natura morta

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„Johnny kam aus d. Bergen, in denen war Krieg. Diese Blumen, sechzig Jahre jünger als die Fliesen, die Blumen verblüht auch schon fünfzig Winter. Ebenso der Krieg, genau wie die Berge und nun auch Johnny. Johnny lebt jetzt in Hamburg und verkauft Blumen, die nie mehr verblühen.“

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Noch zwei Brötchenarbeiten nun zu Ende gebracht haben wir, die eine in der in Fachwerk erstellten Türmerstube eines reichstädtischen Stadttores, vierundzwanzig Meter hoch gelegen, es gab einen Aufzug außen am Gerüst, aber ich ging oft zu Fuß, zur allgemeinen Ertüchtigung meiner persönlichen Allgemeinheit. Die Zimmermänner schüttelten den Kopf über mich. Dort oben war eine im 16. Jh. errichtete massive Brandwand zu bearbeiten, die Fugen mussten ausgebessert werden und das mit Backsteinstücken vermauerte ehemalige Brandloch sollte archäologisch präsentiert werden, das heisst, jeder lockere kleine Stein musste vorsichtig herausgezogen und dann wieder neu vermörtelt eingesetzt werden. Mir bereitet eine solche Arbeit höchster Konzentration ja unendliche Freude. Ich nenne das „Fitzelarbeit“, wobei ich nicht weiss und auch noch nie nachgeschlagen habe, woher dieses Wort eigentlich kommt. Überhaupt geht es mir so, dass ich immer öfter gar nicht mehr nachfragen will, diese ewige Erklärungssucht und Googlelei ist so oft gesprächsflusszerstörend und bereitet mir einen unterschwelligen Intelligenzdruck und beinahe schon manchmal Seitenstechen. Eher lasse ich halbunwesentliche Dinge und Verhältnisse einfach so, wie sie klingen und frage nicht nach, sondern beobachte lieber die Essgewohnheiten des Mäuschens vor dem Atelier. Mein ganzes Leben habe ich nachgefragt. Damit muss jetzt mal Schluss sein.

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Die andere Arbeit war zu vollbringen in einer wunderschön gelegenen Hanglagen-Villa, erbaut um 1900 in etwa, jedenfalls im Jugendstil errichtet. Die originale Küche ist erhalten, die Fliesen sollten gereinigt und der Bestand geklärt werden, was bedeutet, dass ich spätere Elektrik und Wasserleitungen mitsamt den Armaturen zu entfernen hatte. Also einen be-reinigten und ge-reinigten Zustand zu schaffen für das weitere Vorgehen in Bezug auf Ergänzungen von Fliesen, Putzergänzungen, Haustechnik und so weiter. Ich habe noch fast niemals so gründlich die Wände einer Küche gereinigt. Vom Fett und von Speiseresten aus 120 Jahren. An den Fliesen hatte sich ein durchgehend feines Kraquellee in der Glasur gebildet, durch welches Schmutz, Schmodder und Rost in die Oberfläche eingedrungen war. Mithin eine Entfernung dieser Verunreinigungen quasi unmöglich war. Ein paar schöne eigenästhetische Zustände sind dort zu sehen, die Alterungsprozesse und natürlichen Verfall zeigen, ziemlich schön, wie ich finde. Wäre es meine Küche, ich würde das sichtbar belassen. Ein Fries von Pril-Blumen, seinerseits schon vergangen, erinnerte mich an die Küchen meiner Jugendlieben und die beschichteten Hängeschränke zu Hause am Waldrand.

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Und an Abdul Johnny.

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ein geschwisterkind ist vor langer zeit am abend seines 7. geburtstages verstorben. sie wollte über die straße rennen, um dort irgendetwas freudig zu tun und wurde von einem auto erfasst. eine zeichnung des kindes, entstanden nicht lange zuvor, wurde wiedergefunden und ist jetzt gerahmt, unter UV-absorbierendem museumsglas und in säurefreiem passepartout. wie gerne hätte ich dieses kind einhundert jahre später kennengelernt.

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Die neuen Besitzer der Villa hatten die Idee gehabt, in den Hang unterhalb zur steilen Straße hin eine Tiefgarage zu erstellen für zwei PKW, von dort aus einen Fahrstuhl ins EG des historischen Gebäudes. Da sich das Haus in der ehem. englischen Einflugschneise befindet, wo oftmals auf dem Rückflug noch restliche Bomben und damit auch Blindgänger abgeworfen wurden vor ungefähr 77 Jahren, hatten im vergangenen Jahr die Erdarbeiten unter behördlich angeordneter Aufsicht von Kampfmittelbeseitigern gestanden, weshalb sich diese Arbeit um einige Monate verschoben hatte nach hinten, also ins Jetzt. Ich hingegen überlegte, welche Geschichten und Liebeleien sich womöglich in über einhundert Jahren in dieser Küche unter den Bediensteten zugetragen haben mochten.

