Den Garten dieses Jahr wieder wachsen lassen, wie im letzten. Eine schöne Wiese wird das und jede Menge Tierchen und Viecher. Überall krabbeln die Kreaturen und man selber hockt zwischendrin als ebensolche. Und kann sich an allem freuen. Wenn man Zeit dazu hat.
Die Audis morgens im Stau der Bundesstraße nach der Landeshauptstadt, sie tanzen. Hin und her. Jeden Tag dieselben. Sollen auf der rechten Spur bleiben, die ist schneller unterm Strich. Glaubt mir. Irgendjemand muss ja immer schneller. Oder ist es eben. Einen Hauch, als der Andere. Überall Spiegeleien der Ist-Zustände von Spiegeln. Es könnte so einfach sein, dabei. Die Hähne krähen, die Hennen picken. Alle Hühner lachen und legen ihre verdammten Eier. Seit zweitausend Jahren.
Nur die Kröten, die wandern.
Eine Kiste mit Büchern auf die Straße gestellt zum verschenken. Habe ich gestern gegen Abend. Die Kiste war weg, heute nachmittag. Vielleicht hat jemand eine Bananenkiste gebraucht und die Bücher eben einfach auch mitgenommen. Hans Fallada, Helmut Kohl, Thornton Wilder, Thomas Wolfe, Isabel Allende, Loki Schmidt, Katharina die Große, Rut Brandt, Tolstoi, Peter Bamm und so weiter.
Der Antiquar hat mir die Hoffnung genommen, dass das alles noch etwas wert sein könnte, und wenn es nur zehn Euro wären. Es gibt wohl einfach zu viele Bücher auf der Welt. „Ich würde es ja nehmen, aber ich hab’s schon acht Mal…“ sagt er und es klingt, als wäre er selbst ein bisschen deprimiert darüber.
Die dunkle Baustelle zieht sich. Einst war es ein buntes Treppenhaus, Hellblau, Ocker und so weiter, beleuchtet noch mit Gaslampen. Die Lampen gibt es noch, es sind Prachtstücke. Dann wurden die Wände eierschalen überstrichen in den frühen 1960er Jahren. Mit Dispersionsfarbe. Das war ein größerer Fehler, nicht der Farbton, sondern dieses Bindemittel.
Im Fachhandel gewesen, dort für zweihundert Mark meine Bestände an Lösemitteln wieder aufgefüllt. Und größere Mengen von Weiß. Das gibt ein gutes Gefühl. Leinöl ist noch genug da. Ein Faß vom Spezialisten selbstgemachten Kalkmörtels müsste ich mal wieder holen, einfach, damit genügend Stoff vorrätig. Und dringend eine PDF mit Werkbeispielen vom künstlerischen Oeuvre meiner selbst mitsamt Vitae auf den Weg bringen, endlich. Zur Eigenbewerbung für Ausstellungen.
Eine lustvolle Laune hingegen am einigermaßen demütigen Überlassen der Dinge dem allumfangend lässigen „Schicksal“ ggü. hatte ich schon immer metagenerell an Leib und Seele mit mir herumgetragen. Schon mit dreizehn in Wald und Wiese war da eine Ahnung, irgendeine Vorstellung davon, wie alles vielleicht irgendwie funktionieren und zusammengehen könnte. Später dann Werten und Zweifeln, natürlich, wie überall. Sei es nun ein lapidarer Reifenwechsel, das Wetter, irgendein Weg oder ein niemals verordneter Arztbesuch. Das hat alles sicherlich auch mit Glauben oder Nichtglauben zu tun. ‚Hoffen‘ ist ja oftmals geeigneter und zeitgemäßer. Das Schicksal aber liegt immer ein Näschen vorn, wobei ja keine Ahnung vorherrscht, was Schicksal wirklich sein könnte. Das Schicksal schert sich schließlich nicht um Hoffen oder Glauben. Das ist ja das Schöne am Schicksal. Man darf das alles gar nicht wissen wollen, dann kommt man ihm vielleicht am nächsten.
Als Bildgründe nehme ich ja ohnehin oft alte Buchdeckel, von daher passt das mit den vielen Büchern. Aus den Hardcovern der alten Brockhausbände will ich vielleicht eine Serie machen. Ach, oder ihn doch behalten, wenn das Internet mal weg ist. Da lachen ja die Hühner. Diese im Kerndorf wohl erlaubt sind, nicht jedoch am Waldrand. Offiziell jedenfalls. Wegen Kikerikie.
Es gab damals sogar auch Leute, die sind hier her gezogen an den Waldrand und das erste, was sie wollten, als ihr Haus fertig gebaut war, war, dass das Kirchengeläut vom Dorf abends abgestellt wird.
Da lachen ja nochmal die Hühner.
Die Zitronenfalterin war noch ein paar Mal da. Die eine Osterglocke ist jetzt erst verblüht, es drücken die Tulpen. Die Blumen am Grab sind nun ordentlich gerichtet, mit eigenbepflanzten Schalen. Und unten, in der Erde tief, schlummert die alte Dame. Das Friedhofswasser ist mittlerweile angestellt, immer am 1. April, so die Auskunft einer anderen alten Dame dort. Den Steinmetz muss ich noch kontaktieren. Was jetzt mit dem Stein wird und was der Abtransport kostete.
Eben bimmelt die Acht-Uhr-Glocke übers Tal, ich bin allein im Atelier am Waldrand, es dämmert und briest auf, soll ja Regen geben. Ich bin wohl wahrscheinlich doch ziemlich erschöpft von den letzten vier Jahren, vor allem den vergangenen sechs Monaten. Ein wenig kraftlos, vornehm. Kein Wunder, dass einen da tänzelnde Audis nerven. Nicht mal blinken tun sie, das wäre uncool. Kennt man ja. Bremsen tun die Weisen, darauf ist Verlass. Seit tausend Jahren.
Jetzt windstill, tröpfeln, die Abend-Amseln, Kröten, Rascheln hie und da im Gebüsch, und Bierchen. Wie sehr ich das mag! Jetzt kann die Wiese kommen.
Herzlichen Dank für dieses feine „Rasenstück“. Danke, daß Sie an Ihrem Erleben derart Anteil nehmen lassen
Jedem Raser ein Stückchen Rasen. Dankeschön ; )
Lieber Herr Schneck,
wo hat es Sie denn hin verschlagen?
Ganz lieben Dank für Ihr „Danke-Mail“.
Schöner Text wieder einmal.
Alles Gute
Ihr Wolfgang Vöhringer
Merci, lieber Herr Vöhringer!