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Mein Wagen, ein Diesel, (Abb. hinten rechts) ist nun 8 Jahre alt. In diesen acht Jahren bin ich damit 245.000km gefahren. Er läuft gut, aber ich habe doch zunehmend Angst, dass es vorbei sein könnte und ich irgendwo auf dem platten Land einfach so stehenbleibe. Das wäre nicht gut, denn ich nutze diesen Diesel nicht unerheblich auch beruflich, um entweder meine Bildwerke zu Ausstellungsorten zu schaffen oder um zu oft abgelegenen Baustellen zu gelangen. Alte Häuser, Hütten oder Kirchen. Mit dem Zug oder Bus ginge das nicht, auch deshalb schon nicht, weil ich für letzteres meine Ausrüstung mit mir führen muss. Zum Beispiel Leitern, einen großen Staubsauger, Beleuchtung oder Fässer voller Kalkmörtel. Mein Diesel ist daher ein Hochkombi, manche sagen auch „Mini-Van“. Früher sagte man einfach „Kastenwagen“ und mir gefiel schon immer dieses schöne Wort.

Es ist ein Auto, was von der Seite *scheiße aussieht, aber wirklich sehr praktisch ist. Auch für den Transport irgendwelcher anderer Dinge von Bekannten oder für Umzüge oder zum Entsorgen von Häckselabfällen aus einem verwilderten Garten. Auch kann man damit zu fünft in Urlaub fahren oder zu zweit auch darin schlafen, wenn man nicht zu großgewachsen ist. Man kann schöne Ferien ja auch verbringen, ohne dass man irgendwo hinfliegt. Zuletzt geflogen bin ich vor vier Jahren. Und habe sowieso eigentlich nie wirklich Lust auf’s Fliegen gehabt, außer damals in dieser sechssitzigen Piper-Seneca auf dem Weg von Lamu nach Mombasa/Kenia, als mich der indische Pilot vorne neben sich Platz nehmen ließ und ich die Mangrovensümpfe von oben sah, während derjenige am Steuer irgendeine Zeitung las.

Ich habe gehört, man müsse 150.000km fahren, um die energetischen Herstellungskosten eines Kfz zu amortisieren. Also wieder „‚reinzuholen“. Ich finde es daher gut, wenn jedes hergestellte Kfz möglichst lange gefahren wird. Und ich glaube, mit meinen 245.000km bin ich da ganz gut dabei.

Nun habe ich mich in den vergangenen Wochen, auch im Internet, nach gebrauchtem Ersatz umgesehen. Daneben habe ich viel gelesen, nochmals, mehrfach und auch Neues. Über dieses ganze Thema. Und wieder bin ich entgeistert darüber, wie – teils völlig ohne Vernunft – oft an diese Dinge herangegangen wird, ohne dass oft auch nur Wenige der Wahrheiten überhaupt bislang bekannt sind (oder berücksichtigt) werden. Es ist oft eine völlig aus dem Ruder laufende höchst emotionalisierte Debatte.

Beim Diesel mag ich den geringen Verbrauch vom Kraftstoff. Auch natürlich, dass es sich in Deutschland lohnt, einen Diesel zu fahren, wenn man relativ viel unterwegs ist. Bei längeren Fahrten wird der Diesel zudem ja immer sauberer. Wenn er schön warm ist. Nicht so in den Städten.

In der Schweiz beispielsweise, jüngst gesehen, ist Diesel der teuerste Kraftstoff. Bei uns stets am günstigsten. Warum eigentlich gibt es dieses offenbar verkehrspolitische national geregelte Gefälle?

Die Stickoxide machen den Diesel zum Problem. Manche sagen, das Stickoxid sei verantwortlich für 100.000 mehr Tote in Europa pro Jahr. Oder In Deutschland. So richtig letztlich bewiesen scheint das aber nicht zu sein. Sagen die einen. Die anderen sagen, doch, das stimme. Beweise werden von jeder Seite geliefert. Ich möchte niemanden umbringen. Es gibt ein System, welches die Stickoxide binden kann. Mit Harnstoff, also Pipi. Aber unter minus sieben Grad ließe die Leistung des Kfz dann nach. Ich frage mich, wo das ein Problem ist. Wieso werden nicht endlich übermotorisierte und ausnehmende SUV und diese Angeber-Monsterpritschen mit polierten Aluminiumfelgen gesondert besteuert?