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Im Waldrandhaus gehen ein paar Dinge voran. Die dörflichen Holzbauer sind tätig und fleißig, die Untersicht des Daches ist mit OSBPlatten fertig verkleidet, die Zellulosedämmung ist eingeblasen und Gipskartonplatten sind aufgedoppelt. Die Heizungs- und Sanitärbauer waren immerhin drei Tage am Ort und haben die Wasser- und Abflußleitungen für das obere neue kleine Bädchen schon mal verlegt. Die GIS im kleinen Bad im OG ist aber noch nicht fertig, ebenso ist die Duschwanne im EG noch nicht installiert mit dem Abfluß ins UG, also mein Atelier. Das ist ein Problem, denn ab dem neunten Januar nächsten Jahres steht der Fliesenleger bereit. Er kann aber nicht Fliesen legen, wenn die Duschwanne noch nicht eingebaut ist. Die Trockenbauer, die nun hinzugezogen sind fürs zügige Weiterkommen haben offenbar einen derzeit bundesdurschschnittlichen Krankenstand, so dass auch die erneute Abhängung (diesmal schallgedämpft) des Gästezimmers und Haushaltsraumes sowie die Schalldämmung im Treppenabgang zum Atelier im UG noch nicht weiterbearbeitet wurden. Ebensowenig wie die Decke aus Gipskarton in der neuen Küche im EG. Vorgestern Termin beim handwerklich vortrefflichen Küchenbauer wegen Oberflächen, Farben und Anordnungen. Im kleinen Gäste-WC wird nun doch kein neuer Heizkörper angebracht werden, da durch die Planänderung einer energetisch zu erneuernden Außenverschalung mit zeitgemäßer Dämmung ebenjener überflüssig werden würde. Dieser bereits gelieferte Heizkörper, eher ein süßes „Heizkörperchen“, wird nun in jenem neuen Bädchen im OG eingebaut.

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Die Elektriker haben alles vorbereitet. Das ist ein erstklassiger und mitdenkender Handwerksbetrieb, der auch kurzfristig weiterarbeitet, wenn andere Gewerke sonst stillständen. Wer die üppigen Deckenflächen mit den rohen Gipskartonplatten fachgerecht verspachteln wird, ist unklar. Wahrscheinlich ich, zusammen mit dem Solo-Stuccateur. Streichen kann ich ja, aber im Trockenbau bin ich unerfahren. Die Bodenleger dürfen auch nicht vergessen werden, in allen „neuen“ Räumen wird es einen Linoleum-Boden geben. Ich hoffe, der Verzug im Bauablauf bringt nicht neue terminliche Probleme. Es ist noch so unendlich viel zu tun, zunehmend auch eher kleinteilig, da es sich um eine Sanierung handelt, nicht um einen Neubau. Aber ich denke, es wird wunderschön. Jetzt, da die Oberflächen mehr und mehr nicht durchscheinend, sondern in Volumen optisch definiert sind, werden Räumlichkeiten sichtbar. Und damit Vorstellungen künftigen Belebens. Das tut gut und ist auch dringend notwendig.

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27.12.: Inzwischen haben die Trockenbauer die Wand- und Deckenkaschierungen flink fertiggestellt. Wie der Fliesenleger, mit dem ich einst in der C-Jugend Fußball spielte (er schoss immer die Tore, manchmal auch auf meine Flanken hin), meinte: „Die kommat ed zom Schwätza, die kommat zom Schaffa!“ (hochdt.: „Die kommen nicht zum Schwätzen, die kommen zum Arbeiten!“). Im Spiel gegen die Mannschaft aus Unterjesingen gab es mal einen Abstoß des gegnerischen Torwartes, den ich mit dem Kopf an der Mittellinie annahm, wobei der Ball mir auf den Zentralkopf klatschte, nicht etwa auf die Stirn. Ich war selber schuld gewesen. Das tat so weh, mir war kurz schwindelig, so dass mir klar war, ich wollte das nicht weiter betreiben mit dem Fußball. Eigentlich war ich ein ganz passabler rechtsfüßiger Rechtsaußen gewesen, in der C-Jugend.

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Draußen waren es minus 14 Grad, viel Schnee. Die Elstern, die ja auch nur überleben wollen, haben meine Essensgaben für das Mäuschen entdeckt. Habe ein Stück Restholz vor den Mäusebau gestellt, damit sie das nicht weitertreiben. Mäuschen jedenfalls frisst Kürbiskerne und auch Schokolade von Ritter-Sport. Erstmals Schnee geschippt und gestreut, den öffentlichen Fußweg nebenan am Grundstück. Irgendein Neunachbar mit Haus am Waldrand und elektrischen Mercedes-Van fragt mich grinsend, ob er Bauschutt, „nur ein bisschen, nur zwei zerbrochene Betonplatten“ in den Container werfen darf. Verheddere mich überfordert in Schrägstriche zwischen Freundlichkeit und schroff. Erst später fällt mir ein, dass ich das nächste Mal zwei gute Flaschen Rotweines fordern werde. Das nehm ich mir vor. Hochpreisige Leute, immer, die sich dranhängen an einen und dann sparen, obgleich fünfmal so reich. Und grinsen, dieses ewige Grinsen. Anstatt klarer Texte. Ich hab doch niemals was dagegen, wenn einer zwei Steine in „meinen“ Container wirft.

