Würd ich twittern, würd ich jetzt im Uebersprung schreiben „2cent Briefmarken heimlich mit Weinlippen lecken auf offizielle Briefe und serioese Anfragen including Finanzamt nach Portoerhöhung“. Ich twitter aber nicht.
Die Kirschkern reist übermorgen ab für fünf Monate. Das hat mir damals auch keiner gesagt, als ich Vater wurde. Wie schwer das alles dann doch sein kann, das Vermissen, trotz der Patchworkgewöhnung an Abwesenheiten, wegen der ich ja aber sozusagen schon im Vorteil bin, rein egopsychisch. Das ist das eine. /Das andere:
Und ausgerechnet auch noch nach Frankreich, in diese Lottergegend.
Alle reifen und voller Inbrunst erfahrenen Frauen, selbst besorgteste Mütter, sogar die Alleinerziehenden (!), denen ich mein eingetrübtes Vaterleid klage, sie alle kommen dabei unmittelbar ins SCHWÄRMEN und ihre Knie werden weich, anstatt daß sie mich trösten, gerade so, also ob ein bundesdeutscher Junge nicht einst auch gut hätte küssen können. Hätte man mich nur gefragt. Denn darum gehts.
/selbst die Köchin – und mit ihr weiblich namhaft Schreibende – geraten bei Schilderung meiner Urängste prompt und geradezu in EXTASE ob der Neuauflage ihrer Jugend und süßer Frauwerdung in Reproduktionserinnerung an sog. „Küsse in Frankreich“. Zum „ERSTEN MAL am besten mit einem Franzosen…“, das höre und lese ich, und staune weh, und angeblich sei das alles ganz „unvergesslich“ und so weiter.
/Ich hab spitze und schwere Finger deswegen, ein mächtiger Pickel wächst mir seit vorgestern nächst der rechten Unterlippe ob meiner Tochtersorge. Dazu kalte Lenden und Bizeps. /Und es ist ja wirklich nicht nur lustig. Nein, gar nicht. Auch wenn es eben dazugehört, zum Aufbrechen ins Leben, was ich der Kirschkern ja so wünsche, begleitet von sämtlichem Glück, welches man haben kann. /Und dann aber, ebenso im Übersprung, als verworfener Ausgleich und Lebenskugelschreiber:
Erinnert mich unvermittelt mein unbestechlich faires Kleinhirn nicht ganz unangenehm an NATALIE (aus Perpignan?), als Antipost. Als erhobener Zeigefinger. SIE, Natalie, dieses Austauschwunder, die einst mit mir mitten auf einer noch warmen nächtlichen süddeutschen Landstrasse lag nach dem Ausflugslokal Schwärzloch, und nur die Lichtkegel eines herannahenden VW-Derby auf seinem betrunkenen Heimweg unterbrachen uns irgendetwas Großes, was hätte stattfinden können, theoretisch, innerhalb nahfolgender Minuten und Halbstunden, und dazu die leider versetzungsgefährdende MUSIK-Arbeit, ausgerechnet, am nächsten Tag in der NULLTEN Stunde der elften Klasse. Ach. Himmel.
/WAS wohl aus Natalie geworden ist? Vielleicht befeuchtet sie gerade portoerhöhte französische Centbriefmarken mit Weinzunge auf offizielle Briefe an Austauschorganisationen und twittert das. Und ihre Kinder, vielleicht eher sogar schon ihre Enkel, gehen demnächst für fünf Monate nach Polen oder Irland oder sind schon lange von jeweilig dorther, mit ihrerseits Familie, zurückgekehrt.
/Das abendliche Briefmarkenlecken mit Rotweinzungen ist sicherlich etwas sehr archetypisches, was ggf. auch das Küssenkönnen-Wollen, bei aller Liebe, weniger ausgrenzt, denn beinhaltet, mindestens vorbereitet.
Austauschwunder.
Lottergegend!