(Eigenes Thema wäre: ‚Die Psychologie hormoneller Mobilitätsauswüchse – Weibliches Sicherheitsempfinden und männliche Verkehrspotenz‘ – oder auch: ‚Wieso stimmt es, dass kleine reiche Frauen mit einem riesigen Auto zur Post fahren, um dort ihre im Internet bestellten Klamottenremittenten abzugeben und wieso stimmt es, weit häufiger, dass sexualtherapiebedürftige Jung- oder Mittelalter- oder schlicht alte Männer mit übergroßen Killermaschinen im Allgemeinverkehr terziäre Geschlechtsorgane simulieren‘. Man könnte das auch edler formulieren, ganz gewiss, aber mir liegt nicht daran.)

Beim klimaschädlichen CO2-Ausstoß allerdings scheint der Diesel immer noch unter demjenigen der Benziner zu liegen. Jedenfalls bei Nicht-Diesel-Neuwagen. Wir erinnern uns: „…erst ab 150.000km Laufleistung…“ etc.

Feinstaub scheint ein generelles Problem für Menschen zu sein. Manche haben nun herausgefunden, dass Benziner mit höheren PS-Zahlen die wahren Feinstaubproduzenten seien. „Echt übel!“ weiss Freund H.

Es gibt also das Weltklima (die *Menschheit mit CO2). Und es gibt die Stickoxide (die *Menschen). Und dann gibt es auch noch den Feinstaub (die *Menschen). Auch medial ja immer wechselweise Meldungen, mal CO2, mal Stickoxide, mal Feinstaub. Beim Feinstaub gehen die Meinungen ebenfalls weit auseinander. Die Fraunhofer sagen, Feinstaub gab es immer, er ist abhängig vom Regionalklima und ein möglicher Hauptverursacher sei möglicherweise nicht zu knapp die Großflächenlandwirtschaft. Und die Windrichtung, beispielsweise während der Erntezeit. Und der Reifen- und Bremsenabrieb. Und die Gülle vom Bauern. Und, ganz wichtig, ob es zwischenrein mal regnet. Das hat auch viel mit Zufall zu tun. Aber Zufall ist, auch wenn chaotisch, Realität.

Den Fraunhofern traue ich übrigens seit jeher generell recht hohe und unabhängige Rationalität zu. Aber wer weiss.

Also Feinstaub, Stickoxide und CO2. Und jeder von uns mittendrin, mit den täglichen Zwangsläufigkeiten, Erfordernissen und vor allem vielen unterschiedlichen Arbeitswelten zum Einkommenserwerb bezüglich Leben und Überleben, wobei hierorts das generelle Überleben ja noch nicht unbedingt infrage gestellt ist. Was die Stickoxid-Kenner bezweifeln. Zu Recht. Wenn es denn nun alles stimmt. Was die CO2-Spezialisten bezweifeln. Zu Recht. Wenn denn alles so stimmen sollte. Was die Feinstaub-Kenner bezweifeln. Zu Recht. Wenn denn alles so stimmen sollte.

Welche Qualitäten und Lebensqualitäten postulieren wir, von denen ja letztlich auch keiner weiß, welche diese nun sind oder sein sollen. In diesem großen Rad Leben und Gesellschaft. Wie alt wollen wir individuell noch werden, oder uns verjüngen sogar, oder saubere Luft ohne jegliche Emissionen und dabei Landwirtsschaftsfeinstaub schlucken, weil wir uns freuen, die Gräser der frischen Ernte zu riechen? Dabei einen halben Liter Zucker täglich zu uns nehmen. Um dies dann aus Lanzarote zu berichten oder aus Ost-Indien. Oder Grillabende genießen mit halal-Rindfleisch auf dem Rost, dessen Her- und Bereitstellung wiederum Wälder abholzt, Methan produziert, Leben vernichtet, eben anderes Leben halt, als das unsere.

Wer will das alles noch ausrechnen? Butter und Käse als Klimakiller. Schlimmer im Grunde als Diesel.

Jede Inspektion habe ich übrigens veranlasst und jeden Abgastest und viel Geld dafür bezahlt. Mit nunmehr 245.000 geleisteten km. Ich habe in dieser Zeit, die mir das Kfz beruflich unterstützte und ermöglichte, stets meine Umsatzsteuer und Einkommensteuer bezahlt. Für allgemeingewichtige Dinge im besten Fall. Der Nutzen von Steuergeldern für die Allgemeinheit obliegt politischen Entscheidungen. Ich finde das wichtig, dass das so geregelt ist. Will sagen, ich bin ein Steuerzahlerfürsprecher. Schön blöd, nicht?