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Meine gute alte Stichsäge, die immer oben lag im Renovierungsbereich, einst gewonnen in einem studentischen Kunstwettbewerb („Bosch Work-Art-Award“, 2. Preis) um ca. 1992, ist jetzt kaputt. Irgendein Handwerker hat sie offenbar benutzt, ich fand sie ganz woanders. Da kann man nichts machen, wohl. Daher einfach eine neue gekauft, vom selben Hersteller. Also meine erste gekaufte Stichsäge. Sogleich ein Vogelhäuschen dessen Bau in Angriff genommen. Das alte war noch vom dörflichen Wagnermeister Heller hergestellt worden, um ungefähr 1985. Das Dach vom Häuschen muss ich noch irgendwie wasserfest bekommen mit einem Belag, entweder Teer oder Metall. Angesichts der Temperaturen und geschlossener Schneedecke ist es dringend. /edit: Teer und Anstrich.

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ich hatte gedacht an johnny. ich wünschte ihm endlich echte blumen. vor allem aber ein gefühl dafür. denn wenn das da ist, dann kommt alles andere ja von alleine. in der notschlafstelle nennen sie ihn jetzt „Herr Doktor“. er trägt seit einem dreiviertel jahr stets einen schwarzen anzug, weißes hemd und hellblaue krawatte.

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„Jetzt noch Nachtrunde aus dem Atelier hinaus, an den übergroßen Buchs pinkeln, auf dass er endlich von selber eingehe, und Füchse verscheuchen, es sind minus 15 Grad. An Weihnachten vielleicht die Kirschkern, vielleicht eine Freundin von ihr dazu, dann vielleicht Bahram, vielleicht die E, das wäre alles schön. Zwei neue Bilder stehen am Tisch, eines davon „Drivin’ Home for Christmas“, das andere „Natura Morta“. Finde beide gut und derzeit gelungen. Meine Preise habe ich hochgesetzt wegen Inflation und Diesel, eines kostet jetzt 680,00.“

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Die Kirschkern und Bahram waren unterm Weihnachtsbaum. Johnny haben wir, Frau Mullah und ich, gestern am zweiten Weihnachtsfeiertag, kurz gesehen, gottlob. Ein anderer Geselle, freundlich, jung und zahnarm, meinte „ach, Sie sind seine Strichmutter“. Kam aber gleich die lachende Korrektur: „Stiefmutter!“ Gemeint war „Pflegemutter“. Es ist traurig und in der Schwebe. Auf und ab, ganz biblisch oder sonstwie, ein tiefes und ernstes Tal, eine große sehr ernste Geschichte mit offenen Ausgängen und Augen.

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nun sind es minus eins und tags demnächst plus 16. und man selber ist mittenmang. schreiben will ich doch, nur noch ein buch, anstatt mich zu ärgern über sanitärmechaniker ohne kinderstube. malen würde ich jetzt wollen, mittelgroß. wenn endlich das atelier nur mehr wieder weitläufig und nicht zugestellt wäre, aufgrund fehlender kinderstuben. klären möchte ich alles, anstatt zu verunklären. suche ich nachschub am terpentin, dann steht dieser mit vielerlei sicherheiten hinter einhundert mehrfach temporär gelagerter kisten. verräume ich sodann diese auf der suche, dann liegen schraubendreher ebendort, worauf ich stapelte wegen des terpentins. noch etwas geduld erbitte ich mich, die jungfrau maria und das profanleben.

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Und noch eine Ungeheuerlichkeit in diesem ausgehenden Jahr der Ungeheuerlichkeiten, gedankt sei es Herrn kid37: A Victorian Space Expedition.

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„Natura Morta“ heisst ja übrigens nicht „Tote Natur“, wie man profanitalienisch oder seichtlateinisch meinen möchte, sondern kunsthistorisch schlicht: „Stilleben“. (sic). Mögen die immerwährenden Mörder, Schlächter und Verbrecher dieser Welt alsbald zur Hölle fahren in ihrem Gesangsverein. Um dort am Fußballfeld die hoch abgestossenen Feuerbälle der rotglühenden Teufelchentorwarte auf den Mittelfontanellen ihrer Schädelkalotten annehmen zu müssen. Weil es der Rechtsaußengott so will. / gerne säuberte ich die hinterlassenschaften mit meinem neuen DUST-KILLER aufsaugend hinweg, der würde übrigens auch sogar austretendes asbest absorbieren können. war teuer genug.

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ruft draußen nun käuzchen. wie schön das ist. (aber, ich muss mäuschen warnen.) und natürlich bellen in der ferne welche hunde. man kann immer nur kleinklein, aber das ist auch gut so. überhaupt sind rauhnächte die fast schönsten, neben denen nackt am strand oder wiese streuobst oben ohne und mond. / laufmasche als weihnachtsstern, hatte ich auch noch nie. wie schön auch das ist.