemischt vom hersteller und spürbar ungelebt gedankenlos adaptiert, der stets große missbrauch vom SOUL auf den überholspuren der welt, auch der ja zeitlos. Dann schnellschnell Schnee im April. /Es rettete mich somit der Verstorbene, der immer authentisch war, so glaube ich herauszuhören, mit der von ihm hergestellten Musik hinein in die kommende Zeit, heraus aus den nie gemochten Achtzigern in produzierende Hochphasen des Lebens und der Arbeit an und für sich.

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Eigentlich wollte ich was über die geflüchteten Jungs aufschreiben, aber Tod geht eben manchmal vor.

توجه داشته باشید فرهنگی

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(Abb.: Olga Rogler, „Lustige Leute, früher und heute!“, 2008, 23x23cm, Aquarell/Collage auf Papier)

Kulturnote:

Sollten Sie am kommenden Freitag noch nichts anderes vorhaben und sich in der Gegend um Stuttgart herum befinden, dann kommen Sie doch gerne ab 19.00 Uhr vorbei zur Eröffnung der Ausstellung wie folgt – Sie sind sehr herzlich eingeladen:

ALLEGORIE KRIEGSENKEL
22.4.2016 – 8.5.2016
@Oberwelt e.V., Reinsburgstraße 93, 70197 Stuttgart
Eröffnung am Freitag, den 22.4.2016 ab 19.00 Uhr
Geöffnet: Montags von 21.30 Uhr bis 24.00 Uhr und nach Vereinbarung unter Tel. 0711 – 65 00 67

Mehr: Hier.

/PS: Ich müsste langsam mal Persisch lernen.

umf

Die UMFs sind eingetroffen, *umpf!*

(PS.: Es gibt da noch einen Bundesdachverband, der heisst dann BUMF. Und natürlich das BAMF. Nicht zu vergessen natürlich an dieser Stelle die BUFDIs etc. und so weiter. Ich bin ja zuallererst mal vor allem gegen eine Infantilisierung staatlicher Personen- oder Sachbezeichnungen sowie Behördennamen des Abendlandes seitens des Abendlandes.)

„Fluechtlinge“ soll man ja nun auch nicht mehr sagen, stattdessen „Geflüchtete“ (wegen Gender). Dann müsste es ab jetzt aber „UMG“ statt UMF heissen, das allerdings klänge dann wie „omg“, oh mein Gott. Ich finde „UMF“ besser, das klingt für mich nach irgendwas mit Porzellan. Und sowieso, am Waldrand und Umgebung hat sich mittlerweile umgangssprachlich eingenistet die metalapidar kognitive Bezeichnung „…die Flüchtis“. Ein schlicht wohlwollend verharmlosender Übersprung, durch und durch.

Und nun haben die Flüchtis ja auch endlich: Namen.

Die beiden UMFs jedenfalls sind sehr symphatisch, bisher funktioniert alles gut, schön und beruhigend. 16 und 17 und eine Menge an Dingen bereits erlebt, die man sich nicht oder niemals wünschen würde und schon gar nicht mit 16 oder 17. Die Köchin hat sie schon eingewiesen in die Tagesabläufe und sie bringt ihnen das Lachen wieder bei. So hör ichs am Telefon. Ich kenne sie ja von zwei Treffen vor Ostern, kehre aber erst in ein paar Tagen heim und freue mich schon. Am Wochenende werden wir dann wahrscheinlich auch erstmals afghanisches Mensch-Ärgere-Dich-Nicht (von rechts nach links) spielen, oder Hindukusch-Kniffel, ostpreussisches Schikanöschen oder vielleicht Monopoly oder RISIKO-á-lá-Kandahar, zusammen mit der Kirschkern. Es ist alles durchaus spannend und es lässt sich gut an, das gegenseiteige Kennenlernen. Ich habe gerade das Gefühl, und ich hoffe ganz unnaiv, es könnte tatsächlich vieles oder vielleicht sogar alles ganz gut werden.

Vor allem dem M. und dem B. wünsche ich das. Herzlich Willkommen!