Dennoch würde ich von einem politischen Komplettversagen sprechen, was die Mobilitätswegweiser der vergangenen 20 Jahre angeht. Allzu kurz die Wahlperioden und allzu groß die Interessensvertretungen manch mächtiger Verbände. Und manch mächtiger Verbrecher (wie sollte man sie anders nennen?), die manchen Konzernen vorstehen und lügen und betrügen, was das Zeug hält. Jedenfalls was es hielt. Zuletzt nehmen sie ggf. „ihren Hut“. Mit Abfindungen, von denen ich mir eine Flotte von mindestens einhundert neuen Ad-Blue-Dieseln zulegen könnte.

Ich habe mich nun entschlossen, gemäß meiner finanziellen Möglichkeiten sowie meiner Ratio, den Feinstaub und das CO2 für die wesentlichen Dinge zu halten, die Schaden anrichten. Ich werde also weiter Diesel fahren. Ich fühlte und fühle mich gleichwohl sehr alleingelassen in dieser Entscheidung. Und während und vor dieser Entscheidung. Überall Achselzucken. Oder dumpfe Posaunen, oft seitens vielfliegenden Bürohockern, denen es kein Problem bereitet, die eintausend Meter mit dem Fahrrad zur 36-Wochenstunden-Arbeit zu fahren. Kein Pardon. Der Chef meiner Werkstatt meinte auf Nachfrage nur lakonisch „Abwarten und Tee trinken.“ Klingt fast so schön wie „Kastenwagen“.

Freund H. riet mir übrigens, keinen Euro-5-Diesel mehr zu kaufen. Freund K. dagegen meinte „Ach, egal.“. Beide sind erfahrene Schrauber. Beide wussten auch, dass Euro-4-Diesel sauberer seien als Fünfer. Das hat mich dann schon erstaunt. „Und die ersten Euro-6-Diesel sind noch schlimmer, abgastechnisch!“.

Was bitte soll das alles? Hören Sie mir auf mit Arbeitsplätzen. Oder mit „Wir produzieren doch nur das, was der Kunde will!“ (…) Ich will zukünfig einfach in meinen Tank pinkeln, um dem Stickstoff mit Harnstoff auf eigene Faust den Garaus zu machen. Und ich freue mich trotz alledem auf einen neuen Gebrauchten, ich werde den vielleicht schlicht „Stadler“ nennen. Oder edler: „Winterkorn“. Dabei denkt man dann an wehende Kornfelder im Winter. Schön blöd, nicht? Noch elf Tage bis dahin. Und wenn irgendwo in der Nähe mal eine Biedermeierkommode von A nach B zu transportieren ist oder eine Ladung schweren Münzgeldes, ob weiß ob schwarz, dann einfach bei mir durchklingeln. Ich helfe immer gerne mit meinem bescheidenen Kastenwagen.

ansonsten ist es sommer und wie schön und auch freizügig das mal wieder sich gestaltet mit gelegentlich dichten schauern zwischendurch, welche ja aber so wichtig sind fürs nässen, benetzen und die gänsehaut. und die frauen tragen ihre schönsten kleider.

