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Lkw fuhr beim Zurücksetzen in mein ordnungsgemäß geparktes Autoheck, Klappe kaputt, Glas kaputt, alles kaputt, Wertermittlung Fahrzeug durch Gutachter 4200, Reparatur Heckklappe 3500, also neue Heckklappe, die fast so viel wert ist wie Fahrzeug, gebrauchte Heckklappen gibts aber leider nicht, da das die häufigsten Unfälle sind bei diesem Typ Kfz, also Reparatur und Mietwagen, ärgerlich – sehr, alles – man hat ja sonst nichts zu tun und daher lieber gleich zum Juristen.
Ich hätte mir eine beispielsweise blaumetallische Heckklappe so schön vorstellen können, Alleinstellungsmerkmal wär’s gewesen und Resteverwertung, quasi eine fahrende „Collage“, ganz mein Ding also, dazu bunt und ressoucenschonend. Die Polizei kam und war aber alsbald nicht zuständig, da es sich bei dem Gelände um einen „nicht öffentlichen Verkehrsraum“ handelte, ich bekam aber trotzdem ein Visitenkärtchen, notfalls zeugenbenennend, dem Verursacher war alles unendlich peinlich, als ich mir das Dilemma besah, waren die Scherben bereits sehr ordentlich zusammengekehrt, ein türkisfarben in der Sonne funkelndes Glitzerhäufchen, fast ein bisschen Mittelmeer.
Das alles auf dem Parkplatz eines ehemaligen Klinikums aus den 1950er Jahren, welches seit drei Jahren in Zwischennutzung als Flüchtlingsunterkunft diente und nun sind bald alle ausgezogen, weshalb die denkmalpflegerischen Untersuchungen zur Erstausstattung beginnen, an denen ich teilnehmen darf. Ein Miet-Lkw war’s gewesen, ein 7,5-Tonner aus München und die Eltern wollten doch nur ihrem Sohn behilflich sein, der aber gerade nicht zugegen war, als es passierte, ich verdränge die Geschichten und Verantwortlichkeiten dahinter und fahre also schon hoffentlich bald mit einem Kfz durch die Gegend, dessen Heckklappe fünf Sechstel so viel wert ist, wie das Kfz selbst. Wieso, weshalb, warum.
Gespräch mit der Intergationsberaterin-Ausbildung der IHK und dem ausbildenden Unternehmen, ein guter Termin, politische Stolpersteine mit sich in den Schwanz beißenden Großkatzen, Bayern und Baden-Württemberg sehr restriktiv, sollte Verwaltungsgericht die Ablehnung bestätigen, dann muss, um eine „Ausbildungsduldung“ zu erhalten, innerhalb von wenigen Wochen ein Personaldokument beschafft werden.
Solange aber das Asylverfahren läuft, sei jeder Kontakt zu staatlichen Behörden des Landes, aus dem man geflüchtet ist, zu vermeiden, denn man ist ja geflüchtet von dort, weil man dort verfolgt wird, ausserdem kann man ja mit Personaldokument des Herkunftslandes abgeschoben werden, nicht allerdings, wenn man keines hat.
„Nur rauskriegen, wie lange es im Ernstfall dauern würde, nicht in Kontakt treten“ die Devise, absurd das alles, zudem: Schutz vor Abschiebung während Ausbildung anscheinend erst im dritten Lehrjahr, das war mir jetzt auch neu, ich dachte, grundsätzlich während der gesamten Ausbildung – wieso ist das alles so, verehrte Politik, wieso wird es denjenigen, die auf einem sehr guten Weg sind und die laut deutscher Wirtschaft dringendst gebraucht werden, so schwer gemacht. Keine Ahnung. Oder doch so eine leise Ahnung.
Und das bei einhelliger Einschätzung, dass es oft junge Geflüchtete sind, die sich häufig mehr engagieren und anstrengen in der Ausbildung, als es die gesättigten einheimischen Gleichaltrigen tun. Und ausserdem, wie soll man aus einem chaotisierten Herkunftsland bitteschön eine Geburtsurkunde beschaffen oder ein Personaldokument, es gibt da nur eine rudimentäre Verwaltung diesbezüglich, Geburtsurkunden im Grunde kennt man dort ohnehin nicht, und wen sollte man dort antelefonieren und anfunken, wenn immer wieder die Netzmasten zerstört werden von den INSURGENTS und sowieso die Angehörigen ja selbst auf der Flucht sind und es keinen Kontakt daher zu denjenigen gibt, die mal eben „aufs Amt“ gehen könnten für einen.
Noch dazu die Angst, den Verwandten könnte etwas zustossen, wenn sich der Geflüchtete plötzlich an heimatstaatliche Behörden wendet und diese das dann – an wen auch immer, die Aufständischen vielleicht? – weitergeben. Das alles in einem „sicheren“ Herkunftsland. Wieso, weshalb, warum.
Da die 1950er Jahre nun so langsam in einen denkmalpflegerischen Augenmerk hineinrücken, soll die Erstausstattung jenes ehemaligen Hospitals dokumentiert werden. Angefangen von den ursprünglichen Farbigkeiten der Bauteile bis hin zur Machart von Details, zum Beispiel originalen Fensterbeschlägen und Türgriffen, oder der Form und Beschaffenheit von Balkongeländern. Da ist vieles noch Neuland.
Lange leere Krankenhausflure, dazu ein entsprechender Geruch, ein paar Tauben, die sich wegen offenstehender Fenster niedergelassen haben, Relikte der Zwischennutzung als Massenunterkunft von Geflüchteten, Schlimmes und Bewegendes, nur ein paar Stockwerke sind noch bewohnt, Kritzeleien an den Wänden, spielende Kinder im Haupttreppenhaus, kleine Dialoge mit jenen, und ein Häuschen für die Security, freundliches Zunicken bei der Ein- und Ausfahrt.
Die Kollegin hat sich einen kleinen Klapproller mitgebracht, um diese Hunderte von Flurmetern schneller überwinden zu können, ich verlege mich aufs Rennen, wenn mal eben kurz nochmals etwas nachgeschaut werden muss, zum Beispiel in Zimmer 605, welches zweihundert Meter und drei aufzuglose Stockwerke entfernt liegt. Interessant für uns vor allem die Farbigkeiten und Farbmaterialien und alles gestaltet sich viel komplizierter und daher noch interessanter, als ich es zunächst erwartet hatte. Was mir sehr gefällt. Auch wir suchen ja dort detektivisch nach dem wieso, weshalb, warum. Wir wollen die Geheimnisse knacken, diese ewigen Nüsse der Hinterlassenschaften.
Das Pflegeheim meldete sich, als wir gerade einem ersten satten grünlichem Blau über Menninge an den metallenen Fensterrahmen auf der Dachterrasse im siebten Stockwerk auf der Spur waren, mit Skalpell, Köpfchen und Lupenbrille. Ein Umzug könne in drei Wochen stattfinden. Wenn ich das wollen würde. Ich hatte so gehofft, sie melden sich erstmal nicht. In drei Tagen soll ich entscheiden. Wieso, weshalb, warum.
Und dennoch trägt irgendwas durch diese Tage, keine Ahnung, was und warum und wieso.