Nachtragsgebirge

„Anreise ab dreizehn Uhr, hundertzwanzig auf Schweizer Autobahnen, ab Tiefencastel (was für ein schöner Ortsname) hinaufwärts überholen Münchener getunte Cabriowagen mit seltsamen Geräuschen vom After her, die wohl dunkelblubbernd von null auf hundert in 6 Sekunden können. Auf der Rückfahrt obenda mal wieder 2 Grad. (…) Auf dem Fußweg nach Sils zwei SM-Wanderer im Ärmellosen mit Dildo-Rucksack, wie eine Silberdistel expressiv abstrahiert in Schwarz, die sehr nett aussahen, mit freundlichen Hunden dabei und man weiß nicht, was die Hunde schon alles gesehen haben. Ist auch egal, so gehen eben meine Gedanken manchmal, es sind alles Geschichten um die Menschen und was diese so tun und lassen unter Gottes weiten Firmamenten. (…) Abends Stechmücken, Gletschertöpfe und Krüppelkiefern (was für ein Wort für einen klugen Baum). Mobilität? Wer hat diese Bäume gefragt, wo sie leben wollen. Hier Baumgrenze, fast. Lerchen und Hochmoore. (…) Überall liegen noch sterbende Schneebretter herum. (…) Herr E., der mich mitsamt seiner Familie mitnahm seinerzeit, war damals, 1971, jünger, als ich es jetzt bin. (…) Gott so nah, denkt man in den hohen Bergen, wieso dankt und misst der Mensch denn immer nach oben? Und wenn es sich ganz anders verhielte. Morgen ist Vollmond. Die Gartenschläfer wissen das sicher auch. Lac du Cavloc schönster See, wo ich kenne. (…) Wie schön – 8 Tage kein Internet! (…) Beim Aufstieg zum Lunghinsee von einem waschechten Bayern aus Wasserburg am Inn überholt worden, der erzählte, er wolle endlich einmal wissen, auch als passionierter Angler, wo denn der Fluss seiner Heimatstadt eigentlich entspringt. Oben überall noch tauende Schneefelder, man weiß nicht, wo man da einbrechen würde und wie tief. Keine regulären Wege mehr, eher klettern hie und da, steil. Wir kehren also schweren Herzens um, vespern reichlich, genießen die Sonne und ärgern uns über offenkundig städtische over50 Bio-Kraxler, die steil oberhalb von uns über allerlei recht loses Geröll aufsteigen. Die Frau meint auf zugerufene Nachfrage „Na klar ach wo, da kommt nichts runter.“ Oben eine Herde Steinböcke. Habe ich auch noch nie so gesehen. (…) Der Fuchs latscht wieder vorbei, sie sieht genervt aus, hat aber immerhin einen großen schwarzen toten Vogel dabei für die Kinder. Abendbrot. (…) Die Köchin liest in der Abendsonne vor dem Haus, später wird sie eine Sonnenkante auf der Haut nahe Sonnengeflecht feststellen. Erhaltende Arbeiten an der oberen kleine Dachterrasse. Die Bergsonne verbrennt regelrecht das Holz, das noch gar nicht so alt ist, an der Türe. Mische noch vorhandenen Rest-Leinölfirnis mit zugekauftem Speise-Walnussöl. Kochen und Maltechniken als Weltgedächtnis. (…) An die alte Dame gedacht, das mitgeführte kleine Sargkreuz von ihr in der Hand geschmeichelt. Vor zwei Jahren hatte sie noch regen Anteil genommen an unserer Reise. Vor 48 Jahren, während meines ersten Kinderurlaubes hier, hatte sie vorbeigeschaut an diesem Ort, im Porsche mit dem geliebten Dr. Schiwago, auf dem Weg an irgendeinen Lago und gewiss mit Träumen einer allzu jungen Witwe. (…) Forno. Fünf Stunden Geröll machen schöne Beine. Wir sind mutterseelenallein. Was den Leuten alles entgeht. (…) Habe mir dort ungefähr eineinhalb Kilogramm bachgemahlenen Feinsandes, selbstgeschürft, in einem Beutel aus 2200 münN. eingepackt und im Rucksack nach Hause getragen. Später getrocknet und gesiebt. Ich muss etwas besonderes daraus machen. (…) Murmeltiere, Gartenschläfer, alles Wesen der Seelenwanderung. Auch die Preise hier haben Seele und wandern. Früher war hier Schmugglergegend. (…) Heute wird in moderner Alpenarchitektur gebaut. Viel Stein, oft Burgcharakter. Schießschartenfassaden, daneben große Rosettenfenster. Manchmal etwas zu psychologisch, auch ggf. psychopolitisch. Nicht ganz schlecht ästhetisch bzgl. „Modernes Bauen“. Gleichwohl stets sicherlich sehr hochpreisig. Und dadurch auch komisch maniriert. Beinahe lustig in Rezeption, oft wohl Architektur für Architekturmagazine. Gezeigter Reichtum und Ferienwohnungen, die Vorhänge sind geschlossen und sie zeigen sich auch so. (…) Ins Bergell hinab, kaum zu glauben immer wieder, wie man Meter um Meter die klimatischen Zonen sich verändern spürt. Nach Soglio von unten hinaufgefahren. Dort könnte man eigentlich auch einmal urlauben. Eigentlich. Aber doch lieber von oben ausflugen. Oder über den römischen Septimerpass von oben hinunterlaufen, acht Stunden lang von Maloja aus, über den Lunghin-See. 800 Meter tiefer liegt das, als die Villa. Und dann noch weiter nach Chiavenna, Italia. Es macht *pling pling*, willkommen in der EU. „Roaming“ etc. Dort war mal kurz E-Mails lesen und sehr warmes Italiengefühl mit Caffè. Später retour hinauf in endlosen Serpentinen, wo es bereits gewittert und später abends alpin empfindlich kühlt. (…) Die Rückfahrt im strömenden Regen. Seit letztem Jahr wissen wir ja, dass Regen gutes Wetter ist, allgemein und für uns alle. Früher war Regen blödes Wetter. (…) Es ist ein wunderbarer Ort, gerne würde ich dort einmal in Ruhe Berge, Barrieren und Brüste malen. Und mehr noch – alles, was für mich jemals WAR, in kleinere Pappen packen, im Bild. Expressiv, dabei überlegt und sowieso stets auratisch. Oder, wer weiß, dann eben doch, dort, ganz anderst. (…)“

25. Juni 2019

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es ist warm und mir war nur so: „Woman with SUV und sichtbarer Sliplinie“ (Serie „Stuttgart“), Öl/Graphit on Cardboard, ©divers & Studio Waldrand, jedoch genau so wichtig, die Rotschwänzchen brüten zum zweiten Mal in diesem Jahr über der verwaisten oberen Eingangstüre zum Haus, schön und kaum zu glauben.

2. Junei

Mit einer schönen alten Sense des Schwiegervaters erstmals in meinem Leben gesenst. Ein kleines Teilstück der Atelierwiese. Dabei an mittelalterliche Schnitter-Darstellungen gedacht, graphische Pestblätter. / Der Postler ist es, der immer den gesamten Inhalt meiner Bücherkisten „Zu Verschenken“ mitnimmt. Ich ahnte das schon. Ich mag ihn. Dann stellt er die leere Kiste wieder ordentlich an die Parkplatzwand. Dort hängt seit Jahrzehnten ein einst gefundenes Verkehrsschild mit durchgestrichenem „P“, also Parkverbot. Sowas gibt es ja schon lange gar nicht mehr. Ich warte drauf, dass es irgendwann weg ist und im Antikmarkt hängt. / Ein paar schöne neue kleine Bilder sind produziert. Meist abendlich nächtens, wie ich das so liebe. Dazu wunderbare Musik der Dire Straits. Darf man heute ja kaum sagen, ist doch so unsagbar altmodisch. / Und warum Andere erfundene und grausame Geschichten um ihre familiäre Vergangenheit legen, um diese dann um ihre eigene reale Existenz zu spinnen, das weiß ich nicht. Sowas gab es ja schon ein paar Mal, seit ich ein Weblog betreibe. Nur eben nicht so grausam. Wenn man so etwas macht, sollte man stets darauf achten, dass man niemandes Herz wirklich hinters analoge Licht führt. Sicherlich benötigt die betreffende Person nun Kraft und Hilfe, beides wünsche ich ihr ehrlich. / Die B-Sehnsucht wächst gerade wieder. Immerhin wollte ich „da ja nie weg“ (so sage ich immer zu pflegen). Kann gut sein, das hängt auch mit dem Tod der alten Dame zusammen. Oder dem schönen Wetter. Oder dem schönen Telefonat mit der Kirschkern heute am Nachmittag. Irgendwas ist abgeschlossen, nun muss ich’s nur noch aufschließen.

SIL.

Die düstere Baustelle zieht sich hin. Eine falsche Formulierung eigentlich, denn nicht die Baustelle ‚zieht sich‘, sondern die Arbeit auf ebenjener. Wobei sie sich durchaus zieht, die Baustelle, jedoch ich werde nun bald und mit Gottes Hilfe das Erdgeschoß erreichen. Ich fing ja ganz oben an in Richtung unten. Meter um Meter reinige ich mich nunmehr seit Monaten in Richtung des Erdmittelpunkts, kämpfe, dränge und biege mich durch das enge verwinkelte Gerüst und wühle und taste mich entlang Wandschmutz und gebundenem Feinstaub aus über 50 Jahren hin zu unser aller Magnetkern, Stufe um Stufe dem Hades entgegen. Vor fünfzig Jahren war noch Wirtschaftswunder. Die Gerätschaften dampfen und nebeln, man sieht oft weder Hand noch Tand vor Augen, durch den enormen Druck fliegen einem kleine scharfe Fetzen von Splittern um die Ohren, Schollen wölben sich zischend auf ob der plötzlichen Hitze und Blasen kommen und vergehen in Sekunden wie im Hollywood der Nahaufnahme in Breitband und mit einem willkürlich verzerrten Zeitraffer. Es knistert und ziept und es riecht gefährlich, feuchte warme Materie platzt wie bei kleinen in Miniatur entworfenen Urknallen im Makro für die Puppenstube. Archaische Höllengeräusche einer als „Technik“ bezeichneten Vorgehensweise, die menschliche Überlegenheit gegenüber dem Material suggeriert, ohne dabei zu beachten, dass Materie immer dauernder sein wird als irgendein aus ebendieser zusammengesetzter Mensch. Selbst das Treppenhaus rät zu mehr Demut, ist aber geduldig mit mir.

Ein Treppenhaus kann natürlich keine Ratschläge geben.

Das alles allein unterbrochen hie und da von dieser ungemein lasziv gehauchten Automatenstimme, weiblich und offenbar entworfen für’s Baustellenklischee: „Schön, daß Sie mich starten, ich bin gleich für Sie bereit!“. Dann, nach etwas Brodeln und Aufköcheln im Tank jene wunderbar fast frühlingshafte Nachricht: „Gerät ist betriebsbereit!“. Und ab und an, leicht dominant: „Entkalken!“. Zuletzt, wenn weitere drei Liter hinausgestoben sind und den Atem der Welt benässt haben, die lapidare Feststellung: „Wassermangel!“. In Endlosschleife.

Im Dauerbetrieb werden die Kabel warm. So viel Energie fließt und wird umgesetzt bei diesen Vorgängen der Umwandlungen von Zuständen.

(Wahrscheinlich könnte eine ausgewachsene Person mit dieser Energiemenge nach Mittelfrankreich reisen, um dann dort ihrerseits zu wandern oder im Cafe zu sitzen.)

„Wassermangel“ bedeutet immer auch Pause. Eher ein ‚Päuschen‘. Mit einem großen Eimer zwei Stockwerke in den Tiefkeller, dort befindet sich die Wasserstelle, gleich neben der lange verwaisten Mausefalle mit ranzigem Käse. Hier saßen sie bestimmt auch damals vor 75 Jahren, als das Nachbarhaus getroffen wurde und sie die ganze Nacht lang die Fassade aus den Fenstern des vierten OGs heraus mit Wasser begossen, damit das Feuer nicht übergriff. Ich fülle dann den Eimer, begebe mich wieder hinauf und rauche manchmal noch kurz eine Zigarette vor dem Haus in der gleißenden Frühlingssonne, wahlweise im Regen. Und denke an die alte Dame. Als ich in KW 4 im dritten Stock anfing, da hat sie noch gelebt. Nun ist sie seit zehn Wochen schon unter der Erde. Wie es da unten wohl aussieht jetzt?

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Es gibt da seit ein paar Tagen ein Video, welches mich (und wohl nicht nur mich) beeindruckt. Man muss das ganz ansehen, auch wenn es fast eine Stunde lang dauert. Und auch die kurz erwähnte Tatsache, dass die Anzahl der Wähler zwischen einem Lebensalter von 18 bis 30 offenbar wesentlich geringer ist, als die Anzahl der Wähler über einem Lebensalter von 70 Jahren. Vielleicht sollte man die jüngeren Wählerstimmen, um deren zukünftiges Leben es ja geht, mit 1,5 multiplizieren? Es ist so ein Stillstand überall. So eine gesättigte Trägheit, fast schon eine Lähmung. Mit Prisen ältlicher Arroganz. Weil keiner mehr weiterweiss oder will. Oder weil zu viele ihr Geld retten wollen. Wo doch Klarheit überfällig wäre. Ich fühle mich ziemlich erinnert an’s eigene zornige Aufbegehren vor langen Zeiten.

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Erneut ein paar Päckchen und ein großes Paket nach Übersee mit längst vergangener Korrespondenz und liebevollen Hinterlassenschaften gepackt und zur Post gebracht. Man muss das alles anständig zu Ende bringen. Diese ganzen Auflösungen und Vergänglichkeiten von Geschichten, Dingen, Personen und einst Gedachtem. Aber ich kann beim besten Willen nicht beispielsweise eine kleine schöne Ledertasche fortwerfen, welche die alte Dame noch handschriftlich mit einem erläuternden Zettelchen datiert und verortet hat. Zu groß ist die Aura:

„Diese Tasche bekam ich zur Konfirmation 1941 in Königsberg von Oma Mika aus Pillau geschenkt, wo doch alle damals gar kein Geld für so etwas hatten!“

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Im Dorf gibt es jetzt eine Ampel, aber nur, weil gerade Baustelle ist. Ansonsten gibt es keine Ampel in diesem Ort und das gefällt mir an diesem Ort.

Kl. Freuden gr. Freuden

Entwurf von Korrektur

(Abb.: Entwurf von Korrektur, 2019)

Auf meinen vielen wegen ein paar sachen und vor allem bilder an einem zu entsorgenden haufen vor einem fränkischen mietshaus gesichtet, angehalten und herausgepludert. nun recherche, ich bin im glück. das könnte etwas werden, sammeln und jagen. hingegen lotto war nix, nur familiäre lebensdaten ohne superzahl. und frauen fahren oft zu dicht auf von hinten, fällt mir vermehrt auf. über kilometerweise. jedenfalls bei mir. ich fühle mich dann immer bedroht, aber die zu dicht auffahrenden frauen meinen das vielleicht gar nicht so. eine bekannte meint, das liege daran, dass frauen ja als mädchen immer mit puppen spielen würden, anstatt distanzen zu üben beim speerwerfen oder ball auf der grünen wiese. und ich entgegne in solchen gesprächen oft, wenn frauen sich beklagen, sie müssten ja die kinder kriegen und wie gut es doch die männer hätten, dass männer ja dafür in den krieg müssen und dann sterben. wenn es dann im weiteren gespräch um die monatsregel geht, dann kontere ich mit dem rasieren. ein leben lang immer wieder rasieren, eine unvorstellbare bürde. aber gut, man müsste sich ja nicht rasieren. und ihre regel hätten die frauen dann trotzdem, auch wenn sich die männer nicht rasieren. aber eigentlich sind das ja gar keine themen mehr für mich. ich schreibe nur so vor mich hin. denn ich bin irgendwo hängengeblieben. im kopf und in sicht. mir fällt nichts mehr ein. außer, dass ich eine quelle für wunderschöne alte aluminiumkisten zu günstigen preisen aufgetan habe, ein tip übrigens von eben jener bekannten, die meint, dass das dicht-auffahren seitens der frauen von mangelnden distanzspielen in der jugend herrühre. die quelle der kisten werde ich bestimmt nicht verraten. ich könnte einen handel vielleicht aufmachen mit alten schönen etwas verbeulten großen aluminiumkisten. aber eigentlich ist das ja gar kein thema mehr. habe ja schon zwei berufe. ich schreibe eben nur so vor mich hin. vielleicht auch habe ich einfach nun alles, was mir möglich ist, aufgeschrieben. ich könnte natürlich berichten von den afghanischen jungs. da gibt es immer etwas neues, die ganzen geschichten gehen weiter. nur die meine ist gerade stehengeblieben. meine geschichte hat eine auszeit genommen, unbezahlt. und dies, ohne mich gebührend zu informieren. immerhin bin ich ja der chef meiner geschichte. bin ich das wirklich? jedenfalls kann ich meiner geschichte großherzig verzeihen, wir kennen uns ja schon lange und mögen uns. außerdem gibt es so viele andere spannende und schöne oder manchmal auch schlimme geschichten. dazu, meine kleine süße naivität, und wenn sie auch nur gespielt war immerstets, ist dabei, mir abhanden zu kommen. wobei ich sie schon sehr mag, meine ungroße naivität. sie hat mich auch oft bewahrt vor umfangreicherem. irgendjemand hat sie verpackt in irgendeine kiste. vielleicht war’s ja meine geschichte, die das tat. aber das wäre jetzt ja viel zu einfach. zu „schlüssig“, dabei in sich zu unschlüssig und ohnehin viel zu platt, für ausgerechnet mich. wo ich doch so gerne zu große anzüge tragen würde oder baustellenschuhe, deren stahlkappen schon arg verbeult sind. was ich tue. demnächst also neue arbeitsschuhe, schick, und zwar bei WÜRTH. dazu große krägen weißer hemden. kleine freuden, große freuden. ohne allemal logik schon gar nicht, man kann mich damit erwischen, was ich allzugerne zuließ.

2.4.19 / 2000 Hühner+Kröten

Den Garten dieses Jahr wieder wachsen lassen, wie im letzten. Eine schöne Wiese wird das und jede Menge Tierchen und Viecher. Überall krabbeln die Kreaturen und man selber hockt zwischendrin als ebensolche. Und kann sich an allem freuen. Wenn man Zeit dazu hat.

Die Audis morgens im Stau der Bundesstraße nach der Landeshauptstadt, sie tanzen. Hin und her. Jeden Tag dieselben. Sollen auf der rechten Spur bleiben, die ist schneller unterm Strich. Glaubt mir. Irgendjemand muss ja immer schneller. Oder ist es eben. Einen Hauch, als der Andere. Überall Spiegeleien der Ist-Zustände von Spiegeln. Es könnte so einfach sein, dabei. Die Hähne krähen, die Hennen picken. Alle Hühner lachen und legen ihre verdammten Eier. Seit zweitausend Jahren.

Nur die Kröten, die wandern.

Eine Kiste mit Büchern auf die Straße gestellt zum verschenken. Habe ich gestern gegen Abend. Die Kiste war weg, heute nachmittag. Vielleicht hat jemand eine Bananenkiste gebraucht und die Bücher eben einfach auch mitgenommen. Hans Fallada, Helmut Kohl, Thornton Wilder, Thomas Wolfe, Isabel Allende, Loki Schmidt, Katharina die Große, Rut Brandt, Tolstoi, Peter Bamm und so weiter.

Der Antiquar hat mir die Hoffnung genommen, dass das alles noch etwas wert sein könnte, und wenn es nur zehn Euro wären. Es gibt wohl einfach zu viele Bücher auf der Welt. „Ich würde es ja nehmen, aber ich hab’s schon acht Mal…“ sagt er und es klingt, als wäre er selbst ein bisschen deprimiert darüber.

Die dunkle Baustelle zieht sich. Einst war es ein buntes Treppenhaus, Hellblau, Ocker und so weiter, beleuchtet noch mit Gaslampen. Die Lampen gibt es noch, es sind Prachtstücke. Dann wurden die Wände eierschalen überstrichen in den frühen 1960er Jahren. Mit Dispersionsfarbe. Das war ein größerer Fehler, nicht der Farbton, sondern dieses Bindemittel.

Im Fachhandel gewesen, dort für zweihundert Mark meine Bestände an Lösemitteln wieder aufgefüllt. Und größere Mengen von Weiß. Das gibt ein gutes Gefühl. Leinöl ist noch genug da. Ein Faß vom Spezialisten selbstgemachten Kalkmörtels müsste ich mal wieder holen, einfach, damit genügend Stoff vorrätig. Und dringend eine PDF mit Werkbeispielen vom künstlerischen Oeuvre meiner selbst mitsamt Vitae auf den Weg bringen, endlich. Zur Eigenbewerbung für Ausstellungen.

Eine lustvolle Laune hingegen am einigermaßen demütigen Überlassen der Dinge dem allumfangend lässigen „Schicksal“ ggü. hatte ich schon immer metagenerell an Leib und Seele mit mir herumgetragen. Schon mit dreizehn in Wald und Wiese war da eine Ahnung, irgendeine Vorstellung davon, wie alles vielleicht irgendwie funktionieren und zusammengehen könnte. Später dann Werten und Zweifeln, natürlich, wie überall. Sei es nun ein lapidarer Reifenwechsel, das Wetter, irgendein Weg oder ein niemals verordneter Arztbesuch. Das hat alles sicherlich auch mit Glauben oder Nichtglauben zu tun. ‚Hoffen‘ ist ja oftmals geeigneter und zeitgemäßer. Das Schicksal aber liegt immer ein Näschen vorn, wobei ja keine Ahnung vorherrscht, was Schicksal wirklich sein könnte. Das Schicksal schert sich schließlich nicht um Hoffen oder Glauben. Das ist ja das Schöne am Schicksal. Man darf das alles gar nicht wissen wollen, dann kommt man ihm vielleicht am nächsten.

Als Bildgründe nehme ich ja ohnehin oft alte Buchdeckel, von daher passt das mit den vielen Büchern. Aus den Hardcovern der alten Brockhausbände will ich vielleicht eine Serie machen. Ach, oder ihn doch behalten, wenn das Internet mal weg ist. Da lachen ja die Hühner. Diese im Kerndorf wohl erlaubt sind, nicht jedoch am Waldrand. Offiziell jedenfalls. Wegen Kikerikie.

Es gab damals sogar auch Leute, die sind hier her gezogen an den Waldrand und das erste, was sie wollten, als ihr Haus fertig gebaut war, war, dass das Kirchengeläut vom Dorf abends abgestellt wird.

Da lachen ja nochmal die Hühner.

Die Zitronenfalterin war noch ein paar Mal da. Die eine Osterglocke ist jetzt erst verblüht, es drücken die Tulpen. Die Blumen am Grab sind nun ordentlich gerichtet, mit eigenbepflanzten Schalen. Und unten, in der Erde tief, schlummert die alte Dame. Das Friedhofswasser ist mittlerweile angestellt, immer am 1. April, so die Auskunft einer anderen alten Dame dort. Den Steinmetz muss ich noch kontaktieren. Was jetzt mit dem Stein wird und was der Abtransport kostete.

Eben bimmelt die Acht-Uhr-Glocke übers Tal, ich bin allein im Atelier am Waldrand, es dämmert und briest auf, soll ja Regen geben. Ich bin wohl wahrscheinlich doch ziemlich erschöpft von den letzten vier Jahren, vor allem den vergangenen sechs Monaten. Ein wenig kraftlos, vornehm. Kein Wunder, dass einen da tänzelnde Audis nerven. Nicht mal blinken tun sie, das wäre uncool. Kennt man ja. Bremsen tun die Weisen, darauf ist Verlass. Seit tausend Jahren.

Jetzt windstill, tröpfeln, die Abend-Amseln, Kröten, Rascheln hie und da im Gebüsch, und Bierchen. Wie sehr ich das mag! Jetzt kann die Wiese kommen.